Immobilien:Es wird ernst für Vermieter

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Die enormen Mietsteigerungen haben vor allem in Berlin zu massiven Protesten geführt. Der Senat steht unter Druck. (Foto: Janine Schmitz/imago)
  • Als erste Landesregierung in Deutschland will der rot-rot-grüne Senat in Berlin Mieten einfrieren, um das Verdrängen von Mietern aus ihren angestammten Stadtvierteln zu stoppen.
  • Bei Modernisierungsmaßnahmen, die zuletzt zu Mieterhöhungen von mehreren Hundert Euro führen konnten, will der Senat ebenfalls eingreifen.

Von Thomas Öchsner, München

Einige Aktionäre ergriffen schon am Morgen danach die Flucht. Am Donnerstag verkauften Anleger Immobilienaktien in großem Stil. Vor allem für Papiere des Konzerns Deutsche Wohnen galt die Devise: nur weg damit. Fast acht Prozent gaben die Aktien des Unternehmens nach, das in Berlin mehr als 116 000 Wohnungen und Gewerbeeinheiten besitzt.

Zuvor war bekannt geworden, dass die Berliner Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) Ernst machen will mit einem Mietendeckel für die Bundeshauptstadt. Als erste Landesregierung in Deutschland will der rot-rot-grüne Senat von 2020 an die Mieten für zunächst fünf Jahre in Berlin einfrieren, um den Anstieg aufzuhalten und das Verdrängen von Mietern aus ihren angestammten Stadtvierteln zu stoppen.

Entsprechend aufgeregt reagierten diejenigen, die mit Immobilien oder Immobilienaktien (viel) Geld verdienen. Wenn das Beispiel Berlin in Deutschland Schule machen würde, "hätte ich als Immobilieninvestor Bedenken", sagte ein Frankfurter Börsenexperte der Nachrichtenagentur Reuters und fügte hinzu: "Das hat mit Marktwirtschaft nichts zu tun."

Mehrfamilienhäuser im Fokus

Senatorin Lompscher, die am 18. Juni ihren Entwurf dem Senat vorlegen wird, sieht das nicht so: Sie plant, die Mieten für "nicht preisgebundene Wohnungen in Mehrfamilienhäusern" bis 2025 zu deckeln. Das neue Landesgesetz soll also nicht für Sozialwohnungen gelten, aber auch nicht für Neubauwohnungen, die bislang nicht vermietet waren, um Investoren nicht abzuschrecken. In allen anderen Fällen dürfen Vermieter dann von Mietern, die neu in eine Wohnung einziehen, nur die zuletzt gezahlte Miete kassieren. Und Mieter können Behörden prüfen lassen, ob bei ihnen ein überhöhter Mietpreis vorliegt. Falls das so ist, lässt sich die Miete auf die zulässige Höhe verringern.

Bei Modernisierungsmaßnahmen, die zuletzt zu Mieterhöhungen von mehreren Hundert Euro führen konnten, will der Senat ebenfalls eingreifen: Mietaufschläge auf Grund einer Modernisierung wären dann ab monatlich 50 Cent pro Quadratmeter genehmigungspflichtig. Der Vermieter muss mithilfe eines Sachverständigen nachweisen, dass sich durch die Maßnahmen Betriebskosten einsparen lassen. Bei Verstößen gegen das Gesetz sollen Geldbuße von bis 500 000 Euro möglich sein.

Den neuen Deckel hatte die SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus angeregt. Der Senat steht unter Druck, auch weil eine Bürgerinitiative per Volksentscheid Immobilienkonzerne mit mehr als 3000 Wohnungen gegen Entschädigung enteignen will. Der Mietendeckel hat aber derzeit bundesweit keine Chance. Die Union lehnt solche Eingriffe ins Eigentumsrecht kategorisch ab. Die frühere SPD-Chefin Andrea Nahles hatte im Herbst vor den Landtagswahlen in Hessen einen nicht ganz so festen Deckel vorgeschlagen. Demnach sollten Mieten "in angespannten Wohnungsmärkten für fünf Jahre nur in Höhe der Inflation steigen dürfen". Auch in Berlin ist der Deckel umstritten.

"Stärkung des Mieterschutzes"

Beifall kommt vom Berliner Mieterverein. Dieser spricht von einer "klaren Stärkung des Mieterschutzes". Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW hält den Deckel hingegen "für verfassungsrechtlich höchst bedenklich". Wohnungsnot in den Städten ließe sich nicht über das Mietrecht lösen, sondern nur durch "schnelleres, einfacheres und kostengünstigeres Bauen".

Jan-Marco Luczak, stellvertretender rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, warnt: Der Mietenstopp würde den Klimaschutz torpedieren, wenn künftig das Einsparen von Betriebskosten bei Tausenden Modernisierungen zu belegen sei, wofür es ohnehin nicht genug Sachverständige gebe. "Das verursacht hohe Kosten und schreckt vor allem private Kleinvermieter ab." Luczak spricht von "Planwirtschaft. Mieten werden staatlich festgesetzt, staatlich überwacht und Vermieter kriminalisiert." Er hält den Berliner Mietendeckel für verfassungswidrig, da das Land dafür gar nicht zuständig sei.

Ob er damit recht behält, müssen voraussichtlich Gerichte entscheiden. Experten rechnen in Berlin mit einer Klagewelle, wenn das Gesetz wie vorgesehen im Januar 2020 in Kraft treten sollte. Zwei Juristen, Franz Mayer und sein Kollege Markus Artz von der Universität Bielefeld, hatten aber im März der SPD-Fraktion im Senat in einem Gutachten bereits bescheinigt: "Am Recht wird ein Mietendeckel für Berlin nicht scheitern." Die beiden arbeiten gerade den entsprechenden Gesetzesentwurf für ein bayerisches Volksbegehren aus. Damit will der Mieterverein München einen Mietenstopp in den 137 Städten und Kommunen Bayerns erreichen, in denen der Wohnungsmarkt als angespannt gilt.

"Wir freuen uns, dass Berlin mit dem Mietendeckel vorangeht", sagt Simone Burger, Vizechefin des Mietervereins München. Sie räumt ein, dass ein Mietenstopp einen Eingriff ins Eigentum von Vermietern bedeute. Der Staat greife aber auch in anderen Fällen ins Eigentum ein, und hier handele es sich nach dem rasanten Mietenanstieg um eine "Notsituation", die einen solche Eingriff rechtfertige. "Eigentum verpflichtet", sagt Burger und erinnert an das Grundgesetz. Mit dem Sammeln der 25 000 Unterschriften für die Zulassung ihres Volksbegehrens wollen die Mieterschützer im Herbst anfangen - nach dem Oktoberfest.

© SZ vom 07.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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