Steuervermeidung:G-7-Finanzminister befürworten globale Mindeststeuer

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Ohne nervige Videokonferenzen und in einem palastartigen Anwesen: Die G7-Finanzminister trafen sich von Angesicht zu Angesicht in Lancaster House in London. (Foto: Stefan Rousseau/AFP)

Beim ersten persönlichen Treffen der Minister seit 2019 geht es gleich um eine historische Reform. Der Anstoß dazu kam aus Berlin und Paris.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Mit den sinkenden Corona-Zahlen steigen die Regierungsmaschinen der Luftwaffe wieder öfter auf, um Kabinettsmitglieder zu internationalen Treffen zu bringen. Wie an diesem Freitag Olaf Scholz. Kurz nach acht Uhr morgens hob die Maschine Richtung London ab, zum Treffen der Finanzminister aus den sieben wichtigsten Staaten der westlichen Welt, den G7. Auf der Tagesordnung des Treffens steht eine, wie der japanische Finanzminister Tarō Asō es nennt, historische Reform: die Einführung einer globalen Mindeststeuer. Sein deutscher Kollege spricht von einer "weltweiten Steuerrevolution".

Die britischen Gastgeber der G7 hatten die Finanzminister zu Beginn des Treffens - es war das erste richtige Treffen seit 2019 - aufgefordert, bei der geplanten globalen Mindestbesteuerung von Unternehmen den entscheidenden Schritt zu machen. "Wir können nicht mehr auf ein Steuersystem setzen, das zu großen Teilen aus den 1920er-Jahren stammt", sagte der britische Schatzkanzler Rishi Sunak, der die Debatte über die Reform gleich in die erste Arbeitssitzung gepackt hatte. Nach knapp zwei Stunden Diskussionen sei man sich weitgehend einig gewesen, hieß es danach aus London, technische Details sollten die Sherpas klären, also die Chefunterhändler der Minister.

Scholz und sein französischer Ressortkollege Bruno Le Maire hatten der internationalen Staatengemeinschaft vor einigen Jahren eine Steuerreform unter dem Dach der Industriestaaten-Organisation OECD vorgeschlagen: mit einer globalen Mindeststeuer und einer neuen Form der Besteuerung digitaler Dienstleistungen. Während der Zeit der Trump-Administration kam das Projekt kaum voran, der damalige US-Präsident befeuerte im Gegenteil das internationale Steuerdumping. Seit Joe Biden ins Weiße Haus gezogen ist und die frühere Fed-Chefin Janet Yellen zu seiner Finanzministerin gemacht hat, ist Schwung in die Debatte gekommen. Biden schlägt eine globale Mindeststeuer von "mindestens 15 Prozent" vor. Die Vorarbeiten laufen so ungewöhnlich schnell, dass erwartet wird, zuerst im Juli auf dem Treffen der G-20-Staaten in Venedig und danach in der OECD eine Einigung erzielen zu können.

Den Plänen zufolge sollen Unternehmensgewinne weltweit mit einem Mindestsatz besteuert werden. Praktisch hieße das, dass alle Steueroasen ausgetrocknet würden. Man hat nicht damit rechnen können, dass Biden diesen Plan vorantreiben würde, schließlich gibt es auch in den USA Niedrigsteuergebiete. Es wird deshalb besonders auf das Kleingedruckte ankommen, sollte die Mindeststeuer vereinbart werden. Am Freitag hieß es aus London, man arbeite noch an der Formulierung für die Abschlusserklärung.

Gearbeitet wird auch an der Verteilung der Einnahmen. Man will grundsätzlich bei dem Prinzip bleiben, dass Gewinne am Hauptsitz von Konzernen versteuert werden. Allerdings sollen sogenannte Marktstaaten - wo Produkte verkauft werden - einen größeren Anteil bekommen. Damit sollen auch die US-Tech-Riesen angehalten werden, Steuern zu zahlen. Konzerne wie Amazon, Apple, Facebook, Microsoft und der Google-Mutter Alphabet vermeiden jährlich 200 Milliarden Dollar an Steuerzahlungen, schätzen Ökonomen.

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