Liechtenstein:Treue Hände, schmutzige Hände

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Nach den Banken sind jetzt auch Stiftungsverwalter wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung dran. Den deutschen Ermittlern geht es hier aber weniger um hohe Geldbußen als vielmehr um Gerechtigkeit.

Von Hans Leyendecker und Klaus Ott, München

Über liechtensteinische Treuhänder, die verborgene Stiftungen gründen und dort anderer Leute Vermögen zu verstecken helfen, gibt es viele schöne Geschichten. Zum Beispiel, dass solche Stiftungsverwalter ein für ihre Mandanten verfängliches Papier eher verschlucken als es an Unbefugte herausrücken würden. Das hat man sich früher im Hauptstädtchen Vaduz und Umgebung erzählt und auch fest daran geglaubt. Völlig unbefugt aus Sicht des Zwergstaates waren ausländische Fahnder, vor allem Steuerfahnder. Amtshilfe wurde in aller Regel nicht gewährt. "Treuhänder waren für unser Land das, was in Frankreich die Fremdenlegionäre sind", sagte der Liechtensteiner Schriftsteller Stefan Sprenger: "Sie erledigten ein Geschäft, über das die Mehrheit der Bevölkerung am liebsten nichts wissen wollte." Das kleine Land zwischen Österreich und der Schweiz lebte gut davon.

Jetzt bekommen liechtensteinische Treuhänder eine Menge Ärger; erste Verfahren laufen bereits. Die im Zwergstaat gefürchtete Steuerfahndung aus Wuppertal interessiert sich neuerdings sehr für die Stiftungen und deren Verwalter. Zunächst wurden deutsche Steuerhinterzieher, die in dem angeblich sicheren Hort für scheues Geld ihr Vermögen versteckt hatten, von den Fahndern enttarnt. Das Verfahren gegen die damalige Bank LGT Treuhand in Liechtenstein machte Ende des vergangenen Jahrzehnts viele Schlagzeilen. Bekannte Namen aus der angeblichen Elite der Gesellschaft waren mit dem Steuerskandal verbunden. Dann kamen die liechtensteinischen Banken wegen Beihilfe dran. Jetzt soll es die Treuhänder treffen, weil auch sie Beihilfe beim großen Steuerbetrug geleistet haben sollen. Die Staatsanwaltschaft Bochum hat, mit Material aus Wuppertal, Aktenzeichen angelegt.

Auf die Idee, gegen Treuhänder zu ermitteln, sind die Wuppertaler durch eine faszinierend einfache Idee gekommen. Sie haben Selbstanzeigen von deutschen Steuerhinterziehern analysiert. Die einzelnen Fälle wurden im Computer zusammengefügt; anschließend fragten die Fahnder nach dem Weg des Geldes. Steuerbetrüger, die sich dem Fiskus offenbaren, sind sehr gesprächsbereit, und auch die Rechtshilfe funktioniert in solchen Fällen.

Die Ermittlungsverfahren gegen Treuhänder sind noch ziemlich frisch: Zunächst waren nur vier liechtensteinische Stiftungsverwalter betroffen, jetzt sind es schon einige mehr, und niemand weiß, wie viele es am Ende sein werden. In Liechtenstein gibt es etwa 25o Treuhandgesellschaften.

Den deutschen Ermittlungsbehörden geht es, anders als bei den Banken, nicht um hohe Geldbußen. Sondern vor allem um Gerechtigkeit. Alle, die geholfen haben, den Fiskus zu umgehen, sollen erwischt werden. Auch die Liechtensteiner Treuhänder. Die haben an den Stiftungen nach Erkenntnissen der Fahnder nicht so viel verdient wie die Banken an Schwarzgeldkonten. Die UBS und die Credit Suisse aus der Schweiz hatten in Nordrhein-Westfalen 300 beziehungsweise 150 Millionen Euro Bußgeld gezahlt; viele andere Institute mussten immerhin noch teils zweistellige Millionenbeträge überweisen. Der Profit der Treuhänder aus ihren Stiftungsgebühren dürfte allenfalls einige Hunderttausend oder einige Millionen Euro betragen. Diese Gewinne werden nun abgeschöpft, plus Zinsen und Strafen. Niemand in Liechtenstein soll ohne Buße davonkommen.

Früher war der Miniaturstaat das verschwiegenste Steuerversteck in Europa. Kein deutscher Fahnder bekam, wenn es nicht um große Kriminalität ging, Einblick in irgendwelche Unterlagen. Die Treuhänder des Landes verstanden sich darauf, das Vermögen ihrer Kunden vor lästigen Finanzbeamten zu verbergen. Das absolute Bankgeheimnis war Staatsdoktrin, Amtshilfe wurde in aller Regel nicht gewährt. Auch die meisten der deutschen Parteispendenskandale sind mit Liechtenstein verbunden. Schmutzige Gelder wurden dort gewaschen und landeten in den Schatullen bürgerlicher Parteien. Die Gehilfen, Komplizen, Profiteure liechtensteinischer Verhältnisse saßen hierzulande weit oben. Das mag auch einer der Gründe gewesen sein, warum früher kein echter Druck auf Liechtenstein ausgeübt wurde.

Dann kam die neue Zeit. Untreue Angestellte schafften in den 90er-Jahren Disketten mit Datenbeständen aus der damaligen Kanzlei des berühmten Treuhänders Professor Dr. Dr. Herbert Batliner, das Material gelangte auch an Steuerfahnder in NRW. Daraus entstand das erste großflächige Ermittlungsverfahren gegen deutsche Steuerhinterzieher, die ihr Geld in Liechtenstein versteckt hatten. Das war lange vor dem Fall LGT Treuhand. Auch gegen den Juristen und Ökonomen Batliner, der ein Bekannter von Helmut Kohl war und über viele Jahrzehnte virtuos die speziellen Möglichkeiten des Finanzplatzes Liechtenstein genutzt hat, lief damals ein Verfahren der Bochumer Staatsanwaltschaft. Es wurde vor rund zehn Jahren gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von zwei Millionen Euro eingestellt.

Die entwendeten Batliner-Daten waren der digitale Einblick in die Welt des Bankgeheimnisses. Danach kamen die vielen Steuer-CDs, die Bankangestellte und andere Insider vor allem an den Fiskus in NRW verkauften. Zehntausende Schwarzgeldkonten flogen auf. Häufig war das heimliche Vermögen auch in Stiftungen angelegt. Das Wort Stiftung klingt fein. Aber Stiftungen liechtensteinischen Rechts waren oft unfein, weil sie der Steuerhinterziehung dienten. Als Arrangeure und auch Nutznießer dieser Geschäfte erwiesen sich die Treuhänder. Die Stifter, deren Namen nirgendwo auftauchen sollten, bedienten sich solcher Treuhänder. Von denen schaffte mancher 25 neue Stiftungen am Tag. Ein ertragsreiches Massengeschäft.

Nach dem Auftauchen der CDs sind Tausende Stiftungen nach Panama verlegt worden

Durch die Auswertung der Steuer-CDs und auch durch den Druck von US-Ermittlern hat sich das Geschäft radikal geändert. Im Finanzplatz Liechtenstein gab es zu dessen Blütezeit knapp 90 000 Gesellschaften. Heute bestehen noch etwa 36 000 Firmen. Zigtausende Stiftungen und Anstalten wurden in den vergangenen Jahren in Serie gelöscht. Jetzt ist in Vaduz viel von Transparenz und Ehrlichkeit die Rede. Aber die Fahnder können sich nie sicher sein, ob das wirklich eine Wende zum Guten ist. Es ist schon sehr auffällig, dass nach dem Auftauchen der CDs Tausende Stiftungen von Liechtenstein nach Panama verlegt worden waren. Die Spur in die Karibik ist noch längst nicht ausgeleuchtet. Wenn man etwa in die Daten der Panama Papers schaut, erzielt allein das Wort "Liechtenstein" 297 946 Treffer. Bei Vaduz sind es 31 087. Und die berühmte Aeulestraße, wo sich Treuhandbüro an Treuhandbüro reiht, schafft noch um die 3000 Treffer.

Etliche Liechtensteiner Treuhänder haben ihre Tätigkeit vermehrt nach Panama ausgedehnt, das ein identisches oder sehr ähnliches Stiftungssystem hat. Man sagt, Panama habe Liechtenstein kopiert. Aber fast nirgendwo ist das scheue Geld noch sicher. Das Bundeskriminalamt in Wiesbaden hat einen großen Panama-Fund gemacht, der in den nächsten Monaten ausgewertet werden soll. Man wird dann sehen, wie viele liechtensteinische Treuhände in Panama gewaschen worden sind.

© SZ vom 03.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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