Luftverkehr:US-Piloten kassieren ab

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American Airlines hatte zuletzt über neue Tarifverträge verhandelt. (Foto: Jacquelyn Martin/dpa)

Der Markt für Flugreisen boomt. Piloten können deswegen hohe Forderungen durchsetzen - und die amerikanischen Fluggesellschaften lassen sich drauf ein.

Von Jens Flottau, Frankfurt

American Airlines-Chef Robert Isom machte irgendwie noch gute Miene zum bösen Spiel. "Heute ist ein großartiger Tag für unsere Piloten und die Airline", sagte er. Die Mehrheit der Gewerkschaft Allied Pilot Association (APA) hatte gerade einem neuen Tarifvertrag zugestimmt. Immerhin kann American nun endlich einen Haken dran machen an die langwierigen Verhandlungen, die Unwägbarkeiten von Tarifverhandlungen und sich in diesen Zeiten hoher Nachfrage auf das Wesentliche konzentrieren: das Fliegen.

Ob der Tag für American aber wirklich so großartig war, wie Isom in seiner Stellungnahme behauptet hat, das wird sich in den nächsten Jahren noch herausstellen müssen. Die Erfahrung aus den vergangenen Jahrzehnten sagt allerdings - wohl eher nicht. Denn die Piloten haben in dem neuen Tarifvertrag enorme Steigerungen verhandelt. Sie erhalten über die nächsten vier Jahre 46 Prozent mehr Geld und gleich zu Beginn der Laufzeit 21 Prozent mehr. Außerdem haben sie bessere Freizeit- und Dienstplanregeln erreicht und ihre Schulungszeiten werden besser honoriert. Alles in allem summieren sich die zusätzlichen Kosten für American nach externen Schätzungen auf rund neun Milliarden US-Dollar.

Die amerikanischen Piloten sind klar in Goldgräberstimmung. Nach der Corona-Pandemie läuft bei ihren Arbeitgebern das Geschäft wieder bestens, die Nachfrage nach Flugreisen ist vor allem auf den Inlandsstrecken viel schneller zurückgekehrt als erwartet, Piloten werden also überall gesucht.

Viele der großen amerikanischen Airlines hatten während der Pandemie Programme aufgelegt, in denen sie älteren Piloten großzügige Abfindungen für die Frührente angeboten haben. Viele der erfahrenen Kapitäne nahmen die Pakete dankend an. Für diejenigen, die geblieben sind, war das Risiko überschaubar: Die amerikanische Regierung unterstützte die Airlines mit Zuschüssen und Krediten, machte aber zur Bedingung, dass die Mitarbeiter weitgehend gehalten werden mussten.

Vor American hatten sich schon Delta und United auf neue Verträge geeinigt

Die amerikanische Flugbranche wird von vier Airlines dominiert, neben American sind das Delta Air Lines, Lufthansa-Partner United und Southwest. Alle anderen wie Jetblue oder die Billiganbieter Frontier und Spirit spielen untergeordnete Rollen. Vor American hatten sich schon Delta und United mit den eigenen Piloten auf neue Verträge geeinigt, die ähnliche Steigerungen beinhalten. Bei United etwa verdienen die Cockpit-Besatzungen nun bis zu 40 Prozent mehr, was Mehrkosten von zehn Milliarden Dollar bedeutet.

Die Piloten wollen auch deswegen derzeit holen, was sie holen können. Gerade die Älteren von ihnen hatten in den vielen Insolvenzen der 2000er Jahre ihre Altersversorgung teils oder ganz verloren. Die Airlines mussten sich nun auch auf sogenannte "Snap-up Clauses" einlassen. Das heißt, wenn die Gewerkschaft bei einer der drei großen Fluglinien mehr herausschlägt, müssen die anderen beiden automatisch folgen. Damit haben es die beiden Gewerkschaften APA und Air Line Pilots Association geschafft, für die allermeisten der amerikanischen Piloten ein weitgehend einheitliches Gehaltsniveau zu definieren.

Unter Druck ist jetzt Southwest Airlines, die größte Billigfluglinie der Welt, denn die Verhandlungen mit den eigenen Piloten laufen noch. Die Crews haben längst klar gemacht, welche Abschlüsse sie zum Maßstab nehmen - diejenigen von United, American und Delta. Alle vier können die hohen Steigerungen bei den Personalkosten derzeit verkraften, das Geschäft läuft bestens und die Ticketpreise sind weiter hoch wie nie. Doch die nächste Krise kommt garantiert und dann könnten sich die teuren Abschlüsse noch als Bumerang erweisen. Besonders problematisch aber sind die Abschlüsse für kleinere Regionalairlines, die verhindern wollen, dass ihre Piloten zu den großen Fluglinien abwandern. Manche von ihnen mussten die Gehälter verdoppeln, auch wenn sich das bei den kleinen Maschinen und auf Nebenstrecken nicht rechnen kann.

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