Kritik an Marktmacht:Kartellamtschef: "Facebook erfasst die halbe deutsche Online-Bevölkerung"

Lesezeit: 2 Min.

Das Bundeskartellamt untersucht Facebook eingehend. (Foto: REUTERS)
  • Andreas Mundt, Chef des Bundeskartellamtes, sagt, die Verbraucher seien Facebook ausgeliefert.Das Kartellamt untersucht Facebook und unterstellt ihm, unter den sozialen Netzwerken eine marktbeherrschende Stellung einzunehmen.
  • Die Frage, ob Facebook Monopolist ist, ist aber schwieriger zu beantworten als bei klassischen Industrieunternehmen.

Das Bundeskartellamt hat seine Kritik an Facebook verschärft. Das weltweit größte soziale Netzwerk durchleuchte Verbraucher genauer, als sie selbst es erkennen können. Weil es den Markt beherrsche, könnten die Bürger dem offenbar auch nicht ausweichen, sagte der Chef des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters.

Der US-Konzern hat nach Einschätzung der Behörde im Markt sozialer Netzwerke einen Marktanteil in Deutschland von mehr als 90 Prozent. "Facebook erfasst die halbe deutsche Online-Bevölkerung", sagte Mundt. Das seien "beeindruckende Zahlen". Er bekräftigte die - vorläufige - Bewertung seiner Behörde, nach der Facebook "in einem kartellrechtlichen Sinne marktbeherrschend" ist.

Problematisch erscheine ihm, dass das Netzwerk auch dort Daten absauge, wo es der Nutzer nicht erkennen könne. "Facebook sammelt auch Daten auf Seiten, wo man gar nicht Facebook sieht, weil sie hier ihre Analysetools für Webseiten einsetzen", sagte Mundt. "Dadurch weiß Facebook sehr, sehr genau, wie ich mich im Netz verhalte." Er fügte hinzu: "Das ist relativ nah an einem gewissen Profiling."

"Wenn Facebook marktbeherrschend ist, dann ist die Einwilligung, die der Nutzer gibt, dass seine Daten voll umfänglich genutzt werden, eben auch nicht mehr freiwillig, weil er gar nicht ausweichen kann", kritisierte Mundt: "Er ist darauf angewiesen, Facebook zu nutzen, wenn er ein soziales Netzwerk nutzen will."

Wer ist noch Facebooks Konkurrent?

Das Kartellamt hat vor gut zwei Jahren ein Verwaltungsverfahren gegen den US-Konzern eingeleitet. In dessen Zentrum steht die Frage, ob das weltgrößte soziale Netzwerk seine Macht missbraucht. Im Dezember hatte die Behörde Facebook ein "Quasi-Monopol" unterstellt. Am Ende des Verfahrens wird kein Bußgeld stehen - vielmehr könnten die Wettbewerbshüter Facebook zwingen, bestimmte Praktiken abzustellen.

Ob Facebook tatsächlich Monopolist ist, ist allerdings umstritten. Das liegt auch daran, dass viele datengetriebene IT-Konzerne anders funktionieren als klassische Industrieunternehmen. Das Wettbewerbsrecht soll vor allem die Kunden vor Nachteilen schützen, etwa vor überhöhten Preisen bei Monopolisten. Facebook und Google bieten ihre Dienstleistungen aber kostenlos an - Nachteile für Kunden sind also schwierig nachzuweisen.

Auch deshalb sei die Frage nach dem Facebook-Monopol nicht einfach zu beantworten, sagte Justus Haucap, Ökonom und ehemaliger Vorsitzender der Monopolkommission an diesem Montag in einem Interview mit dem österreichischen Standard. Facebook habe auf dem Werbemarkt Konkurrenz, etwa Google. Zudem gebe es andere soziale Netzwerke, auf die Nutzer ausweichen könnten, wie Linkedin und Xing. Allerdings ist der Netzwerkeffekt auf Facebook viel größer - die extrem hohe Zahl von zwei Milliarden Nutzern macht das Netzwerk überproportional attraktiv: Wenn schon praktisch alle anderen Menschen dort sind, erhöht das den Anreiz für jeden Einzelnen, ebenfalls Mitglied zu werden - und bringt ihm persönlich sogar Vorteile. Facebook hat nach dieser Interpretation schon lange eine kritische Masse erreicht, die ihm massive Vorteile im Markt verschaffen.

Welche Alternativen haben Nutzer?

Zudem haben Enthüllungen über den mangelnden Schutz von Nutzerdaten bei Facebook die Frage aufgeworfen: Konzentriert das Netzwerk nicht zu viele Daten über den Einzelnen - und kann deren Schutz nicht gewährleisten? Und welche Alternativen haben Nutzer?

Ein Problem ist auch die mangelnde Portabilität von Daten: Wer von Facebook zu einem konkurrierenden Netzwerk umziehen will, kann die Daten nicht problemlos mitnehmen. Die Datenschutzgrundverordnung, die von Ende Mai an in der EU gilt, schreibt den Unternehmen vor, ihren Nutzern Daten in einem portablen Format bereitzustellen. Kritiker werfen Facebook vor, diese Vorschrift nur halbherzig umzusetzen.

Facebook bestreitet, in Deutschland ein Monopol errichtet zu haben und hat erklärt, mit dem Kartellamt zu kooperieren. "Wie das Verfahren weitergeht, hängt natürlich sehr stark davon ab, wie Facebook uns antwortet", sagte Mundt. Es sei seiner Behörde aber ernst: Das Verfahren sei "ausdrücklich kein experimentelles Vorgehen".

Vor zwei Wochen befragten US-Senatoren Konzernchef Mark Zuckerberg im Kongress. Gefragt, ob sein Unternehmen über ein Monopol verfüge, anwortete Zuckerberg: "Es fühlt sich jedenfalls nicht so an."

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