Die Wortwahl ist wichtig. Olaf Scholz sagt dieses Mal nicht "Doppelwumms". Er weiß, vor wem er redet, wer beim Maschinenbau-Gipfel in Berlin am Dienstag vor ihm im Saal sitzt: Familienunternehmer, Manager, Mittelständler. Die mögen manche Worte nicht. Unternehmer wie Bertram Kawlath beispielsweise stört nicht nur der "infantile Name Doppelwumms". Es sei respektlos, so über das Vermögen der Bürger zu reden. Kawlath ist einer der rund 700 Teilnehmer des Gipfels. Scholz spricht daher vom "Abwehrschirm", wenn er von den 200 Milliarden Euro im Entlastungspaket spricht.
Fast eine halbe Stunde redet der Bundeskanzler. Er vermeidet auch die Wörter "Übergewinne" oder "Zufallsgewinne". Dass ein Unternehmer zufällig Gewinne macht oder übermäßig, das kommt in diesem Kreis auch nicht so gut an. Scholz sagt also "Sondergewinne", wenn er darüber spricht, wie Gewinne jener Stromanbieter "abgeschöpft" werden sollen, die jetzt günstig Strom erzeugen, etwa die Anbieter erneuerbarer Energien, und ihn teuer verkaufen können, weil der teuerste Erzeuger, das sind gerade die Gaskraftwerke, den Preis für den Strom bestimmt.
Scholz verspricht den Unternehmern Erleichterungen. "Alle müssen sich sicher sein, dass sie ihre Produktionstätigkeit fortsetzen können zu Preisen, die nicht auf das Niveau vor dem Krieg Russlands gegen die Ukraine sinken, aber so sehr gesenkt sind, dass Produktion und Beschäftigung möglich sind und dass die Bürger und Bürgerinnen ihre Rechnung bezahlen können", sagt Scholz. Dafür bekommt er Beifall, nicht lang und laut, aber Beifall. Scholz verspricht einen "gigantischen Ausbau" der erneuerbaren Energien. Dem deutschen Maschinenbau komme eine zentrale Rolle beim Klimaschutz zu, sagt Scholz. "Wir sind doch diejenigen, die die Technologien und die Fähigkeiten entwickeln können, um bezahlbare Produkte zu erzeugen, die CO₂-neutrale Industrie möglich und wirtschaftlichen Wohlstand möglich machen."
Solche Sätze gefallen den Zuhörern im Saal, auch das deutliche Bekenntnis von Scholz zur Globalisierung. Sie war ein Erfolg, "sie hat Wohlstand für viele ermöglicht". Scholz hält auch nichts vom Decoupling. "Wir müssen uns nicht von einzelnen Ländern abkoppeln. Wir müssen auch weiter Geschäft mit China machen", so der Kanzler. Die Beziehungen müssten aber diversifiziert werden, etwa nach Afrika oder Südamerika und andere Teile Asiens. Scholz stellt auch die Art, wie die EU Freihandelsabkommen schließe, in Frage, ob wirklich alle 27 Länderparlamente, manchmal auch Regionalregierungen zustimmen müssten, damit es zustande komme. "Wir müssen über die Frage nachdenken, ob EU-only als Konzept für solche Freihandelsverträge nicht besser ist", so Scholz.
Der Maschinenbau ist eine der wichtigsten Branchen in Deutschland
Solche Äußerungen sind auch für Karl Haeusgen, den Präsidenten des Maschinenbau-Verbandes VDMA neu. Vielem, was der Kanzler sagt, stimmt er zu. Der Maschinenbau mit seinen gut eine Million Beschäftigten ist eine der wichtigsten Branchen in Deutschland. Noch sind die Geschäfte "solide", sagt Haeusgen am Nachmittag in einer Pressekonferenz. Für 2022 bleibt der VDMA bei seinem prognostizierten Produktionsplus von real einem Prozent. Für nächstes Jahr rechnet er mit einem Minus von zwei Prozent. Aber selbst wenn das so komme, sei das kein Krisenjahr. Der Maschinenbau hat Schlimmeres erlebt. Im Pandemiejahr 2020 brach die Produktion im Vergleich zum Vorjahr um fast zwölf Prozent ein. Aber Haeusgen wird nicht euphorisch. "Wir spüren Skepsis. Es gibt Rückschlagpotenzial." Die höheren Energiepreise träfen den Maschinenbau direkt und indirekt, weil sie Zulieferer gefährdeten, etwa Gießereien. Wenn eine Gießerei mit ein paar Hundert Mitarbeitern keine Gussteile mehr liefern könne, stünden auch mal Unternehmen mit mehreren Tausend Beschäftigten still.
Die Welt von Unternehmern wie Bertram Kawlath ist gerade voller Widersprüche. "Die Auftragsbücher sind voll, und es kommen immer noch neue Aufträge herein", erzählte der Unternehmer aus Ingolstadt vor ein paar Tagen am Telefon. Ihm und seinen Geschwistern gehört die Firma Schubert & Salzer: rund 70 Millionen Euro Umsatz, 450 Mitarbeiter, drei Produktionsstandorte. Mittelstand, zumindest gefühlt, denn einige der üblichen Kriterien hat das Unternehmen schon überschritten. Aber Unternehmer wie Kawlath fühlen sich wie Mittelstand, also jene Klasse von Firmen zwischen Kleinstfirmen und Großkonzernen, von denen Politiker sagen, dass sie das Rückgrat der deutschen Wirtschaft sind.
Der Kanzler sagt, er sei voller Bewunderung für den deutschen Maschinenbau
Er sei "voller Bewunderung" für den deutschen Maschinenbau, seine Tradition, seine Fähigkeiten, die Struktur, den Mittelstand, sagt Kanzler Scholz: "Sie sind diejenigen, die all das tun, was wir brauchen, damit wir auch in Zukunft gut Wertschöpfung haben können. Sie sind ein wichtiger Beitrag für die Zukunft unseres Landes."
Kawlaths Firma stellt Ventile und Gussteile aus Fein- und Edelstahl her. Die Ventile stecken in Zapfanlagen für Bier, in Brennöfen, Windkanälen und Wasserstofftanks. Das Portfolio umfasse "zig Millionen" verschiedene Ventile. "Wir liefern auch Losgröße ein, zwei oder vier. Keine Massenware. Das ist die Chance des kleinen Unternehmens", sagt Kawlath: "Wenn einer 20 000 Ventile braucht, sind wir nicht die Richtigen."
Kawlath ist Historiker, vielleicht denkt er deswegen weit über die Grenzen der eigenen Firma hinaus. Mittelstand sei so eine Art Steckenpferd für ihn, sagt er. Er ist einer von drei Vizepräsidenten des VDMA. Er gehört dem Mittelstandsbeirat des Wirtschaftsministeriums an. Die Minister kamen und gingen - Sigmar Gabriel (SPD), Peter Altmaier (CDU) - und nun ist Robert Habeck (Grüne) dran. Manche interessierten sich mehr für den Mittelstand, andere weniger. Er habe Habeck schon einige Male erlebt, erzählt Kawlath. "Er war sehr angenehm, kompakt, prägnant. Es wurde wenig gelabert." Auch Habeck kommt zum Gipfel - an diesem Mittwoch.
"Aber die Lage ist trotzdem angespannt, weil sich gerade ganz viele Krisen überlappen."
Kawlath kennt sein eigenes Geschäft, sowieso, aber er weiß auch, wie es anderen Firmen im Maschinenbau geht. "Die Auftragsbücher sind voll, bei fast allen", sagt Kawlath: "Aber die Lage ist trotzdem angespannt, weil sich gerade ganz viele Krisen überlappen." Er zählt sie auf: Es fehlen Fachkräfte. Laut VDMA konnten in diesem Jahr allein rund 8000 Ausbildungsplätze nicht besetzt werden. Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Es rumpele in den Lieferketten. Es sei schwer, ein einheitliches Lagebild für den Maschinenbau zu zeichnen, sagt Kawlath: "Es trifft nicht alle gleich." Für Firmen wie Schubert & Salzer seien diese Risiken eher ein Wetterleuchten am Horizont.
"Es gibt aber auch einige Firmen, da regnet es schon", sagt Kawlath, zum Beispiel bei Gießereien. Im Schnitt liege der Energiekostenanteil im Maschinenbau bei unter einem Prozent, aber bei Gießereien sei er zweistellig. Kawlath war vorsichtig. "Ich habe Ende 2021 Verträge für Gas und Strom bis 2026 geschlossen. Da stiegen die Energiepreise schon und mir fehlte die Fantasie, dass sie so schnell wieder sinken könnten." Damit allerdings sei Schubert & Salzer in einer Minderheit. Mehr als die Hälfte der Hersteller von Maschinen und Anlagen habe noch keinen Anschlussvertrag, die müssten jetzt am Spotmarkt kaufen. Kann sein, dass es das ein oder andere Unternehmen nicht schafft, pleitegeht. "Aber wir sollten uns nicht in Panik reden. Krisen entwickeln manchmal eine Eigendynamik." Über eine Insolvenzwelle im Maschinenbau zu spekulieren, sei fernab jeglicher Realität.