Bauernhöfe der Zukunft:Viele Bauern wären schon froh, wenn sie überhaupt Netzempfang hätten

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Martin Richenhagen zählt zu den weltweit einflussreichsten Managern im Agrargeschäft. Der 66-Jährige ist Chef des US-Landmaschinenkonzerns Agco. Der Konzern macht sieben Milliarden Dollar Umsatz und verkauft in alle Erdteile, etwa Traktoren der Marke Fendt. Immer häufiger sind es Maschinen, die ohne Pilot übers Feld fahren können. "Die Entwicklung ist schon viel weiter, als viele denken. Beim autonomen Fahren haben wir die Autobranche längst überholt", sagt Richenhagen. Landwirtschaftliche Betriebe müssten in Zukunft gemanagt werden wie moderne Fabriken. Beispiel Pflanzenschutz: Die Kunst bestehe darin, mit gezielteren Dosierungen den Einsatz von Dünger zu senken und Felder etwa von Drohnen überwachen zu lassen. Die Akzeptanz der Bauern sei groß, weil sich das direkt auf ihr Geschäft auswirkt. "Die Technik kostet, liefert aber bessere Ergebnisse."

Bauernhöfe der Zukunft: Technik zahlt sich aus, findet Stefan Wagner, 41, Betriebsleiter des Kronenhofes im Taunus. Er setzt voll auf die Digitalisierung.

Technik zahlt sich aus, findet Stefan Wagner, 41, Betriebsleiter des Kronenhofes im Taunus. Er setzt voll auf die Digitalisierung.

(Foto: privat)

Richenhagen kennt die Branche seit Jahrzehnten. Und er hält die Angst vor mancher Strategie von Konzernen wie Saatgutherstellern für nicht unbegründet. "Es gibt Geschäftsmodelle, die darauf abzielen, Bauern Rezepte zu verkaufen. Dann werden Landwirte auf die Rolle des Anwenders degradiert." Genauso sieht es auch das kritische "Agrar-Bündnis", ein Zusammenschluss von Umweltorganisationen wie dem BUND, dem Deutschen Tierschutzbund und Bioverbänden. In der Landwirtschaft und im Ernährungssektor sei ein kaum beachteter Wettstreit ausgebrochen, um die Schaltstellen der Digitalisierung zu besetzen und um "Patente oder geistige Eigentumsrechte im Sinne der Konzerne zu schützen". So könnten Produzenten von Nahrungsmitteln austauschbar werden und sich das Wissen über Produktionssysteme in der Hand weniger großer Konzerne konzentrieren. Jan Philipp Albrecht hat sich im Europaparlament beim Ringen um mehr Datenschutz in Europa schon Weltkonzerne wie Facebook und Google zu Gegnern gemacht. Anfang September wurde der 36 Jahre alte Grünen-Politiker Umwelt-, Digital- und Landwirtschaftsminister in Schleswig-Holstein. "Die Digitalisierung bietet der Landwirtschaft enorme Chancen und stellt sie dabei gleichzeitig vor große Herausforderungen", konstatiert Albrecht. Die Entwickler und Betreiber digitaler Plattformen könnten künftig über sensible Daten ihrer Kunden verfügen - und die natürlich auch für ihre Geschäfte nutzen.

Viele Bauern in Deutschland wären allerdings schon froh, wenn sie wenigstens die Wahl hätten, moderne digitale Technik einzusetzen oder eben nicht. Wer jemals versucht hat, auf einem Feld in Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern eine E-Mail abzusetzen, versteht den Ärger. Noch seien die Verbindungen in Deutschland auf dem Land oft "schlechter als in Afrika", lästert auch Manager Richenhagen. In Deutschland arbeiten bislang nur 20 Prozent der Bauern mit vernetzten Systemen. Nötig sind dafür leistungsstarke Internetverbindungen. Die aber fehlen nur zu oft. Das soll sich auch mit der Einführung des künftigen Mobilfunkstandards nicht ändern. "5G ist nicht an jeder Milchkanne notwendig", meinte Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU).

Der Bauernverband geht nun auf Konfrontationskurs und fordert einen raschen Ausbau überall im Land. Nötig sei endlich eine "flächendeckende Versorgung mit Glasfaser- und 5G-Mobilfunktechnik", sagte Verbandspräsident Joachim Rukwied der Süddeutschen Zeitung. Um die Digitalisierungschancen wirklich nutzen zu können, "brauchen wir im gesamten ländlichen Raum die gleiche hochleistungsfähige Internetinfrastruktur wie in der Stadt". Auf dem Kronenhof studiert Stefan Wagner die Daten der Sonden. Er sei inzwischen ein "Technikfetischist", sagt der Landwirt. So ganz verlassen will er sich auf die Algorithmen aber doch noch nicht. Erst seit einem Jahr vermessen die Sonden seine Felder. In der Landwirtschaft gelte die Regel: Ein Jahr ist kein Jahr. Die Technik müsse auf längere Sicht beweisen, dass sie hilft. Er könne inzwischen schon vieles besser verstehen, sagt Wagner. Aber eins ersetzten die Computer auf keinen Fall: "das Reden mit der Natur".

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