Luftverkehr:Lufthansa-Piloten streiken ohne Limit

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Annullierte Flüge der Lufthansa werden auf einer Anzeigetafel angezeigt. (Foto: Arne Dedert)

Frankfurt/Main (dpa) - Lufthansa-Streik und kein Ende: Piloten und Unternehmen kommen nach der erneuten Ausweitung des Arbeitskampfes auf nun vier Tage immer noch nicht zusammen.

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Frankfurt/Main (dpa) - Lufthansa-Streik und kein Ende: Piloten und Unternehmen kommen nach der erneuten Ausweitung des Arbeitskampfes auf nun vier Tage immer noch nicht zusammen.

Viele Beobachter aus Politik und Fachwelt wünschen sich den Einsatz eines Schlichters, der bislang von der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit aber konsequent abgelehnt wird. Daran hat auch ein umfassendes Angebot der Lufthansa zu mehreren Tarifthemen nichts geändert. Auch wenn die VC ihren Streik nicht auf den Sonntag verlängert: Wahrscheinlicher als eine Schlichtung ist ein erneuter Streik in der Adventszeit.

Wie häufig wollen die Piloten noch streiken?

Das sagt die Gewerkschaft VC nicht. Laut Sprecher Jörg Handwerg ist aber am Sonntag erst einmal Schluss mit der aktuellen 14. Welle, aber nur aus Rücksicht auf die Passagiere. Mit dem Angebot der Lufthansa habe das nichts zu tun. Dies sei „alter Wein in neuen Schläuchen“ und sei in allen Einzelheiten bereits vor zwei Monaten öffentlich präsentiert worden. Damals hatte die VC die Sondierungen für eine Gesamtlösung abgebrochen. Grundsätzlich erwarte man nun ein verbessertes Lohnangebot der Lufthansa, weitere Streiks seien keineswegs ausgeschlossen. Für den kommenden Mittwoch hat die VC eine Piloten-Demonstration am Frankfurter Flughafen angemeldet.

Warum kommen Piloten und Lufthansa nicht zusammen?

Seit Beginn des Konflikts geht es im Hintergrund um die künftige strategische Ausrichtung des Lufthansa-Konzerns, sind sich die meisten Luftverkehrsexperten einig. Anfangs hatte die VC noch klar kommuniziert, dass sie den schnellen Ausbau der Billigtochter Eurowings mit schlechter bezahlten Piloten verhindern will. Doch genau darin sieht Lufthansa-Chef Carsten Spohr den einzigen Weg, sich gegen Billigflieger wie Ryanair und Easyjet zur Wehr zu setzen. Der Lufthansa-Konzern will in seinem Stammgebiet (Deutschland-Schweiz-Österreich-Belgien) auch bei den Europaflügen Marktführer bleiben. Das sei zu Lufthansa-Kosten nicht möglich, so dass die VC-Forderung unmittelbar die Zukunft des Konzerns gefährde. Das Lufthansa-Angebot sagt zu dem Thema nichts.

Warum wird jetzt nur über die Gehälter gesprochen?

Das hängt mit dem Urteil des Landesarbeitsgericht Hessen aus dem September 2015 zusammen, das der VC bei der Streikrunde 13 vorgehalten hatte, in der Eurowings-Frage rechtswidrig für nicht tariffähige Themen zu streiken. Die VC hat daraus die Konsequenz gezogen, offiziell nur noch Forderungen für eng gefasste Tarifthemen zu formulieren. Neben dem Gehalt sind auch noch Tarifverträge zu den Betriebsrenten und zur Übergangsversorgung offen. Auch für diese Themen könnte gestreikt werden. Tatsächlich ist es der VC gelungen, ihren Arbeitskampf juristisch unangreifbar zu machen: Lufthansa ist mit entsprechenden Klagen gescheitert.

Was kostet der Streik und wie lange kann die Lufthansa das aushalten?

Bei einem Streik auf allen Strecken macht die Lufthansa einen Verlust von rund 10 Millionen Euro pro Tag. Dabei kommt ihr nach den Worten von Vorstand Harry Hohmeister gelegen, dass in der Nebensaison nicht so viele Kunden unterwegs sind. Aber es gibt auch eine spürbare Zurückhaltung bei den mittelfristigen Buchungen, was die Börse zunehmend beunruhigt. Seit der ersten Streikankündigung vom Montag haben die Papiere des DAX-Konzerns gut 2,5 Prozent verloren. Da es aus seiner Sicht aber um die Zukunftsfähigkeit des Konzerns geht, ist auch Spohr ein sehr langer Atem zuzutrauen. Lufthansa hat zudem im vergangenen Geschäftsjahr einen Rekordgewinn abgeliefert und steht auch 2016 nicht schlechter da.

Wie könnte eine Lösung aussehen?

Lösungen können nur am Verhandlungstisch gefunden werden, möglicherweise unter Anleitung eines Schlichters. Er könnte sich dem aktuell bestreikten Gehaltsthema zuwenden oder im Rahmen einer Gesamtschlichtung alle offenen Tarifthemen behandeln. Beide Möglichkeiten hat die Lufthansa in dieser Woche vorgeschlagen, ohne dass die VC eingewilligt hätte. Monatelange Sondierungen nach der 13. Streikrunde hatten die Eurowings-Frage wohl eingeschlossen, führten aber auch nicht zum Ergebnis. Vor allem herrschte ein großes gegenseitiges Misstrauen, weil Zwischenergebnisse immer wieder angezweifelt oder vom Tisch genommen wurden. Das spricht nach Einschätzung des IW-Tarifexperten Hagen Lesch sehr für den Einsatz eines neutralen Vermittlers. Nachteil einer langwierigen Schlichtung aus Sicht der VC: Lufthansa schafft derzeit in hohem Tempo Fakten bei der Eurowings, die mit gemieteten Air-Berlin-Jets und Maschinen der Tochter Brussels nahezu verdoppelt werden soll.

Könnte es eine Zwangsschlichtung geben?

Die vom CDU-Wirtschaftsflügel geforderte Zwangsschlichtung gibt es nach deutschem Recht nicht, weil sie in die Belange der verfassungsrechtlich geschützten Tarifpartner eingreifen würde. In der Weimarer Republik hatte man nach großen Streikwellen 1923 eine staatlich kontrollierte Zwangsschlichtung eingeführt, die dem Arbeitsminister das letzte Wort zubilligte. Nun sei ein Gesetzentwurf der Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) gefordert, meint Unionsfraktionsvize Michael Fuchs. Doch die sieht offenbar keinen Handlungsbedarf und würde dafür auch keinen Rückhalt bei den Gewerkschaften finden. „Die Tarifautonomie gilt, und deswegen ist es jetzt den Tarifpartnern überlassen, da eine Lösung zu finden“, sagte ein Sprecher von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) noch am Freitag in Berlin.

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