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Michael Zahn: "Die Initiative ist für uns einfach Ansporn, besser zu werden, Dinge besser zu machen." (Foto: Andreas Pohlmann/oh)

Michael Zahn ist Chef der Deutschen Wohnen, Deutschlands zweitgrößter privater Vermieter. Das Unternehmen wird vor allem in Berlin für seine Mietpolitik kritisiert

Von Francesca Polistina

Es gibt Top-Manager, die gerne an die Öffentlichkeit gehen, und andere, die das Rampenlicht meiden, weil es ihnen nicht liegt oder sie es für überflüssig halten. Michael Zahn gehört zu letzteren. Der 57-Jährige aus dem Kaiserstuhl in Baden ist Chef der Deutschen Wohnen, und wäre die Deutsche Wohnen, und damit Zahn, nicht zum Symbol für die Wohnraumkrise in Berlin geworden, würde man wahrscheinlich von ihm kaum etwas hören. Doch so ist es nun mal nicht. Zumindest seit dem Anfang des Volkbegehrens "Deutsche Wohnen und Co. enteignen" nicht.

Seit 2008 führt Michael Zahn den Konzern. Über ihn weiß man, dass er in Potsdam lebt und als architektur- und kunstbegeistert gilt. Davor arbeitete Zahn bei der Gehag, einer gemeinnützigen kommunalen Gesellschaft, die wie viele anderen in den Neunzigern, privatisiert wurde. Der SZ sagte er einmal, dass er explizit zur Gehag wollte, weil er wusste, dass ihr ein großer Umbruch bevorstehe: die anstehende Privatisierung sei für die Organisation Challenge pur gewesen, und genau das strebte er an. 2005 wurde die Gehag von der US-Investmentgesellschaft Oaktree Capital übernommen: Was für viele Kollegen das Ende des Traditionsunternehmens bedeutete, wurde für Zahn zum "Meilenstein". Wenige Jahre später verkaufte Oaktree an die Deutsche Wohnen, die damals ein Drittel so groß war wie heute. Zahn wurde zum Vorstandsvorsitzenden, er konzentrierte sich unter anderem auf zwei Dinge: schnelles Wachstum und Ballungszentren.

Heute ist die Deutsche Wohnen nach Vonovia Deutschlands zweitgrößter privater Vermieter. Dem Unternehmen gehören rund 155 000 Wohnungen, drei Viertel davon stehen in Berlin, in der Stadt also, wo die Mieten in den vergangenen Jahren am stärksten gestiegen sind. Prozentual betrachtet bedeutet das sechs Prozent des lokalen Marktes, auf deutscher Ebene ist das nicht mal ein Prozent. In anderen Branchen wären das Krümel, auf dem Wohnungsmarkt, wo sich deutlich mehr Akteure das Geschäft aufteilen, reicht das, um als "großer Player" zu agieren - vor allem, wenn das Kerngeschäft in den Großstädten liegt. Im Juni 2020 stieg das Unternehmen in den Dax auf und ersetzte die von der Pandemie schwer getroffene Lufthansa.

Nun hat die Deutsche Wohnen ihre Bilanz vorgestellt. Und diese zeigt: der Berliner Mietendeckel macht sich bemerkbar. Insgesamt gingen die Bestandsmieten im vergangenen Jahr um 4,1 Prozent auf durchschnittlich 6,70 Euro pro Quadratmeter zurück. Trotzdem scheint das Unternehmen den Mietendeckel in der Hauptstadt gut zu verkraften: Zahn meldete nur geringe Gewinneinbußen und erwartet für das laufende Jahr einen operativen Gewinn auf dem Niveau von 2020, für die Zukunft sind Investitionen in den Neubau und in die Nachhaltigkeit der Gebäude geplant. Zahn geht davon aus (oder besser: hofft), dass der Mietendeckel vom Bundesverfassungsgericht gekippt wird. So oder so steht das Unternehmen aber unter Druck - und versucht deshalb, soziale Akzeptanz zu erreichen. "Die Initiative ist für uns einfach Ansporn, besser zu werden, Dinge besser zu machen", sagte Zahn am Donnerstag etwa über die Enteignungsinitiative.

Schon in der Vergangenheit hatte die Deutsche Wohnen mehrere Versprechen gemacht, zum Beispiel einen Fonds in Höhe von 30 Millionen Euro für Menschen aufgelegt, die in der Pandemie in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind. Mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein ist es für viele aber nicht: Die Situation auf dem Markt bleibt angespannt, die kontinuierlich steigenden Mieten, von denen die Privatunternehmen profitieren, werden kritisiert.

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