Kaufhäuser in Not:Töpfe statt Tempel

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Karstadt geht das Geld aus, weil die Kunden einfach wegbleiben. Doch die klassischen Kaufhäuser haben auch ihre Stärken - sie müssen sie nur nutzen.

Alexandra Borchardt

Vielleicht begann der Niedergang mit einem Wort. "Konsumtempel" ist eines, das Marketingstrategen oder Verkaufsmanager gerne bemühen, wenn sie über Kaufhäuser reden. Doch so viel Weihe bekam dem guten alten Warenhaus gar nicht gut. Der hohe Anspruch hat dazu beigetragen, dass eine traditionsreiche Kette wie Karstadt vor der Insolvenz steht. Nicht mehr Verkäufer mit dem Gespür für den Kunden hatten zuletzt das Sagen, sondern Manager aus der Großindustrie, für die es in den Innenstadtlagen nicht edel genug zugehen konnte.

Die Kunden entscheiden sich immer öfter gegen das klassische Kaufhaus. Dabei haben Karstadt und Co. Stärken, die sie ausspielen können. (Foto: Foto: dpa)

Es sind die Kunden, die das Angebot abgelehnt haben. Weshalb nun Karstadt am Abgrund steht, und in Berlin die Politik darüber nachdenkt, ob der Staat mit einer Bürgschaft einspringen soll. Dies würde wiederum dem Konkurrenten Kaufhof das Geschäft schwermachen, in dem er sich bisher wacker schlägt - weshalb nun über eine Fusion der beiden Ketten spekuliert wird. Doch ob es nun eine Deutsche Warenhaus AG geben wird oder nicht, ist letztlich unbedeutend. Es gilt, das Kaufhaus mit neuen Ideen für die Mittelschicht wiederzubeleben.

Keine Frage, der Niedergang der Kaufhäuser hat viele Gründe. Shopping Center an den Stadträndern, Internet-Händler wie Ebay, Discounter mit breitem Sortiment und Fachmärkte ziehen viele jener Kunden ab, die im vergangenen Jahrhundert auf der Suche nach einem Wasserkocher, Turnschuhen oder Schulheften noch im örtlichen Warenhaus Rolltreppe gefahren sind. Die Zeiten, in denen Verbraucher in jeder mittleren Stadt zwischen Karstadt, Hertie, Wertheim, Woolworth und anderen wählen konnten, werden nicht wiederkommen. Selbst großzügige Staatshilfen könnten nichts daran ändern, dass noch etliche Warenhausfilialen schließen werden.

Einen großen Teil der gegenwärtigen Misere müssen sich Konzerne wie die Karstadt-Mutter Arcandor selbst zuschreiben. Viel zu lange haben sie auf überkommene Konzepte vertraut, zu wenig investiert und, was am schwersten wiegt, sich zu wenig um die Bedürfnisse ihrer Kunden gekümmert. Viele große Häuser verließen sich allein darauf, dass die Konsumenten schon kommen würden. Schließlich besaßen die Konzerne Immobilien in zentralen Lagen. Als die Umsätze zäher flossen, versuchten die Kaufhaus-Manager als Erstes, einige dieser Immobilien zu Geld zu machen. Erst als das auch nicht mehr reichte, holten sie Marketing-Fachleute. Die redeten ihnen ein: Entweder geht ganz billig oder ganz teuer. Die Mitte will niemand mehr.

Und so haben die Kaufhäuser umgebaut. Billig schrieben sie gleich ab; das Geschäft sollten doch Aldi und Co. machen. Von den Markenartiklern ließen sie sich einflüstern, wie sich Marge machen ließe. Statt auf Kleiderständern mit Hosen oder Mänteln, statt in Geschirrregalen mit Porzellan oder Töpfen sortierten die Kaufhäuser ihre Waren nun in sogenannten Markenwelten. Dort präsentiert jeweils ein Hersteller eine Auswahl seiner Produkte. Das ist für den Produzenten großartig, denn er muss sich nicht mehr unmittelbar mit der Konkurrenz vergleichen lassen. Für den Kunden ist es eine Zumutung. Wer schon einmal auf der Suche nach einer blauen Hose oder einer gläsernen Salatschüssel durch Markenwelten geirrt ist, wird so bald nicht wiederkommen.

Anwälte der Kunden

Dabei haben Kaufhäuser Stärken, die sie ausspielen könnten. Die eine, häufig totgesagte, ist das Konzept "alles unter einem Dach". Für die zunehmende Zahl von Menschen, die sich bemüht, Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen, ist Zeit kostbar. Das Kaufhaus kann ihnen eine angemessene Auswahl bei kurzen Wegen bieten - kürzer werden sie nur noch im Internet. Discounter machen vor, dass Kunden auch kleine Sortimente akzeptieren, wenn das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt.

Kaufhäuser könnten außerdem die Anwälte der Kunden sein. Denn anders als die Läden der Hersteller bieten sie gute Möglichkeiten zum Vergleich von Preisen und Qualität. Dies setzt allerdings voraus, dass die Häuser genug Menschen im Verkauf beschäftigen, diese entsprechend schulen und bei Reklamationen hilfsbereit und kulant sind. So manch einer würde sich gerne das Einkaufen im Internet ersparen, fühlte er sich nur in den Läden anständig beraten. Und kaum etwas zählt so viel wie ein loyaler Kunde.

Ein weiterer Vorteil der Kaufhäuser ist ein alter: ihre zentrale Lage. Schließlich geht bei der Entwicklung der Siedlungsstrukturen der Trend zurück in die Stadt. Menschen jeden Alters schätzen sie wieder: die kurzen Wege, das kulturelle Angebot, die Vielfalt der urbanen Zentren. Die Kaufhäuser könnten attraktive Treffpunkte für sie werden - ansprechend gestaltet, vielleicht mit schönen Restaurants, Kinderbetreuung oder Verbraucherberatung ausgestattet.

"Konsumtempel" wie das KaDeWe in Berlin oder Harrods in London haben nur dort eine Chance, wo sie als Touristenmagneten funktionieren. An allen anderen Orten müssen sich die Verantwortlichen überlegen: Schließen wir, oder gelingt es uns, das Kaufhaus zu einem neuen Zentrum zu machen? Dabei sollten sie bedenken, dass viele Menschen gar nicht "shoppen" wollen. Sie möchten nur einkaufen: zügig, gute Qualität, an zentralem Ort und in angenehmer Atmosphäre.

© SZ vom 19.05.2009/lauc/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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