Die deutsche Wirtschaft ist nur um Haaresbreite an der lange befürchteten Winterrezession vorbeigeschrammt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stagnierte von Januar bis März im Vergleich zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Sinkende Konsumausgaben verhinderten ein besseres Abschneiden, während Exporte und Investitionen jeweils zulegten. Die Flaute kommt überraschend, es war im Vorfeld mehr erwartet worden.
Bei zwei Minus-Quartalen in Folge wird von einer Rezession gesprochen, die nun gerade so vermieden wurde. "Die Wirtschaft ist zum Glück glimpflich aus diesem Winter gekommen", sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Martin Wansleben. "Ein breiter Aufschwung, wie er eigentlich nach den Covid-Jahren zu erwarten gewesen wäre, ist aber weiter nicht in Sicht." Auch erlebte Deutschland einen schwächeren Jahresauftakt als andere Euro-Länder. Die Währungsunion insgesamt wuchs im ersten Quartal um 0,1 Prozent. Die nach Deutschland zweitgrößte Volkswirtschaft Frankreich schaffte dabei trotz wochenlanger Streiks und Protestaktionen gegen die Rentenreform ein Plus von 0,2 Prozent. Italien und Spanien wuchsen sogar jeweils um 0,5 Prozent.
Einen besseren Jahresauftakt für die deutsche Wirtschaft verhinderten die sinkenden Konsumausgaben der Verbraucher, die infolge der Kaufkraftverluste durch die hohe Inflation nicht in Einkaufslaune sind. Auch die staatlichen Konsumausgaben nahmen ab. "Positive Impulse kamen dagegen von den Investitionen und den Exporten", erklärten die Statistiker. Details wollen sie im Mai bekanntgeben. "Die deutsche Konjunktur ist zu Jahresbeginn gespalten", sagte der Konjunkturchef des Münchner Ifo-Instituts, Timo Wollmershäuser. "Auf der einen Seite profitiert die Industrie von nachlassenden Lieferengpässen sowie von gesunkenen Energiepreisen und ist auf einen Wachstumskurs eingeschwenkt." Andererseits zehre die hohe Inflation an der Kaufkraft und lasse den Konsum schrumpfen.
Die schwächelnde Konjunktur hat die übliche Frühjahrsbelebung auf dem deutschen Arbeitsmarkt im April gebremst. Die Zahl der Arbeitslosen sank zwar um 8000 im Vergleich zum Vormonat auf 2,586 Millionen, wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) mitteilte. In den beiden Vorjahren hatte es im April aber noch jeweils einen Rückgang von mehr als 50 000 gegeben. "Die Frühjahrsbelebung am Arbeitsmarkt bleibt auch im April schwach", sagte die Chefin der Bundesagentur für Arbeit (BA), Andrea Nahles. "Einer der Gründe dafür ist die träge Konjunktur." Insgesamt befindet sich der Arbeitsmarkt aber in einer "stabilen Verfassung". So verharrte die Erwerbslosenquote bei 5,7 Prozent. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck rechnet in diesem Jahr mit einem Wachstum von 0,4 Prozent. 2024 soll das Bruttoinlandsprodukt dann um 1,6 Prozent zulegen.