Die Italiener wussten von Anfang an nicht so genau, was sie mit diesen kleinen Münzen anfangen sollten. 50 Cent, okay, das war ja früher schon ein großer 1000 Lire-Schein. Aber diese Ein- und Zwei-Cent-Stücke? Wohin mit all dem Klimpergeld? Ins Portemonnaie stecken? Das würde bedeuten: Dickes Portemonnaie, ausgebeulte Hosentasche. Sieht auch irgendwie bescheuert aus.
Und nicht wenige, vor allem ältere Männer, hatten bis zur Euro-Einführung überhaupt keine Geldbörse. Sie hatten ein zusammengeklammertes Bündel Lire-Scheine im Jackett stecken. Als dann die vielen kleinen Münzen kamen, landeten viele davon gleich wieder im Beutel der sonntäglichen Kirchenkollekte.
Jetzt soll Schluss sein mit dem Kleingeld. Vom 1. Januar 2018 an wird Italien keine Ein- und Zwei-Cent-Münzen mehr prägen, entschied die zuständige Bilanzkommission der Abgeordnetenkammer in Rom. Der Plan ist, dass künftig alle Preise auf den nächsten Fünf-Cent-Betrag gerundet werden. Die Demokratische Partei von Ex-Ministerpräsident Matteo Renzi hatte den Vorschlag zur Abschaffung der Münzen eingebracht.
Bezahlen:Bargeld ist geprägte Freiheit
Die Argumente gegen Scheine und Münzen sind schwach. Das Bargeld abzuschaffen, wäre vor allem anmaßend.
Es ist ein bedeutender Schritt nicht nur für Italien, sondern für ganz Europa. Denn immerhin schafft damit die drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone die kleinen Münzen praktisch ab. Kleinere Länder haben das schon getan. Finnland zum Beispiel entschloss sich bereits mit Einführung des Euro im Jahr 2002, auf Fünf-Cent-Beträge auf- oder abzurunden. Ein- und Zwei-Cent-Münzen sind dort unbeliebt. Mittlerweile haben auch Belgien, die Niederlande und Irland die Rundungsregel eingeführt. Dass es mit Italien nun auch ein großes Land tut, könnte das Ende der kleinen Münzen einläuten, das manche abschätzig "Klimpergeld" nennen.
Die wichtigsten Gründe für die Gegner der Kupfermünzen sind die hohen Kosten und die Unhandlichkeit. Die Herstellungskosten übersteigen den Wert, bei der Ein-Cent-Münze sind es 1,65 Cent. Schon vor vier Jahren schimpfte der damalige EU-Währungskommissar Olli Rehn, bezeichnenderweise ein Finne, bei den Kleinstmünzen habe die EU bereits 1,4 Milliarden Euro draufgezahlt. Das liegt auch daran, dass sie fast die Hälfte der etwa 115 Milliarden Münzen im Umlauf ausmachen.
Auch die meisten Bürger lieben sie nicht, in Bayern etwa ist dafür der Ausdruck "Kupferschmarrn" gebräuchlich. 42 Ein-Cent-Münzen sind immerhin so schwer wie eine Tafel Schokolade. Das führt dazu, dass viele sie zu Hause aussortieren. Die meisten Kleinstmünzen fristen ihr Dasein in Schubläden und Marmeladegläsern. Jeder Deutsche besitzt im Durchschnitt 175 Ein- und Zwei-Cent-Münzen.
Nicht wenige Ökonomen und große Banken sähen nach den Mini-Münzen am liebsten auch gleich den Rest des Bargeldes abgeschafft. Schon Ende 2011 hatte die damalige italienische Regierung unter Mario Monti den Barzahlungsverkehr auf 999,99 Euro pro Transaktion begrenzt, um so gegen Geldwäsche und grassierende Schwarzmarktgeschäfte vorzugehen. Aus demselben Grund sind auch die Tage des 500-Euro-Scheins in ganz Europa gezählt.
Italien, daran hat sich auch seit der Euro-Einführung nichts geändert, ist allerdings ein Land der Bar-Bezahler - egal ob im Restaurant oder an der Bar: Wer seine Kreditkarte auf die Theke legt, kann Pech haben, dass Kartenzahlung just an diesem Tag leider nicht funktioniert ( Problemi di c onnessione hört man dann häufig als Entschuldigung - Verbindungsprobleme).
Nur Bares ist also Wahres. Es gibt immer noch Leute, meist Touristen, die warten an italienischen Supermarktkassen oder auf dem Gemüsemarkt auf ihr Rückgeld, wenn die Kirschen 1,99 Euro gekostet haben. Meistens kann man da lange warten. Denn kein Italiener würde sich wegen des einen Cents vor dem Kassierer aufbauen und das Geld einfordern. De facto wird also schon heute auf- und abgerundet.
Rechtlich ist es auf jeden Fall so, dass jeder Bürger in der Euro-Zone darauf bestehen kann, sich Wechselgeld bis auf den letzten Cent auszahlen zu lassen. Der Euro ist als gesetzliches Zahlungsmittel festgeschrieben, und dazu zählen alle Einheiten, auch die kleinsten. Jeder Händler ist auch verpflichtet, Ein- und Zwei-Cent-Münzen anzunehmen. Es gibt allerdings eine Grenze nach oben: Mehr als 50 einzelne Münzen muss niemand akzeptieren.
Vor allem dürfte künftig aufgerundet werden in Bella Italia. Wann kostet schon mal etwas 2,53 Euro? Meistens sind es ja eher 2,59 Euro. Die Verbraucherschutz-Organisation Codacons warnt daher: "Der Abschied von den Ein- und Zwei-Cent-Münzen wird zu wilden Aufrundungen bei den Einzelhandelspreisen führen."
Auch in Deutschland gab es bereits ein Experiment mit der Abschaffung kleiner Münzen: Händler in der nordrhein-westfälischen Stadt Kleve organisierten im vergangenen Jahr über mehrere Monate die Aktion "Liebe Kunden, wir runden". Rund 100 Geschäfte beteiligten sich daran. Anlass war, dass die örtliche Sparkasse auf einmal 30 Cent pro Münzrolle verlangte. Außerdem liegt Kleve an der niederländischen Grenze, wo man ohnehin keine Kleinstmünzen mehr kennt. Die Reaktionen der Kunden waren überwiegend positiv, allerdings gab es auch welche, vor allem ältere, die das Runden nicht so schön fanden, ganz nach dem alten Sprichwort: Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert. Die Händler in Kleve denken trotzdem über eine Fortsetzung der Rundungs-Aktion nach. Jetzt haben sie einen neuen, mächtigen Verbündeten: Italien.