Anfang des Jahres 2009 gab es im Spiegel ein bemerkenswertes Streitgespräch zwischen zwei bekannten Finanzprofessoren. Der eine, Bert Rürup, sah die deutsche Wirtschaft schrumpfen wie seit 60 Jahren nicht.
Der andere, Stefan Homburg, verwahrte sich gegen "Phantasieren ohne gesicherte Fakten" und wollte partout keine Krise sehen. Das ist gerade einmal zwei Monate her und wirkt wie aus einer vergangenen Zeit.
Damals war die Rede von einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um zwei Prozent. Als der Deutsche-Bank-Volkswirt Norbert Walter bald darauf von minus fünf Prozent sprach, zog Bundesfinanzminister Peer Steinbrück rüde über ihn her. Jetzt folgen weitere Institute, und Steinbrück wird es schwerfallen, diese Prognosen erneut vom Tisch zu wischen.
Kein lustiger Wettbewerb
Das angesehene RWI in Essen rechnet mit minus 4,3 Prozent, die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung mit fünf Prozent, die Commerzbank mit sechs bis sieben Prozent. Die Zeiten sind vorbei, in denen man sich über diesen Unterbietungswettbewerb lustig machen konnte. Die Fakten, die Homburg einklagte, sind dramatisch, beim Export ebenso wie bei den Auftragseingängen.
Noch hat die Krise viele Bürger nicht erreicht. Wenn aber im Herbst die Arbeitslosigkeit nach oben schnellt, wird die Stimmung kippen. Die Regierungsparteien schaffen es vielleicht noch einigermaßen ungerupft bis zum Wahltag.
Dann aber kommen sie um Antworten nicht mehr herum, wie sie die Mitte befrieden wollen: jenen Teil der Gesellschaft, der Wirtschaft und Staat trägt und wo die Angst umgeht. Die Politiker täten gut daran, jetzt an gemeinsamen Konzepten zu arbeiten, statt sich in wahltaktischen Scharmützeln zu verlieren.