Flaschen:"Unser Mehrwegsystem geht gerade kaputt"

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Individualisierte Flaschen, sinkende Quoten: Das einstige Vorzeige-Sammelsystem hat ein Problem. Und damit auch die Umwelt.

Von Vivien Timmler

Es gibt eine Handvoll Dinge, für die andere Länder Deutschland mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Verwunderung betrachten. Dazu gehören die deutschen Autobahnen, dazu gehört die vermeintliche Affinität der Bundesbürger zum Mülltrennen - und dazu gehört das deutsche Mehrwegsystem für Flaschen aller Art. Doch das ist nicht mehr, was es mal war. "Unser Mehrwegsystem geht gerade kaputt", sagt Katharina Istel vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu).

Erst vor wenigen Tagen hat die Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung die neuen Mehrwegquoten für Deutschland veröffentlicht. Demnach ist der Mehrweg-Anteil "wieder angestiegen", und zwar von 41,2 auf 41,8 Prozent. Was erst bei näherer Betrachtung aus den Zahlen hervorgeht: Die Steigerung ist allein auf ein Mehrweg-Plus bei Wasserflaschen zurückzuführen. In allen anderen Segmenten - Bier, Erfrischungsgetränken, alkoholischen Mischgetränken - sank die Mehrwegquote zuletzt. Zumal sich die Quote nur auf die sogenannten "bepfandeten Getränkesegmente" bezieht: Milch, Fruchtsäfte, Wein und Spirituosen sind in Deutschland explizit von der Pfandpflicht ausgenommen. Das führt dazu, dass die "echte" Mehrwegquote nicht etwa bei knapp 42 Prozent liegt, sondern einige Prozentpunkte darunter.

Ein weiteres Problem: Viele Hersteller haben in den vergangenen Jahren angefangen, ihre eigenen Flaschen zu designen. "Individualisierte Glasflaschen sind schlecht für das Mehrwegsystem", kritisiert Istel. Diese Flaschen müssten immer zu ein und demselben Abfüller zurücktransportiert werden, egal wo in Deutschland sie abgegeben werden. "Poolsysteme vieler Anbieter sind viel effizienter, als wenn jeder Hersteller die Rückholung selbst organisiert", so Istel.

Was ist Einweg, was ist Mehrweg?

Und Pfand ist nicht gleich Pfand. So gibt es in Deutschland sowohl ein Pfandsystem für Einweg-, als auch für Mehrwegflaschen. Einer Emnid-Untersuchung zufolge versteht knapp die Hälfte der Bundesbürger den Unterschied nicht. Zur Erklärung: Mehrwegflaschen tragen den schlichten Hinweis "Mehrweg" auf der Flasche. Steht dort nur "Pfandflasche" oder "Pfand zurück", handelt es sich um eine Einwegflasche. Ein weiterer Hinweis auf die Flaschenart ist die Höhe des Pfandes: Bei Mehrwegflaschen beträgt er in der Regel acht oder 15 Cent, das Einwegpfand beträgt einheitlich 25 Cent.

Doch welche Flasche ist nun am besten für die Umwelt? Am nachhaltigsten ist - das zeigen Studien diverser Auftraggeber übereinstimmend - die Mehrweg-PET-Flasche. Zwar kann sie im Gegensatz zu ihrem Glas-Pendant nur etwa 25 und nicht bis zu 50 Mal wiederbefüllt werden. Aufgrund ihres geringeren Gewichts beim Transport ist sie trotzdem vorzuziehen - erst recht, wenn sie aus Recyclingmaterial besteht.

Einweg-PET-Flaschen werden hingegen nur ein einziges Mal befüllt und anschließend sofort wieder recycelt. Mehrweg-Glasflaschen sind ihnen vorzuziehen - es sei denn, diese müssen vom Abfüller bis zum Getränkemarkt Distanzen von mehreren Hundert Kilometern zurücklegen. Dann kann die Einweg-PET-Flasche aufgrund ihres geringen Gewichts ökologisch sinnvoller sein. Mehrweg-Glasflaschen schonen das Klima also vor allem dann, wenn sie aus der unmittelbaren Region kommen.

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