Betrug:Wie Max Kruse beim Poker abgezockt wurde

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Max Kruse war zuletzt bei SC Paderborn aktiv. (Foto: David Inderlied/dpa)

Eine kriminelle Bande um einen Ex-Fußballprofi steht derzeit in Dresden vor Gericht. Sie soll beim Poker eine halbe Million Euro erbeutet haben - indem sie auf spektakuläre Weise Spielkarten gezinkt hat.

Von Benjamin Emonts

Im britischen Spielfilm "Kaleidoscope" (1966) hat Hauptdarsteller Warren Beatty alias Barney Lincoln eine durchaus smarte Idee: Er bricht nachts in eine Genfer Spielkartenfabrik ein und manipuliert auf den Druckplatten heimlich die Muster auf den Rückseiten der Karten. Die gezinkten Modelle gehen so serienmäßig in Druck und landen schon bald an den Spieltischen aller großen europäischen Casinos. Dort sitzt Beatty dann hoch konzentriert und zieht die anderen so richtig über den Tisch. Er kann die vielen Jetons, die er gewinnt, am Ende kaum noch tragen.

Klar, alles ein Film, aber fest steht auch: Kartenspiele können manche Leute auf ziemlich perfide Ideen bringen, sobald sie das große Geld wittern. Eine ähnlich filmreife Episode - nur eben im echten Leben - wird zum Beispiel gerade am Landgericht Dresden verhandelt. Fünf Männern zwischen 37 und 46 Jahren wird dort gewerbsmäßiger Bandenbetrug in bis zu 29 Fällen vorgeworfen, weil sie im großen Stil und auf spektakuläre Weise Spielkarten gezinkt haben sollen. Der Gesamtschaden beläuft sich laut Anklage auf mehr als eine halbe Million Euro. Zu den Opfern zählen nicht nur gestandene Pokerprofis, sondern offenbar auch der Fußballprofi und ehemalige Nationalspieler Max Kruse. Dessen Faible für Poker ist bekannt. Erst neulich nahm Kruse, der inzwischen in der zweiten Bundesliga für Paderborn kickt, wie fast jedes Jahr an den Poker-Weltmeisterschaften in Las Vegas teil - allerdings ohne echten Erfolg.

Die Kriminellen installierten Kameras am Tisch

Gegen die Angeklagten in Dresden dürfte Kruse von vornherein chancenlos gewesen sein. Die fünf Männer hatten Medienberichten zufolge die schmalen Seiten der Karten jeweils mit einer Art winzigem Barcode versehen, der nur mit Infrarotlicht zu sehen war. Eine im Pokertisch verbaute Kamera scannte die Codes nach dem Mischen und errechnete mit einer Software, welcher Spieler die Siegerhand hielt. Diese Information wurde anschließend dem Kartenverteiler oder auch "Dealer", wie es im Pokerjargon heißt, mittels akustischem Bluetooth-Signal auf einen nicht sichtbaren Knopf im Ohr übermittelt. Mit vorher vereinbarten Fingerzeichen gab er die Informationen dann an die eingeweihten Komplizen am Tisch weiter, sodass diese die Einsätze zu ihren Gunsten steuern konnten. Die Gewinne teilten die Männer später untereinander auf.

Diese Runden mit den gezinkten Karten und sehr hohen Einsätzen fanden zwischen 2014 und 2017 in Dresden, Hamburg, Leipzig und Rostock statt; es folgten umfangreiche Ermittlungen. Im Dresdner Stadtteil Mickten soll in einem Geschäftsgebäude extra ein nobler Pokerraum eingerichtet worden sein, vor dem immer wieder dicke Autos aus Berlin und anderen Städten gesichtet wurden. Einer der Hauptinitiatoren der Pokerrunden soll ein ehemaliger Fußballprofi namens Ronny Garbuschewski gewesen sein, Spitzname "Sachsen-Beckham". Er spielte unter anderem für Fortuna Düsseldorf, den Chemnitzer FC und Energie Cottbus. Seine Kontakte soll er genutzt haben, um jahrelang Mitspieler und auch andere "liquide Personen" in die Pokerrunden zu locken. Es heißt, der Fußballer sei in kriminelle Kreise geraten, habe hohe Spielschulden gemacht und diese ausgleichen müssen.

Max Kruse gehörte zu den ersten Opfern

In einer der ersten Betrugsrunden in Hamburg im Jahr 2014 soll der Fußballprofi Max Kruse 5000 Euro verloren haben. Am selben Tisch, das macht die Sache noch kurioser, saß wohl auch der deutsche Unternehmer und Pokerprofi Jan-Peter Jachtmann - er verlor 20 000 Euro. Jachtmann zählt in Deutschland zu den besten und erfahrensten Spielern. Er hat erst vor wenigen Wochen beim Hauptevent der Poker-WM in Las Vegas den vierten Platz unter mehr als 10 000 Teilnehmenden gemacht und auf einen Schlag drei Millionen Dollar gewonnen. Laut dem in Dresden mitangeklagten Kartendealer soll die Runde mit Jachtmann eine Art Testlauf für die Betrugsmasche gewesen sein. "Wenn es ihm nicht auffällt, dann ist es relativ sicher", soll er dem Richter erklärt haben. Wie man der Bande letztlich auf die Schliche kam, geht aus den Berichten bisher nicht hervor. Die Angeklagten sollen die Taten jedoch bereits gestanden und einen Deal geschlossen haben. Ihnen wurden offenbar Bewährungsstrafen zwischen einem Jahr und zwei Jahren in Aussicht gestellt. Das Verfahren wird am Freitag fortgesetzt.

Das Zinken von Karten hat bei Kriminellen und Falschspielern eine lange Tradition. Der Ausdruck "Zinken" kommt von fahrenden Handwerkern, die durch bestimmte Zeichen oder Zinken Häuser markierten, um den Nachfolgern Informationen über die Bewohner zu hinterlassen. Bei Spielkarten sind die Klassiker: Mit den Fingernägeln oder einem Bleistift werden Kratzer auf den Rückseiten der Karten hinterlassen oder minimal die Muster verändert durch Ausmalen, Verdunkeln oder Erhellen. Immer wieder werden Karten auch mit bestimmten Stoffen behandelt, die nur mit gewissen Brillen oder Kontaktlinsen erkannt werden können. Früher nahm man zum Beispiel oft grünliche Tinte, die nur mit rötlichen Brillengläsern zu erkennen war. Um gezinkte Karten zu entlarven, kann es hilfreich sein, den Kartenstapel wie beim Daumenkino durch die Hände rauschen zu lassen und auf Unregelmäßigkeiten zu achten.

Im Spielfilm "Kaleidoscope" wurde der Falschspieler und Playboy Warren Beatty übrigens recht schnell enttarnt, und er musste fortan mit der Polizei auf Verbrecherjagd gehen, um einer Strafe zu entgehen. Seine Geliebte hatte ihn verpfiffen.

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