Eine millionenschwere Abrechnungspanne beim Eintreiben der Maut kommt Deutschlands Steuerzahler teuer zu stehen. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung fließen privaten Autobahnbetreibern seit fast zwei Jahren zu hohe Einnahmen aus der Lkw-Maut zu. Dem Bundeshaushalt sind den Angaben aus Regierungskreisen zufolge bereits Mittel in zweistelliger Millionenhöhe entgangen, weil das Abrechnungssystem nicht zwischen kleinen 7,5-Tonnen- und großen Zwölf-Tonnen-Lkw unterscheiden kann.
Das Bundesverkehrsministerium von Alexander Dobrindt (CSU) bestätigte Probleme. Vergütungen würden nur unter Vorbehalt gezahlt, teilte ein Sprecher Dobrindts mit. Betroffen sind die meisten der großen, bislang für den Verkehr freigegebenen öffentlich-privaten Autobahnprojekte. Mehrere Betreiber lehnen Rückforderungen aus Berlin jedoch ab. Der Bund trage die Verantwortung für die korrekte Abrechnung, heißt es.
Auch der von der Pleite bedrohte Betreiber A1 Mobil hat Millionen erhalten
Der Finanzstreit offenbart eklatante Mängel bei der Umsetzung der bereits Anfang 2005 für schwere Zwölf-Tonner eingeführten und im Oktober 2015 auf 7,5-Tonner ausgedehnten bundesweiten Lkw-Maut. Private Autobahnbetreiber werden für den Ausbau von Streckenabschnitten über diese Maut entlohnt. Eigentlich stehen den meisten jedoch nur die Gebühren für große Lkw zu. Offenkundig versäumte es der Bund jedoch, mit der Ausweitung der Maut auf Hunderttausende kleinere Fahrzeuge diese neue Kategorie auch technisch ausweisen zu lassen. Detaillierte Fragen ließ das Ministerium zu den Problemen unbeantwortet. Die Verwaltung stehe mit den Vertragspartnern "im Gespräch", teilte das Ministerium lediglich mit.
Exklusiv Verkehrspolitik:Autobahn-Privatisierung erleidet herben Rückschlag
Ein Abschnitt der A1 ist mit privaten Finanzspritzen ausgebaut worden, doch nun steht der Betreiber vor der Pleite. Ein Debakel für Verkehrsminister Alexander Dobrindt.
Der skurrile Streit dürfte die Debatte um öffentlich-private Partnerschaften beim Autobahnausbau nochmals verschärfen. Zumal auch der von der Pleite bedrohte Betreiber A1 Mobil bislang einen Millionenbetrag erhalten hat, den der Bund für sich beansprucht. Bei einer Insolvenz wäre das Geld für Steuerzahler wohl verloren.
Zu den Merkwürdigkeiten des Falls gehört auch, dass der französische Autobahnbetreiber Vinci nicht nur Miteigentümer des Maut-Abrechnungsunternehmens Toll-Collect ist. Vinci ist bei privat betriebenen Autobahnprojekten auch Konzessionsnehmer und damit Empfänger von Maut-Einnahmen. "Für die Ausweitung der Lkw-Maut ... wurde das Mautsystem anforderungsgerecht angepasst", teilte Toll-Collect mit. Man differenziere etwa nach Achsen, nicht aber nach Gesamtgewicht, sagte eine Sprecherin weiter.
Vor der geplanten Einführung der umstrittenen Pkw-Maut tun sich für die Opposition Abgründe auf. Man erlebe ein "Lehrstück für verfehlte Industriepolitik", sagt Grünen-Bundestagsfraktionschef Anton Hofreiter. "Der Bund ist nicht in der Lage, auf Augenhöhe mit den Großkonzernen der Mautbetreiber zu agieren. Die Bundesregierung ist damit schlichtweg überfordert." Den Schaden trage der Steuerzahler. Die Intransparenz, mit der die Verträge geheim gehalten und der Schaden verheimlicht würden, bezeichnet Hofreiter als "unerträglich". Beim Thema Maut müsse endlich alles auf den Tisch.