Kestert (dpa/lrs) - Spezialkräfte arbeiten nach dem Felsrutsch auf der vielbefahrenen Güterzugstrecke im Mittelrheintal an der Sicherung des Hangs. Wie eine Sprecherin der Deutschen Bahn (DB) am Mittwoch mitteilte, werden unter anderem noch lose Gesteinsbrocken an der Bruchstelle gelöst. Ein Helikopter erkunde das Gelände zusätzlich aus der Luft, hieß es. Außerdem müssten punktuelle Sprengungen an dem Hang durchgeführt werden. Kletterer und Geologen sind demnach bei Kestert unweit des weltberühmten Loreley-Felsens im Einsatz. Einem Experten zufolge sind solche Naturereignisse im Mittelrhein- und auch Moseltal immer wieder möglich.
Am Montagmorgen waren Felsplatten und Geröll auf die rechtsrheinischen Gleise gerutscht. Nach ersten Schätzungen sind laut Bahn dabei „trotz professioneller Fangnetze“ etwa 5000 Kubikmeter Steine und Geröll auf die Bahnstrecke gelangt. Einige der Steine seien bis zu zehn Tonnen schwer, teilte die Bahn mit.
Die Strecke zwischen Loreley und Kamp-Bornhofen bleibt der Bahn zufolge in beiden Richtungen gesperrt. „Sobald der Hang abschließend gesichert ist, kann die Strecke mit schwerem Gerät geräumt und das Material abtransportiert werden“, hatte die Bahn mitgeteilt. Eine „verlässliche Prognose“ dazu, wann die Strecke wieder geöffnet werden kann, sei Ende der Woche möglich. Nach der Räumung wird die DB nach eigenen Angaben „neue Sicherungsmaßnahmen am Hang installieren“. Auch die parallele Bundesstraße 42 blieb nach Angaben der Polizei von Mittwoch weiterhin gesperrt.
Verletzte gab es nicht, auch Fahrzeuge oder Züge wurden nicht getroffen. Der Nahverkehr wendet den Angaben zufolge vor dem jeweils gesperrten Streckenabschnitt, das private Bahnunternehmen VIAS hat zudem einen Ersatzverkehr eingerichtet. Die rechtsrheinischen Gleise sind laut Deutscher Bahn Teil von Europas meistbefahrener Güterzugstrecke zwischen Genua und Rotterdam. Derzeit werden die Güterzüge über die linksrheinische Strecke umgeleitet. Dort könne es bei Personenzügen vereinzelt zu Verspätungen kommen, teilte die Bahn mit.
Im Welterbe Oberes Mittelrheintal mit vielen Steilhängen ist es schon öfters zu Hangrutschen gekommen. Thomas Dreher vom rheinland-pfälzischen Landesamt für Geologie und Bergbau in Mainz sagte der Deutschen Presse-Agentur, solche Naturereignisse seien im Mittelrhein- und Moseltal immer wieder möglich. „Die Gefahr von Felsstürzen, Steinschlägen, Hangrutschen und Moränenabgängen in diesen Flusstälern ist offensichtlich.“
Dreher sagte, das Rheinische Schiefergebirge sei „in sich geklüftet und zerrissen“. Auch noch in blattdünne Spalten der rund 400 Millionen Jahre alten Schieferfelsen dringe Regenwasser ein. „Bei Frost erweitern sich die Klüfte und können plötzlich aufreißen“, erklärte der promovierte Geologe. „In den letzten Monaten hatten wir relativ intensiven Frost, das mag zu dem neuen Felssturz im Rheintal beigetragen haben.“ Zudem könnten sich bei Starkregen, der sich im Klimawandel womöglich häufe, an den Rhein- und Moselhängen „eiszeitliche Überlagerungen aus Löss und ältere Terrassenablagerungen lockern, ins Rutschen kommen und zu Tal stürzen“, ergänzte Dreher.
Rhein- und Moselhänge sind oberhalb der Bahnstrecken und Straßen vielerorts mit Mauern, Fangzäunen und Stahlnetzen gesichert. Regelmäßige technische Prüfungen sollen den stabilen Zustand dieser Schutzvorrichtungen stets gewährleisten.
Auch Satellitenbeobachtung soll Felsstürze verhindern. „Dabei versuchen wir bestimmte Muster zu erkennen, die unter anderem darauf hindeuten, wo etwas ins Rutschen geraten könnte“, erläuterte Dreher. All dies soll auch verhindern, dass im Extremfall zum Beispiel kurz nacheinander an beiden Seiten im Oberen Mittelrheintal Felsen herabstürzen und sämtliche wichtigen Verkehrswege im Flusstal blockieren. „Völlig ausgeschlossen ist das nicht“, sagte der Geologe.
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