Krisengewinner:Schwan gehabt

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"Ich möchte ein Lehrer im klassischen Sinn sein. Ich arbeite nur an den Themen, die mich auch wirklich interessieren", sagt der ehemalige Derivatehändler Nassim Taleb. (Foto: REUTERS)
  • Lange wurde Nassim Nicholas Taleb von der Wissenschaftsgemeinde bespöttelt, inzwischen ist er ein geachteter Autor und Wissenschaftler.
  • Mit seinen Wetten auf unwahrscheinliche Ereignisse verdiente sein Fonds zuletzt offenbar riesige Summen.
  • Öffentlich gibt sich der Spross einer libanesischen Familie gern als selbstbewusste Mischung aus Kauzigkeit und Genie.

Porträt von Markus Zydra

Es gab Zeiten, da konnte Nassim Nicholas Taleb, 55, so richtig unausstehlich sein. Da ging er seine Gegner in Talkshows nicht nur kompromisslos hart, sondern häufig auch beleidigend an. Sein ungehobeltes Verhalten, so steht zu vermuten, hatte damals viel mit gekränkter Eitelkeit zu tun. Taleb hat sich nämlich schon immer für einen der Größten gehalten. Doch in den Jahren vor der globalen Finanzkrise wurde der in Libanon geborene Finanzwissenschaftler nur mitleidig belächelt.

Erfolgreiche Wetten auf das Unwahrscheinliche

Das hat sich in letzter Zeit grundlegend geändert. Taleb wirkt ruhiger, denn seine Arbeit wird mittlerweile weltweit gewürdigt. Wie wichtig ihm das ist, wird deutlich, wenn er auf seine Außenseiterrolle angesprochen wird. "Heute habe ich als ordentlicher Professor in New York 7000 Zitierungen in wissenschaftlichen Werken. Seit 2009 habe ich zudem 35 Aufsätze veröffentlicht", sagte er in einem der jüngsten Interviews. "Ich bin längst kein Außenseiter in der Wissenschaftswelt mehr."

Taleb hat an der Rolle des Zufalls im Leben einen Narren gefressen. Er sagt, dass Katastrophen häufiger sind als gedacht und schlimmer als befürchtet. Darüber schreibt er seit 20 Jahren. Er steht in der Tradition des Chaosforschers Benoît Mandelbrot. An den Börsen wettet Taleb durch den Einsatz von Derivaten konsequent auf extrem seltene Ereignisse, etwa darauf, dass die Börsen, wie am vergangenen Montag, wegen Chinas Wachstumsschwäche massive Kursverluste erleiden. Eine Milliarde Dollar soll der von Taleb beratene US-Investmentfonds Universa letzte Woche verdient haben, meldete das Wall Street Journal am Montag.

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Über den Spross einer früher sehr einflussreichen Familie aus Libanon kursieren bizarre Geschichten. Einmal hatte er sich mit einem Londoner Journalisten in einem Café verabredet und tauchte nicht auf. Erst eine halbe Stunde später merkte der Reporter, dass sich Taleb auf einen Platz zwei Tische weiter hingesetzt hatte, um den Journalisten beim Warten zu beobachten, wie er erklärte.

Melange aus Intelligenz und Kauzigkeit

Der untersetzte Mann mit grauem Bart und lichtem Haar kultiviert in der Öffentlichkeit eine charakterliche Melange aus Intelligenz und Kauzigkeit. Seine Internet-Homepage Fooledbyrandomness. com sieht optisch so aus, als wäre sie im letzten Jahrtausend entstanden. Doch vielleicht möchte er die Leute zwingen, Äußerlichkeiten zu ignorieren und sich mit den Inhalten auf der Seite auseinanderzusetzen. "Die Leute meinen, Intelligenz bedeute, die relevanten Dinge zu sehen", dozierte er einmal. "Doch in einer komplexen Welt bedeutet Intelligenz, die irrelevanten Dinge zu ignorieren." Selbstredend zählt sich Taleb zu letzteren.

Schon als junger Mann hat er an den Börsen genug Geld verdient, um sich aus dem Geschäft zurückzuziehen. "Ich brauche mich nicht um die Meinung anderer zu kümmern. Ich habe es auch nicht nötig, irgendwelche Spielchen zu spielen", sagt er. "Ich möchte ein Lehrer im klassischen Sinn sein. Ich arbeite nur an den Themen, die mich auch wirklich interessieren."

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Der ehemalige Derivatehändler veröffentlichte 2001 das Buch " Fooled by randomness" ("Narren des Zufalls"). Das Werk fand in Börsenkreisen große Beachtung, doch die Wissenschaftsszene rümpfte die Nase ob des selbstbewussten Taleb und seiner unbequemen Thesen. Pünktlich zur Finanzkrise erschien 2008 sein Buch "Der schwarze Schwan". Der Titel ist mittlerweile auch in Börsen-Kreisen ein geflügeltes Wort um das völlig Unerwartete zu beschreiben. Ereignisse wie die Finanzkrise von 2008 oder auch den Crash vom vorletzten Montag. Taleb hält die Welt für fragil. Kleinste Fehler könnten eine Katastrophe auslösen und die ganze Welt ins Chaos stürzen.

© SZ vom 01.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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