Mehrwertsteuer:Frauenfeindliche Abgabe

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Der Palast von Westminster, der Sitz des britischen Parlaments: Parlamentarier kämpfen für Steuerausnahmen. (Foto: Dan Kitwood/Getty Images)

Großbritannien befreit Nahrung von der Mehrwertsteuer, nicht aber Tampons. Abgeordnete wollen das ändern.

Von Björn Finke

Lebensmittel genießen das Privileg. Genau wie Bücher, Babykleidung, Fahrradhelme und vieles andere mehr. Auf all diese Produkte fällt in Großbritannien keine Mehrwertsteuer an. Dieses Steuergeschenk macht Waren, auf die niemand verzichten kann oder soll, billiger. Aus Sicht weiblicher Untertanen Ihrer Majestät gehören auch Tampons und Binden zu den absolut nötigen Einkäufen. Trotzdem verlangt der Fiskus hier Mehrwertsteuer, allerdings nur den verringerten Satz von fünf statt zwanzig Prozent.

Eine parteien- und geschlechterübergreifende Koalition im Parlament hält das für ungerecht und frauenfeindlich. Sie will Schatzkanzler George Osborne dazu zwingen, bei der EU eine Mehrwertsteuerbefreiung für die Produkte auszuhandeln. Ohne ein Placet aus Brüssel sind dem Konservativen die Hände gebunden. Eine britische Studentin hatte zuvor eine Petition im Internet gestartet. Der treffende Titel: "Stop taxing periods", also: Stoppt die Besteuerung von Monatsblutungen. Sie hat bereits mehr als 250 000 Unterstützer.

In anderen Staaten, etwa Australien, gab es ähnliche Proteste.

Am Montag debattierten die Parlamentarier über Osbornes Haushaltsgesetz. Das Aus für die "Tampon Tax", wie Aktivistinnen die Besteuerung nennen, reichten Abgeordnete als Ergänzung zu dem Gesetz ein, als New Clause 7, also neue Klausel 7. Es wurde erwartet, dass am späten Montagabend darüber abgestimmt wird - und dass eine Mehrheit die Abschaffung fordert.

Für die Regierung ist das heikel. Die EU setzt bei der Mehrwertsteuer eine Untergrenze von 15 Prozent fest. Für bestimmte Waren und Dienstleistungen sind verringerte Sätze von mindestens fünf Prozent erlaubt. Viele Länder belasten aber Produkte mit noch niedrigeren Sätzen oder befreien sie ganz.

Dies sind jedoch Ausnahmen. Die EU lässt es zu, dass Staaten lang existierende Steuerprivilegien weiter gewähren. Regierungen dürfen diese Ausnahmen allerdings nicht auf andere Waren ausweiten. Null Prozent Mehrwertsteuer auf Lebensmittel in Großbritannien sind erlaubt, weil das ein Altfall ist. Tampons und Binden dürfen hingegen nicht mit weniger als fünf Prozent besteuert werden.

Premierminister David Cameron und Schatzkanzler Osborne wollen das Verhältnis Großbritanniens zur EU ohnehin neu verhandeln. Sie möchten mehr Entscheidungsgewalt von Brüssel zurück in die Hauptstädte holen. Danach sollen die Briten in einer Volksabstimmung über den Verbleib in der EU entscheiden. Mehrwertsteuer-Ausnahmen für Damenhygieneprodukte standen aber bislang nicht auf der Liste der Verhandlungsziele des konservativen Duos.

Im Parlament finden sich die meisten "Tampon Tax"-Gegner auf den Bänken der Opposition. Doch auch EU-Skeptiker bei den regierenden Tories unterstützen die Steuerbefreiung. Für diese Abgeordneten sind die Mehrwertsteuer-Untergrenzen aus Brüssel ein willkommenes Beispiel für angeblich unbotmäßige Einmischung der EU. "Das britische Parlament sollte Steuern so setzen können, wie es ihm beliebt", sagt der konservative Abgeordnete Bernard Jenkin. Tampons werden in Großbritannien glatt zur Frage nationaler Souveränität.

© SZ vom 27.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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