Liechtenstein:Ex-Außenministerin vor Gericht

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Allein 300 000 Franken für persönliches Coaching und PR-Arbeit: Aurelia Frick, ehemalige Außenministerin von Liechtenstein, muss sich wegen hoher Ausgaben für Berater verantworten. (Foto: Harald Tittel/picture alliance/dpa)

Jung, klug, erfolgreich - Aurelia Frick galt als politische Vorzeigefrau. Dann beendete eine Berateraffäre ihre Karriere.

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

Sicherheitshalber wurde der Prozess in den Vaduzer Saal verlegt, die Stadthalle der Liechtensteiner Hauptstadt. Nur um die in diesen pandemischen Zeiten gebotenen Abstände einhalten zu können und nicht etwa, weil ein besonders großer Andrang von Zuschauern und Medienvertretern erwartet wird. Öffentliche Aufmerksamkeit wird die Verhandlung an diesem Mittwoch vor dem Kriminalgericht des Fürstentums trotzdem erregen. Immerhin ist die ehemalige, langjährige Außenministerin samt ihrem Generalsekretär - hierzulande würde man von einem Staatssekretär sprechen - angeklagt. Eine Frau, die in zehn Jahren Amtszeit weit über das kleine Land hinaus für Aufsehen sorgte - und als Vorbild diente.

Gleich in mehrerlei Hinsicht war Aurelia Frick, 45, eine Ausnahmeerscheinung. Sie stand für ein modernes Frauenbild in der Politik. Die promovierte Juristin mit Pilotenschein wechselte mit gerade einmal 33 Jahren als Quereinsteigerin in die Politik und wurde umgehend zur Ministerin für Äußeres, Justiz und Kultur ihres Landes ernannt. Das war 2009. Während ihrer Amtszeit heiratete sie und bekam zwei Kinder. Ob bei der UNO, im Gespräch mit den Obamas oder auf der Münchner Sicherheitskonferenz - die Politikerin der bürgerlich-konservativen Fortschrittlichen Bürgerpartei (FBP) machte mit kompetenten, selbstbewussten und eloquenten Auftritten Eindruck. Bis sie im Sommer 2019 jäh abstürzte.

In ihrer Anklage wirft die Staatsanwaltschaft Aurelia Frick und ihrem ehedem engsten Gefolgsmann René Schierscher Missbrauch der Amtsgewalt vor. Im Falle einer Verurteilung droht ihnen eine Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und fünf Jahren. Es geht um hohe Ausgaben für Berater und persönliche Coaches. Wiederholt sollen Frick und Schierscher sie aus der Staatskasse bezahlt haben, ohne die erforderlichen Regierungsbeschlüsse einzuholen. Der finanzielle Gesamtumfang ist bislang ebenso wenig bekannt wie die Nutznießer. In einem Fall soll es sich um die Firma des FBP-Parteichefs Marcus Vogt handeln.

Was viele verblüfft ist der Zeitpunkt des Prozesses. Am 7. Februar wählen die Liechtensteiner ein neues Parlament, die Briefwahlunterlagen wurden gerade verschickt. Und am Freitag berät der an sich bereits verabschiedete Landtag in einer Sondersitzung ein Corona-Hilfspaket. Das kleine Fürstentum mit seinen 38 000 Einwohnern ist von der Pandemie überproportional betroffen; über Weihnachten lag der Sieben-Tage-Inzidenzwert bei annähernd 800 und damit weltweit an der Spitze.

Corona-Beschränkungen sind auch der Grund, warum es aktuell keinen nennenswerten Wahlkampf gibt. Die beiden großen Parteien FBP und Vaterländische Union (VU), die seit Jahrzehnten gemeinsam regieren, sehen sich vor allem rechtspopulistischer Konkurrenz ausgesetzt, auf deren Listen sogar zwei Anhänger von QAnon, der wohl abstrusesten aller aktuellen Verschwörungstheorien, für Sitze im 25-köpfigen Liechtensteiner Landtag kandidieren.

Das Protokoll der neunstündigen Sitzung liest sich wie das Drehbuch für eine politische Hinrichtung

Unmut herrscht in Teilen der Bevölkerung über den Umgang von Regierung und Parlament mit der Causa Aurelia Frick. Der Konflikt eskalierte 2019, als die Geschäftsprüfungskommission des Landtags gemäß ihrem Auftrag das Finanzgebaren der Ministerin überprüfte. Die Kontrolleure fanden heraus, dass Frick 2018 ihr Budget für Experten, Gutachten und Öffentlichkeitsarbeit um 43 Prozent, sowie jenes für Reisespesen und repräsentative Ausgaben um 38 Prozent überschritten hatte. Allein für persönliches Coaching und PR-Arbeit soll sie 300 000 Schweizer Franken aus der Staatskasse ausgegeben haben. Je hartnäckiger die Kommission bohrte, desto gereizter reagierte die Ministerin. Mal legte sie bis zur Unbrauchbarkeit geschwärzte Unterlagen vor, dann stellte sich heraus, dass relevante Akten vernichtet worden waren.

Am 2. Juli 2019 kam es zum Showdown im Landtag; das Protokoll der neunstündigen Sitzung liest sich wie das Drehbuch für eine politische Hinrichtung. Am Ende entzogen ihr Parteifreund und Regierungschef Adrian Hasler sowie fast alle Abgeordneten der Außen- und Justizministerin das Vertrauen und setzten sie ab. Im September 2019 schickte die Regierung einen Untersuchungsbericht an die Staatsanwaltschaft, der zur Grundlage für die Anklage wurde. Der Tagesanzeiger schreibt, es gehe lediglich um 5630 irregulär ausgegebene Schweizer Franken. Frick und Schierscher bestreiten alle Vorwürfe vehement.

Aurelia Frick sei für ihren Sturz selbst verantwortlich, heißt es in Vaduz. Der Umgang mit ihr sei jedoch in seiner Art und Weise ebenfalls überzogen gewesen. Begriffe wie "Hexenjagd" oder "Böswilligkeit" machen die Runde. Gegner Fricks werfen ihr "Arroganz" und "Selbstbedienungsmentalität" vor. Von Anfang an zerriss sich ein konservativer Teil der Liechtensteiner Bevölkerung den Mund über den Lifestyle der Ministerin, auch von Luxushotels und First-Class-Flügen bei Dienstreisen war die Rede. Frick-Unterstützer halten dagegen, bei einem Mann hätte niemand darüber gesprochen. Die juristische Bewertung obliegt nun dem Kriminalgericht. Vorsorglich hat es für den Vaduzer Saal von 9 bis 21 Uhr reserviert.

Anmerkung der Redaktion: Frau Dr. Aurelia Frick wurde mit Urteil vom 30.11.2022 durch das zuständige Obergericht in Liechtenstein rechtskräftig freigesprochen.

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