Facebook-Konzern Meta:Soziale Medien sind nicht an allem schuld

Lesezeit: 3 min

Dass die Öffentlichkeit durch Zuckerbergs soziale Plattformen vor die Hunde geht, ist, so scheint es, der letzte verbliebene gesellschaftliche Konsens in der westlichen Welt. (Foto: Dado Ruvic/Reuters)

Die Kritik am Facebook-Konzern Meta ist zu einem Reflex geworden. Ist ja auch schön bequem. Doch mit Regulierungswut lassen sich längst nicht alle Probleme lösen.

Kommentar von Philipp Bovermann

Wenn Mark Zuckerberg die Augen zusammenkneift, kann er sie wahrscheinlich am Horizont schon sehen: Die Kavallerie rückt an, und zwar von allen Seiten. Die EU ist seit Jahren wild entschlossen, die Macht seines Social-Media-Konzerns zu brechen, zwei weitreichende Regelungspakete sind so gut wie fertig. Auch die Amerikaner, bei denen Zuckerberg sich lange durchlavieren konnte, sind inzwischen stinksauer auf ihn. Und das sogar über Parteigrenzen hinweg, was schon etwas heißen will in den USA.

Dass die Öffentlichkeit durch Zuckerbergs soziale Plattformen vor die Hunde geht, ist, so scheint es, der letzte verbliebene gesellschaftliche Konsens in der westlichen Welt. Meta ist Metastase, ist bösartig, da sind sich alle einig. Der Konzern, an dessen bescheuerten neuen Namen man sich so schnell wohl nicht gewöhnen wird, hat sich über die Jahre in etwas verwandelt, das Politiker lieben: ein einfacher Schuldiger für komplexe Probleme.

Vergangene Woche leiteten Generalstaatsanwälte mehrerer US-Bundesstaaten Ermittlungen ein. Meta nehme billigend in Kauf, dass Instagram die psychische Gesundheit von Kindern und "die Öffentlichkeit" gefährde. Wer würde da nicht gerne ein paar ordentliche Watschn verteilen? Aber ganz so eindeutig ist die Lage nicht. Der Konzern selbst hatte untersuchen lassen, wie sich die Fotoplattform auf die psychische Gesundheit junger Menschen auswirkt. Heraus kam: Vielen jungen Mädchen, die sich mit ihrem Körper unwohl fühlen, geht es noch schlechter, wenn sie regelmäßig Zeit auf Instagram verbringen - wo sie sich durch Bilder Yoga machender Fitnessgirls scrollen. Oh Wunder. Aber bekämen sie im Fernsehen nicht auch "Germany's Next Topmodel" zu sehen? Sollte man ihnen also auch den Fernseher verbieten?

Es gibt auch einen Regulierungspopulismus

Meta ist ein Unternehmen, das eine öffentliche Tracht Prügel redlich verdient hat. Dass es diese Untersuchungen unter Verschluss gehalten hat, fügt sich ein in eine viel zu lange Reihe von Entscheidungen, mit denen es seine gesellschaftliche Verantwortung missachtet. Auch heute noch unternimmt der Konzern in Teilen der Welt, die keinen politischen Druck machen, kaum etwas gegen die Verbreitung von Lüge und Hetze. Aufrufe zum Völkermord zirkulieren auf Facebook. Das ist ungeheuerlich. Gleichwohl gilt es, den Zeitpunkt nicht zu verpassen, an dem sich die Kritik an Meta in einen Reflex verwandelt.

Sind etwa an den viel diskutierten gesellschaftlichen Spaltungstendenzen wirklich die "Echokammern" und "Filterblasen" der sozialen Medien schuld? Wenn ja, wie sehr? Darüber ist sich die Sozialwissenschaft längst nicht so einig wie die Tech-Feuilletons. Medienkritik hatte für Politiker und Kolumnisten schon immer etwas Verlockendes: für diffuse Entwicklungen, an deren Ursachen man nicht herankommt (oder herankommen will), einfach das Medium verantwortlich zu machen, in dem sie sich darstellen. Um Regulierung zu fordern, und dann wieder zur Tagesordnung übergehen zu können. Es gibt auch etwas, das man Regulierungspopulismus nennen könnte.

Derweil werden die Armen immer ärmer, die Reichen reicher. Die Zukunft bietet Versprechen nie geahnter Möglichkeiten für die einen, Visionen von Leid und Verderben durch die Klimakatastrophe für die anderen. Sind wirklich nur die sozialen Medien schuld daran, dass die Gesellschaft auseinanderbricht, dass Verunsicherung herrscht? Diese Frage sollte viel öfter, mit mehr Lust auf komplizierte Antworten gestellt werden.

Die Zeit des Wilden Westens ist vorbei

Vielleicht wird das möglich sein, wenn die Kavallerie endlich da ist - es hat ja lang genug gedauert. Vielleicht ist dann Raum dafür. Die Zeit des Wilden Westens in den sozialen Medien geht jedenfalls endlich zu Ende. Mark Zuckerberg hat schon die Koffer gepackt. Er hat seinen Konzern, diese riesige Zauberbude, auf einen Wagen geladen, einen neuen Namen draufgepinselt und fährt damit nun weiter gen Westen. Datenbrillen sollen die Smartphones ersetzen, eine dreidimensionale virtuelle Welt entstehen. Wenn ihm die Flucht gelingt, ist er dort erst mal sicher vor der Kavallerie. Die Gesetzgebung wird den neuen digitalen Realitäten wohl wieder um mindestens zehn Jahre hinterherhinken.

Man darf aber davon ausgehen, dass auch die Datenbrillen wieder schuld daran sein werden, dass keiner mehr seriösen Politikern glaubt oder junge Frauen sich zu dick finden.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: