Kreditklemme:"Die Banken kennen die Größe meiner Unterhosen"

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Hilfe vom Staat - für viele Firmen ist das die letzte Chance. Doch viele mühen sich vergeblich. Und suchen die Schuld dafür bei den Banken. Ein Beispiel unter vielen.

E. Dostert

Der Name des Mannes spielt eigentlich keine Rolle. Ihm geht es wie vielen Mittelständlern. Elmar Sittig soll er in dieser Geschichte heißen: Anfang 50, Familienunternehmer in der dritten Generation, Autozulieferer aus Franken. Im Frühjahr hat er sich vergeblich um Geld aus dem Konjunkturpaket I der Bundesregierung bemüht. Über die Mittelvergabe entscheidet die Staatsbank KfW, der Antrag auf diese Bürgschaften und zinsgünstigen Kredite muss aber bei der Hausbank gestellt werden.

Auszüge aus dem Merkblatt der Staatsbank KfW. Es enthält Widersprüche, meint ein Mittelständler, der nicht genannt werden will. (Foto: Collage: Dennis Schmidt)

Aus Angst vor Repressalien durch die Kreditinstitute will der Mittelständler seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. Irgendwie braucht er die ungeliebten Geldgeber ja noch. "Ich bin dabei, mich auf den GAU vorzubereiten", sagt er: "Was, wenn die Aufträge weiter einbrechen? Was, wenn einer der Hauptkunden pleite geht?" Jeder Mittelständler hat sein eigenes Krisenszenario.

Schwieriges Verhältnis

Das Verhältnis zwischen Sittig und seinen acht Banken war nie einfach. Seit der letzten Krise, 2002, muss er monatlich einen Liquiditätsplan abliefern. "Der Jahresabschluss reicht schon lange nicht mehr aus." Akribisch fragen die Banken nach. Da sind sie alle gleich: private Banken, Volksbanken, Sparkassen. "Die wollen alles wissen. Die kennen die Größe meiner Unterhosen." Sittig kann die Banker vor Ort auch irgendwie verstehen. "Die kriegen selbst Druck aus ihrer Zentrale in Frankfurt."

Auch wenn es noch keine flächendeckende Kreditklemme gibt: Bei Sittig klemmt es schon gewaltig. Die ersten Ausläufer der Krise spürte der Mittelständler im Mai 2008. Damals setzte seine Firma mit 300 Mitarbeitern noch 32 Millionen Euro um. Dabei sah es gerade so aus, als hätte sich die Firma von der letzten Krise erholt. "Die letzte Krise war selbstverschuldet", räumt Sittig ein: "Diese ist es nicht."

"An der Nulllinie"

Zuerst blieben die Aufträge aus Großbritannien weg. "Wir haben ziemlich schnell reagiert", sagt Sittig. Zunächst mussten die Leiharbeiter gehen, befristete Verträge wurden nicht mehr verlängert, dann setzte Kurzarbeit ein, am Ende gab es Entlassungen. Mittlerweile sind Belegschaft und Erlöse nur noch halb so groß wie vor Jahresfrist.

"Operativ arbeiten wir gerade an der Nulllinie", beteuert Sittig, als verkünde er einen großen Sieg. Er habe die Banken Anfang Dezember gebeten, die Tilgung von Krediten im Gesamtvolumen von sieben Millionen Euro für ein halbes Jahr auszusetzen. Das sei nötig, um das Geschäft aufrechtzuerhalten und vor allem die Lieferanten schnell bezahlen zu können. Die Zulieferer gewähren im Gegenzug Nachlässe.

Die Familie schoss auch selbst Geld aus dem privaten Vermögen nach, einen Betrag in sechsstelliger Höhe. "Mehr ging wirklich nicht", sagt Sittig. Der Pool aus privaten Instituten, örtlicher Volksbank und Sparkasse willigte nach langwierigen Verhandlungen dem Tilgungsstopp zu, verlangte aber das Gutachten einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. "Die hat mich als Sanierungsfall abgestempelt", erzählt Sittig: "wegen der Non-Performing-Loans".

Er hat selbst erst einmal recherchiert, was Non-Performing-Loans, also notleidende Kredite, bedeutet. "Es gibt keine gesetzliche Definition dafür", so Sittig. Irgendwann ist er im Internet auf eine Präsentation der Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young aus dem Jahr 2005 gestoßen: Notleidende Kredite im weiteren Sinne seien Darlehen, die ihren Tilgungsplan nicht einhalten. Das trifft auf Sittig zu. Non-Performing-Loans im engeren Sinne seien stark ausfallgefährdete Darlehen. Das Wort stark haben die Wirtschaftsprüfer in Klammern gesetzt. "Das trifft nicht auf mich zu", sagt Sittig. Irgendwann, wenn die Geschäfte wieder besser laufen, will er ja seine Raten tilgen, Zinsen zahlt er ohnehin noch.

"Aus heutiger Sicht war der Tilgungsstopp ein Fehler", sagt Sittig. Denn mittlerweile ist ihm der Status Non-Performing-Loans zum Verhängnis geworden. Im Februar beantragte Sittig bei seiner Hausbank Hilfen aus dem Konjunkturpaket. "Mein Volksbanker hat bei der KfW angerufen", sagt Sittig: "Die haben wohl gleich abgewunken, weil ich ein Sanierungsfall bin."

Sittig war nicht dabei. Wenn es ums Geld geht, ist er kein Handelnder mehr, sondern ein Gehandelter. "Ich würde lieber selbst bei der KfW anrufen und denen meine Lage schildern", sagt er. Das geht nicht. Er muss sich auf seine Banker verlassen, aber eigentlich traut er ihnen nicht. "Die Bank hat doch gar kein Interesse, sich für mich bei der KfW einzusetzen, denn einen Teil der Haftung trägt sie selbst und verdienen tut sie an dem Geschäft fast nichts."

"Das ist doch nicht gerecht"

Sittig redet viel. Er wirkt nicht verzweifelt, eher ungläubig. Irgendwann fischt er ein Merkblatt der KfW aus seiner braunen Aktentasche. "Programm-Nr. 081.082" steht oben kleingedruckt. Ein paar Stellen hat Sittig rot markiert. "Das ist doch ein Widerspruch", sagt er und tippt auf das Blatt. Maßgeblich für die Feststellung, ob es sich um ein förderwürdiges Unternehmen in Schwierigkeiten handele, sei die Situation der Firma zum Stichtag 01.07.2008, steht auf der ersten Seite. Damals hat Sittigs Betrieb noch seine Schulden getilgt. Antragsberechtigt sind Firmen, die nach diesem Datum durch die Krise in Schwierigkeiten geraten sind. "Das trifft doch voll auf mich zu", sagt Sittig.

Auf der letzten Seite zählt die KfW dann aber auf, was die Hausbank alles einreichen muss - unter anderem eine Bestätigung, dass zum Zeitpunkt des Antrags kein Non-Performing-Loan-Status gegeben ist. "Nun wird mir zum Verhängnis, dass ich meine Lieferanten bei Laune halten wollte und den Tilgungsstopp ausgehandelt habe. Das ist doch nicht gerecht", sagt Sittig.

Er hat manchmal etwas von einem Kind, das die Welt nicht mehr begreift. "Warum gibt es nur einen Lenkungsausschuss für Großkredite ab 150 Millionen Euro? Warum entscheidet nicht ein Gremium aus Bankern, Politikern und Industrievertretern über die Darlehen für Leute wie mich?" Eine Weile hält seine Firma noch durch, sagt Sittig. Aber sehr lange nicht.

© SZ vom 09.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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