Kroatien:Ein Land ist bereit für den Euro

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Dubrovnik an der Adria ist seit 1979 Unesco-Weltkulturerbe. (Foto: imago images / Panthermedia)

EU-Kommission und Europäische Zentralbank attestieren dem Land, fit zu sein für die Währungsunion. Für Touristen hat das Vorteile, Einwohner sehen das auch mit Skepsis.

Von Tobias Zick, München

Natürlich fehlte in der frohen Botschaft die politische Komponente nicht. "Der Euro ist ein Symbol der europäischen Stärke und Einheit", sagte Ursula von der Leyen, Chefin der EU-Kommission, als sie am Mittwoch verkündete, das jüngste Mitglied der Staatengemeinschaft erfülle nun die nötigen Kriterien, um sich der gemeinsamen Währung anzuschließen: "Weniger als ein Jahrzehnt nach seinem EU-Beitritt ist Kroatien nun bereit, dem Euro-Währungsgebiet am 1. Januar beizutreten."

Zuvor hatte die Kommission in ihrem halbjährlichen Konvergenzbericht festgestellt, dass das Land allen Kriterien genüge, um sich der Eurozone anzuschließen. Die Neuverschuldung habe 2021 knapp unter dem Referenzwert von drei Prozent der Wirtschaftsleistung gelegen. Die Staatsverschuldung sei von 87,3 auf 79,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gesunken, liege damit zwar über dem Maastrichter Grenzwert von 60 Prozent - allerdings bleibe der EU-Stabilitätspakt, den die Kommission 2020 wegen der Corona-Pandemie ausgesetzt hatte, auch 2023 noch außer Kraft.

Zudem stelle die Abwärtsentwicklung bei der Staatsverschuldung um mehr als sieben Prozentpunkte einen "starken Rückgang" dar, hob die Europäische Zentralbank (EZB) hervor. Sie attestierte ihrerseits dem Land, bereit für den Euro zu sein, wenn auch mit Bedingungen: Um langfristig Stabilität zu gewährleisten, so die EZB-Gutachter, "muss Kroatien unbedingt die im Rahmen seines Konjunkturprogramms geplanten Finanzreformen durchführen".

Nach den Empfehlungen von Kommission und Zentralbank gilt es in Brüssel nun als Formsache, dass der Rat der 27 EU-Mitgliedsstaaten im Laufe des Juli die Aufnahme Kroatiens in die gemeinsame Währung zum Anfang des kommenden Jahres beschließen wird. Bundeskanzler Olaf Scholz, der am Mittwoch Kroatiens Premier Andrej Plenković in Berlin empfing, sagte, dies sei "ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt, denn darum habe ich mich schon gekümmert, als ich Finanzminister war". Scholz, der zu einer Reise durch mehrere Staaten des westlichen Balkan erwartet wird, engagiert sich seit Beginn des Ukraine-Kriegs verstärkt dafür, dass die Gespräche mit den EU-Beitrittskandidaten der Region vorangetrieben werden. Wenn Kroatien, das seit 2013 in der EU ist, nun auch den Euro bekommt, könnte das die Anreize für die Nachbarn verstärken, ihre internen Reformen zu beschleunigen. Wobei der Euro nur eines von zwei "strategischen Zielen" ist, die Plenković erklärtermaßen verfolgt: Das andere ist die Aufnahme in den Schengen-Raum; die Gemeinschaft jener Staaten also, die untereinander auf Grenzkontrollen verzichten.

Die Bevölkerung ist in den vergangenen zehn Jahren um etwa zwölf Prozent geschrumpft.

Beides wäre im Sinne der Tourismus-Branche, die in Kroatien etwa ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts generiert - und die sich nach einem schweren ersten Corona-Sommer 2020 im Folgejahr recht zügig erholt hat. Wenn Reisende aus dem europäischen Ausland ab 2023 nicht mehr ihr Urlaubsgeld in die Landeswährung Kuna umtauschen und vor dem Bezahlen die Preise umrechnen müssen, könnte dies, so die Hoffnung, Kroatien in der Konkurrenz mit anderen Mittelmeerländern als Reiseziel noch attraktiver machen.

Doch auch wenn sich Kroatien schneller als viele andere europäische Länder von den coronabedingten Konjunktureinbrüchen erholt hat: Nach derzeitigem Stand wird es nach seinem Beitritt 2023 mit Abstand das ärmste Land in der Eurozone sein. Das Bruttoinlandsprodukt liegt deutlich unter jenem der derzeitigen Schlusslichter Griechenland und Lettland. Und auch wenn, wie die Regierung in Zagreb betont, das Land bei der Arbeitslosigkeit sich zuletzt immer mehr dem EU-Durchschnitt angenähert habe und sich speziell die Jugendarbeitslosigkeit auf einem "Rekordtief" befinde: Sie läge deutlich höher, wenn nicht in den vergangenen Jahren junge, arbeitsuchende Menschen zu Zehntausenden ins europäische Ausland abgewandert wären; nach Deutschland, nach Österreich, nach Irland. Die Bevölkerung des Landes ist in den vergangenen zehn Jahren um etwa zwölf Prozent geschrumpft. In vielen Orten, auch in den touristisch wichtigen Gebieten an der Adriaküste, mangelt es an Ärztinnen und Krankenpflegern.

Ob der Euro diese Entwicklung aufhalten kann? Viele im Land fürchten, dass die neue Währung ihnen vor allem steigende Preise bescheren könnte. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz warnte kürzlich bei einem Besuch in Zagreb, eine verfrühte Euro-Einführung würde dem Land die Möglichkeit nehmen, durch Auf- oder Abwertung der eigenen Währung Konjunkturschwankungen entgegenzuwirken. Allerdings war die Landeswährung Kuna schon bisher eng an den Euro (und früher an die D-Mark) gekoppelt. Aus Sicht von Boris Vujčić, dem Gouverneur der kroatischen Nationalbank, wurde es dadurch möglich, dem Land Stabilität zu verschaffen, nach einer "langen Phase der wirtschaftlichen Instabilität", als Kroatien Teil des jugoslawischen Gesamtstaats war, "mit starker Inflation und häufigen Abwertungen".

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