Mehr Selbstanzeigen bei den Finanzämtern:Uli Hoeneß und 14.548 andere

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Die Causa Hoeneß ist wohl der wichtigste Grund, warum die Selbstanzeigen bei den Finanzämtern einen neuen Rekordstand erreicht haben. (Foto: imago sportfotodienst)

Hat das Bekanntwerden von Uli Hoeneß' Schweizer Millionen andere Steuerbetrüger alarmiert? Bei den Finanzämtern sind in den ersten sechs Monaten des Jahres jedenfalls so viele Selbstanzeigen eingegangen wie noch nie. Das nützt nicht nur dem Staat, sondern auch den Steuerberatern.

Über eine Sache kann sich Uli Hoeneß immer noch mächtig aufregen. Dass von all den Steuersündern, die sich in diesem Jahr selbst angezeigt haben, nur ein einziger Name bekannt geworden ist. Sein eigener. Daran ändert sich auch mit der neuesten Statistik nichts. Aber wenigstens weiß der Präsident des FC Bayern München jetzt, dass er in großer Gesellschaft ist.

Außer Hoeneß haben sich von Januar bis Juni in Deutschlands Finanzämtern noch 14.548 weitere Steuerbetrüger gemeldet - so viele wie nie zuvor. Das hat eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur bei den Finanzministerien aller 16 Bundesländer ergeben. Nach der ersten Hälfte des Jahres 2013 ist die Zahl der Anzeigen damit fast genauso hoch wie im gesamten Jahr 2012.

Bei einer Selbstanzeige besteht die Möglichkeit, straffrei davonzukommen. Allerdings müssen Steuersünder ihre Finanzen dafür vollständig offenlegen und die gesamte Steuerschuld plus Zinsen nachzahlen.

Zwischen den 16 Ländern tun sich ziemliche Unterschiede auf. Mit weitem Vorsprung liegt Bayern an der Spitze, wo 6635 mutmaßliche Betrüger den Versuch unternahmen, ehrlich zu werden - Hoeneß inklusive.

Nur wenige Selbstanzeigen im Osten

Auf den Plätzen zwei und drei folgen Baden-Württemberg (2360) und Nordrhein-Westfalen (1528). Im Osten haben sich dagegen nur wenige mutmaßliche Steuerbetrüger gemeldet: In Sachsen-Anhalt gab es ganze drei Anzeigen, in Mecklenburg-Vorpommern sieben, in Thüringen 20 und in Sachsen immerhin 53. Vielleicht ein Indiz dafür, dass die großen Vermögen noch immer eher in den westlichen Bundesländern zu finden sind.

Der Präsident des FC Bayern München bleibt der prominenteste Fall. Der Ex-Fußballer hatte sich im Januar selbst angezeigt, um Vermögen von einem Schweizer Konto nachzuversteuern. Es geht um eine Steuerschuld von mehreren Millionen Euro. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft laufen noch, möglicherweise könnte Hoeneß allerdings mit einer Bewährungsstrafe davonkommen, weil ein Teil der Vorwürfe bereits verjährt ist.

Einig sind sich die Experten, dass die Causa Hoeneß beim bundesweiten Rekord eine Rolle spielt. Seit die Selbstanzeige des Bayern-Präsidenten Mitte April bekannt wurde, stieg die Zahl derjenigen, die sich ein Beispiel an Hoeneß genommen haben. "Mag sein, dass das der Auslöser war", sagt Horst Vinken, Präsident der Bundessteuerberaterkammer. "Aber der eigentliche Grund ist, dass Ende vergangenen Jahres das Steuerabkommen mit der Schweiz nicht zustande gekommen ist."

Bis dahin hatten viele Deutsche mit Schwarzgeld in der Schweiz gehofft, ihre Steuervergehen diskret bereinigen zu können - anonym und zu einem Pauschalsatz zwischen 21 und 41 Prozent. Nach dem Scheitern des Abkommens wuchs bei den deutschen Steuersündern jedoch die Nervosität. Als weiterer Grund wird von Finanzexperten der umstrittene Ankauf von Steuer-CDs genannt.

Viel zu tun für Steuerberater

Die plötzliche Ehrlichkeit sorgt jetzt dafür, dass von den mehr als 90.000 Steuerberatern in Deutschland einige besonders gut zu tun haben. Weil man bei Selbstanzeigen ziemlich viel falsch machen kann, ist das eine Angelegenheit für Spezialisten. Eine Anzeige ist heute viel komplizierter als noch vor einigen Jahren. Durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz von 2011 sind keine teilweisen Anzeigen mehr möglich. Sämtliche außerhalb der Legalität deponierten Gelder müssen benannt werden.

"Was man auf keinen Fall tun sollte, ist, einen Eigenversuch zu starten", sagt zum Beispiel der Münchner Steueranwalt Roland Hoven. "Sich Unterlagen in der Schweiz abzuholen und selber eine Steuererklärung abgeben, das wird mit Sicherheit schiefgehen", so der Anwalt.

Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD), der gleich mehrere CDs mit Steuerdaten gekauft hat, rechnet vor, dass der Staat aus deren Auswertung und durch Selbstanzeigen bislang etwa drei Milliarden Euro eingenommen hat. Wie viel Geld der Staat durch Selbstanzeigen künftig noch einnehmen wird, weiß niemand genau. Als sicher gilt, dass der Betrag in die Milliarden gehen wird.

Die Experten erwarten in den kommenden Monaten viele weitere Selbstanzeigen. In den Finanzämtern hat man die Erfahrung gemacht, dass sich mit jeder neuen Meldung im Fall Hoeneß wieder neue Sünder offenbaren. Außerdem sind viele verunsichert, weil die Selbstanzeige von der Politik infrage gestellt wird. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will sie weiter erlauben, Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) auf Bagatellfälle begrenzen, SPD-Chef Sigmar Gabriel ganz abschaffen.

© Süddeutsche.de/dpa/Christoph Sator/olkl - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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