Konjunkturprognose:Bundesregierung erwartet im kommenden Jahr Rezession

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Containerterminal in Hamburg im Nebel. (Foto: All mauritius images/Ingo Boelter)

Um 0,4 Prozent soll die deutsche Wirtschaft 2023 schrumpfen, dazu wird erneut eine hohe Inflation prognostiziert. Für 2024 sieht die Prognose besser aus.

Die Bundesregierung hat wegen der Energiepreiskrise ihre Konjunkturprognose deutlich gesenkt. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sprach am Mittwoch in Berlin bei der Vorstellung der Herbstprojektion von "ernsten Zeiten". Laut Prognose erwartet die Regierung in diesem Jahr nur noch ein kleines Wirtschaftswachstum von 1,4 Prozent, im kommenden Jahr dürfte die Wirtschaft um 0,4 Prozent schrumpfen.

In der Frühjahrsprojektion hatte die Bundesregierung noch mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um 2,2 Prozent in diesem Jahr und um 2,5 Prozent im kommenden Jahr gerechnet. "Wir erleben derzeit eine schwere Energiekrise, die sich immer mehr zu einer Wirtschafts- und Sozialkrise auswächst", so Habeck. Für 2024 wird mit einem Wachstum von 2,3 Prozent gerechnet.

Auslöser dieser Krise sei der Angriff des russischen Präsidenten Wladimir Putin auf die Ukraine, so Habeck. Russland hatte Gaslieferungen gestoppt. Dadurch befinden sich die Energiepreise weiterhin auf einem sehr hohen Niveau. "Wir erleben derzeit eine schwere Energiekrise, die sich immer mehr zu einer Wirtschafts- und Sozialkrise auswächst", sagte der Wirtschaftsminister.

Die deutsche Wirtschaft ist besonders anfällig für den Energieschock, da sie in den vergangenen Jahrzehnten eine große Abhängigkeit von Importen russischer fossiler Brennstoffe entwickelt hat. Zuletzt schrumpfte das BIP im Jahr 2020 aufgrund der Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie, davor 2009 während der Finanzkrise.

Die Bundesregierung rechnet mit einer Inflationsrate von 8,0 Prozent im laufenden Jahr und von 7,0 Prozent im kommenden Jahr. Die hohen Preise bremsten die Industrieproduktion. Der Kaufkraftverlust hinterlasse auch Spuren im preisbereinigten privaten Konsum, der im kommenden Jahr rückläufig sein dürfte.

Die Bundesregierung hatte einen Abwehrschirm von bis zu 200 Milliarden Euro angekündigt, um Verbraucher und Unternehmen wegen der stark steigenden Energiepreise zu unterstützen. Davon soll auch die geplante Gaspreisbremse finanziert werden. Diese dämpft laut Prognose Habecks den Anstieg der Verbraucherpreise im kommenden Jahr.

Putins Ziel, so Habeck, sei es, mit hohen Energiepreisen die wirtschaftspolitische Stabilität in Deutschland und Europa zu destabilisieren. Zudem wolle er das gesellschaftliche Fundament brüchig zu machen. Der russische Machthaber werde damit jedoch scheitern - ebenso wie er dabei sei, auf dem Schlachtfeld in der Ukraine zu scheitern.

Deutschland werde das Ziel, die Gasspeicher zu 95 Prozent zu füllen, wahrscheinlich am Donnerstag erreichen, sagte Habeck. Ursprünglich war das Erreichen dieses Ziels erst für Ende November vorgesehen.

Die Empfehlungen der Gaspreiskommission sieht Habeck positiv. "Ich begrüße die Vorschläge ausdrücklich." Die Experten hätten sich zwar für "Pauschalität und Geschwindigkeit" entschieden. Sich aber noch mehr Zeit zu nehmen, um mehr Gerechtigkeit zu erreichen, wäre schlechter gewesen.

Ein großer Teil der Fragen, die Habeck im Anschluss an sein Statement zu beantworten hat, dreht sich um den geplanten Reservebetrieb der zwei süddeutschen Atomkraftwerke, deretwegen der Wirtschaftsminister im Clinch mit der FDP liegt. Eigentlich hätte es vergangene Woche einen Kabinettsbeschluss geben sollen, denn für dafür, dass die beiden AKW wie von Habeck geplant bis maximal April 2023 am Netz bleiben, muss das Atomgesetz geändert werden. Doch die FDP stellt sich quer. FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner fordert, wie auch die Union sowie zahlreiche Wirtschaftsvertreter, einen Weiterbetrieb aller drei verbliebenen Meiler bis mindestens 2024.

Warum Habeck sich so sehr gegen ein Weiterlaufen der AKW wehre, wird er gefragt, wo doch Experten ausgerechnet hätten, dass damit die Strompreise gesenkt werden können. Habeck kontert, dass der Grund für den Reservebetrieb von Isar 2 und Neckarwestheim nicht in erster Linie in der Versorgung mit günstigem Strom liege. Den Strompreis werde die Regierung durch andere Mechanismen begrenzen, die viel wirkungsvoller seien, etwa die Senkung des Gaspreises. Der Gaspreis hängt mit dem Strompreis zusammen, weil Gas nicht nur zur Wärmeerzeugung, sondern auch zur Verstromung genutzt wird und die derzeit sehr teuren Gaskraftwerke den Strompreis in die Höhe treiben.

Das Weiterlaufen der beiden AKW im Winter 2022/2023 sei in erster Linie deshalb erforderlich, weil sie einen kleinen , aber doch relevanten Beitrag leisteten, um die Stabilität des Stromnetzes in Süddeutschland aufrechtzuerhalten. "Die wilde politische Debatte überblendet die eigentliche Herausforderung", so Habeck.

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