Lebensversicherungen:Milliardendeal mit Bermuda

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Athora hat viele Verträge deutscher Lebensversicherungskunden gekauft. Die Firma hat ihren Sitz auf Bermuda. (Foto: DREW ANGERER/Getty Images via AFP)

Verträge deutscher Lebensversicherungskunden sind international begehrt. Die Axa verkauft 900 000 Stück an eine Firma mit Hauptsitz auf Bermuda. Was Kunden jetzt tun können.

Von Herbert Fromme, Köln

Wer vor 20 Jahren für die Altersvorsorge eine Lebensversicherung bei der Deutschen Beamtenversicherung (DBV) abgeschlossen hat, wähnte sich bei einem grundsoliden Unternehmen mit langer Tradition. Schließlich ging die Gesellschaft auf die Lebensversicherung für Armee und Marine von 1871 zurück. Angehörige des öffentlichen Dienstes gehörten zu den wichtigsten Kunden.

900 000 Versicherte dürften sich jetzt die Augen reiben. Denn ihr neuer Vertragspartner heißt Athora Lebensversicherung. Die Muttergesellschaft der Gruppe sitzt auf Bermuda und gehört einer Reihe internationaler Großinvestoren. Athora verwaltet künftig die 19 Milliarden Euro aus Beitragsgeldern und Anlageerträgen für die Altersvorsorge der Kunden.

Schon vor 20 Jahren stand zwar DBV auf der Police drauf, es war aber die Schweizer Winterthur drin, die ihrerseits der Bank Credit Suisse gehörte. 2006 übernahm die Axa die Gesellschaft. Und die Pariser haben die Altverträge jetzt für 660 Millionen Euro an Athora verkauft. Wiesbaden, Zürich, Paris, Bermuda: Die Altersvorsorge-Verträge der DBV-Kunden haben eine interessante Reisetätigkeit hinter sich.

Der in Deutschland lange verpönte Verkauf von stillgelegten Vertragsbeständen in der Lebensversicherung ist keine Seltenheit mehr. In der Branche heißt das externer Run-off. Der Dammbruch war 2019 der Verkauf der Generali Lebensversicherung, heute Proxalto, an den Abwicklungsspezialisten Viridium, der mehrheitlich dem Londoner Finanzinvestor Cinven gehört.

Das betraf damals 4,8 Millionen Kunden mit 60 Milliarden Euro Guthaben. Danach folgten zahlreiche Verkäufe kleinerer Bestände von Lebensversicherern und Pensionskassen.

2022 gibt es plötzlich gleich zwei große Deals. Im Juni 2022 verkauft die Zurich 720 000 Verträge mit 20 Milliarden Euro Rückstellungen, die bei der einstigen Deutsche-Bank-Tochter Zurich Deutscher Herold abgeschlossen worden waren, ebenfalls an Viridium. Jetzt folgt das Geschäft zwischen Axa und Athora.

Weitere Unternehmen prüfen einen vergleichbaren Schritt, auch wenn die Zinsen aktuell steigen und den Druck etwas reduzieren. Die Lebensversicherer fürchten hohe Kosten des IT-Umbaus, wenn sie bei neuen Vorgaben der Aufsicht den Altbestand weiter selbst verwalten. Denn die Aufsicht will viel mehr Informationen und will auch, dass die Kunden anders unterrichtet werden, zum Beispiel über die Umweltfreundlichkeit der Kapitalanlagen. Das ist mit Altsystemen schwer möglich.

Dazu kommen die Kapitalmarktrisiken, die Lebensversicherer mit den alten Beständen in den Büchern haben.

Eine Kündigung ist in den allermeisten Fällen nicht sinnvoll

Für die Kunden ändert sich durch die Verkäufe zunächst nichts. Denn die Käufer dieser Bestände sind verpflichtet, die Verträge genau wie abgeschlossen weiterzuführen. Die jetzt von der Axa verkauften Verträge haben fast alle eine Garantieverzinsung von 3,2 Prozent, die muss auch Athora zahlen.

Eine Kündigung ist in den allermeisten Fällen nicht sinnvoll und hat negative Folgen. Auf jeden Fall sollte man sich vorher neutral beraten lassen. Es ist allerdings vernünftig, die jährlichen Standmitteilungen genau zu lesen und mit denen der Vorjahre zu vergleichen. Bei rapiden Verschlechterungen ist eine Überprüfung durch Verbraucherzentralen und andere Organisationen nützlich, auch eine Beschwerde bei der Finanzaufsicht Bafin kann sinnvoll sein.

Axa und Athora betonen, dass sie die Kunden genauso wie bisher betreuen wollen. Die beiden Gesellschaften erwarten, dass ihr Deal im vierten Quartal 2023 alle Hürden genommen hat, einschließlich der Genehmigung durch die Bafin.

Rund 100 Axa-Mitarbeiter sind aktuell mit der Verwaltung dieses Bestandes befasst, der 2013 für das Neugeschäft geschlossen wurde. Sie sollen die Aufgabe bis 2028 weiter wahrnehmen und dann an anderer Stelle im Konzern arbeiten, sagte Finanzchef Marc Daniel Zimmermann der SZ. Einen Arbeitsplatzabbau plane die Axa nicht.

Auch die IT für die Verwaltung der Verträge soll in den kommenden Jahren weiter von der Axa gestellt werden, die dafür eine Gebühr kassiert. Dann sollen die Verträge auf ein neues System umziehen.

"Das rechtfertigt den Preis."

Athora zahlt das 18-Fache des Jahresgewinns 2022, ein stolzer Preis. Kann der Abwickler so viel zahlen, weil er in der Vermögensverwaltung dann über Gebühren besonders viel aus dem Bestand herauspresst? Zimmermann verneint das. Das sei eine erfahrene Gesellschaft mit einem Bestand in Deutschland, und schließlich sei ja auch die Bafin da. Zimmermann findet den Preis nicht zu hoch. "Der Bestand ist hoch werthaltig", sagte er. Er sei sauber gemanagt und habe eine gute Kapitalanlagestrategie. "Das rechtfertigt den Preis."

Für die großen Investoren sind die Vertragsbestände wegen der Milliardenrückstellungen attraktiv. Denn diese Gelder sind sehr stabil. Die deutschen Lebensversicherer haben in Jahrzehnten Vorschriften durchgesetzt, die Kunden kaum Möglichkeiten der Kündigung bieten. Tun sie es doch, verlieren sie viel Geld. Erst über die Jahre werden die angelegen Summen kleiner, wenn Versicherte mit Vertragsablauf ausscheiden.

Bis dahin aber verspricht die Verwaltung der Rückstellungen hohe Gewinne für sie, vor allem aus den Verwaltungsgebühren, die mit ihnen verbundene Managementgesellschaften kassieren. Athora hat eine "strategische Partnerschaft" mit dem Vermögensverwalter Apollo Global Management und dessen Lebensversicherer Athene. 2019 klagten Anleger vor US-Gerichten gegen Apollo. Der Vorwurf lautete, der Asset Manager habe den Lebensversicherer und dessen Kunden über hohe Gebühren "regelrecht ausgenommen". Ein solches Verhalten würde in Deutschland die Bafin verhindern, heißt es bei den beteiligten Versicherern.

Die deutschen Lebensversicherer zeigen mit den Verkäufen, dass ihr einst heiliges Geschäftsmodell in der langen Niedrigzinsphase verdorrt ist, die klassische Lebensversicherung mit Garantiezins. Die meisten Gesellschaften verkaufen solche Verträge nicht mehr, sondern setzen auf fondsgebundene Angebote und andere Vertragsformen, bei denen die Kunden und nicht der Versicherer den größten Teil des Kapitalmarktrisikos tragen.

Die Altbestände werden verkauft oder im internen Run-off abgewickelt. Der Ergo-Manager Frank Wittholt glaubt, dass in Deutschland 90 Prozent des Lebensversicherungsgeschäfts de facto im Run-off ist. Was einst als einzigartig gepriesen wurde, nämlich langfristige Sparverträge mit garantierten Erträgen und damit sicheren Privatrenten, ist am Ende.

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