LulzSec und Anonymous:Hacker machen gegen Mächtige mobil

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Die Hacker-Gruppen LulzSec und Anonymous verbünden sich, um ihre bislang größten Ziele ins Visier zu nehmen: Regierungen und Konzerne sollen die Macht der anonymen Netz-Tüftler zu spüren bekommen. Doch die Polizei ist den Aktivisten offenbar auf den Fersen - nun gab es eine erste Verhaftung.

Helmut Martin-Jung und Thorsten Riedl

Die Erklärung liest sich, als habe jemand zu viel Pirates of the Caribbean mit Johnny Depp gesehen. "Wir ermutigen jedes Kampfschiff, groß oder klein, das Feuer zu eröffnen", heißt es da, "auf jede Regierung und jede Behörde, die unsere Bahn kreuzt". Regierungen würden nicht aufhören, "unseren Internet-Ozean" zu kontrollieren - deshalb werde der "sofortige Krieg erklärt".

So funktioniert ein Hackerangriff: Klicken Sie auf die Lupe, um die Grafik zu vergrößern. (Foto: Grafik: Süddeutsche Zeitung)

Mit diesem Flotten-Bericht eröffnete ein loser Verbund von Computer-Hackern namens Lulz Security eine neue Runde im Cyberwar um sensible Daten von Staaten, Organisationen und Firmen. Nebenbei wurde der digitalen Öffentlichkeit eröffnet, dass sich die "Lulz Lizards" mit Anonymous, einer anderen Hacker-Gruppierung, und deren "Schlachtschiffen" verbündet hätten.

Zum Auftakt der gemeinsamen "Operation Anti-Security" wurde am Montag eine Polizei-Website in Großbritannien lahmgelegt - woraufhin das FBI und Scotland Yard in der Nacht zum Dienstag im südostenglischen Wickford einen 19-jährigen Briten verhafteten. Er soll ein Anführer von Lulz Security sein.

Die Verhaftung stehe in Verbindung mit Ermittlungen zu mehreren Angriffen auf Firmen und Geheimdienste, die vermutlich alle von derselben Gruppe ausgeführt wurden, sagt ein Polizeisprecher. Es sei viel Material sichergestellt worden. "Es gibt uns noch", erklärt Lulz Security, "welchen armen Kerl haben die da wohl erwischt?"

Das Netz ist 2011 zum Schauplatz eines bizarren Krieges geworden, bei dem es um Politik, Technikspielereien, ein wenig Spaß, aber auch pure Raffgier geht. Es gibt immer mehr Daten-Delinquenten aus weltanschaulichen Motiven - aber es hat sich auch eine Cybermafia etabliert, die groß abkassieren will.

Die Angriffe der vergangenen Wochen im Überblick:

- Mitte April schlugen Hacker groß in den Netzwerken von Sony für Konsolen- und Computerspiele zu. Ergebnis: Zugang zu mehr als 100 Millionen Kundendatensätzen. Ein paar Wochen später posaunte die Hacker-Gruppe Lulz Security, sie habe Sony Pictures Entertainment geknackt und Namen, E-Mails sowie Passwörter von 50.000 Filmfans kopiert.

- Im Mai versuchten Hacker, ins Computersystem des Rüstungskonzerns Lockheed Martin einzudringen. Sie nutzten Informationen, die sie zuvor über einen Diebstahl bei RSA Security erbeutet hatten. Diese Firma liefert Sicherheitsschlüssel zum Schutz vor unbefugten Computer-Zugriffen.

- Anfang Juni wurden Hunderte E-Mail-Konten der Internet-Firma Google angegriffen, angeblich von China aus. Die Attacke sei abgewehrt worden. Auch der Spielehersteller Nintendo berichtetet von solchen Problemen.

- In der vorigen Woche stahlen Unbekannte die persönlichen Daten von 1,3 Millionen Kunden des japanischen Videospiel-Anbieters Sega.

- Ebenfalls in der vorigen Woche machte die Website des US-Geheimdiensts CIA schlapp. Stundenlang war www.cia.gov am vergangenen Mittwoch nur sporadisch zu erreichen gewesen.

- Unter dem Druck von Politik und Justiz bekannte die amerikanische Citibank, es seien bei einem Datendiebstahl im Mai Informationen von mehr als 360.000 Kreditkarten-Konten erbeutet worden: Namen, Kontonummern, Kontaktdaten, E-Mail-Adressen.

- Und schließlich brachten die Hacker von Anonymous jüngst die Website der Verwertungsgesellschaft Gema zum Stillstand. Sie ist bei den Aktivisten unbeliebt, weil sie Geld für das Abspielen von Musikvideos auf YouTube fordert.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Motive die Gruppen verfolgen.

Hacker gibt es seit den Urzeiten des Internet. Für viele Computerfreaks sind sie die Guten. So verhindert im Film "Wargames - Kriegsspiele" ein Hacker einen Atomkrieg. Inzwischen aber haben die Cyberkrieger ihre Unschuld verloren. 2010 registrierte die Polizei einen Anstieg der Computerkriminalität um mehr als zehn Prozent auf 85.000 Fälle.

Logos von LulzSec (links) und Anonymous: Kriegserklärung an Institutionen und Unternehmen. (Foto: Screenshot YouTube)

Jetzt macht eine neue Hacker-Generation mobil, wie der jüngste Zusammenschluss zeigt: Anonymous tritt für Redefreiheit im Internet auf und ist auch verantwortlich für Angriffe auf jene Finanzfirmen, die Ende 2010 die Konten der Enthüllungsplattform Wikileaks gesperrt hatten.

Lulz Security wiederum will auf Sicherheitslücken aufmerksam machen. "Beide Gruppen haben bewiesen, dass sie in der Lage sind, selbst in Hochsicherheitsnetze einzudringen", erklärt Olli Pekka Niemi, Experte der finnischen Sicherheitsfirma Stonesoft. "Durch den Zusammenschluss verschärft sich die Gefahrenlage. Es wird noch größere Angriffe geben."

Die freien Hacker verbindet die Ansicht, dass Politik und Großkonzerne die Informationstechnologie entweder nicht verstehen oder missbrauchen wollen. Dass der Konzern Sony den 22 Jahre alten Hacker George Hotz (alias geohot) mit voller juristischer Härte anging, fällt in dieses Raster. Und die Hackergemeinde hatte ein Feindbild.

Microsoft dagegen verfolgt längst nicht mehr jeden Hacker. Als zwei polnische Experten eine Sicherheitslücke veröffentlicht hatten, meldete sich eine Frau aus der Personalabteilung. Ihr Job sei es, "Hacker an ihren Wasserlöchern aufzusuchen", wie sie selbst sagt. Hacker werden inzwischen bei Microsoft engagiert, um die Sicherheit der eigenen Produkte zu testen.

Hier zumindest wurde Frieden mit den Hackern geschlossen.

© SZ vom 22.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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