Insolvenz des Flughafens Lübeck-Blankensee:Wie in einem billigen Drehbuch

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Seit Oktober 2013 haben die Investoren weder Pacht noch Miete überwiesen. (Foto: Maja Hitij/dpa)

Ein Investor aus Saudi-Arabien soll den Flughafen Lübeck-Blankensee übernehmen und sanieren. Doch dann wechselte der Eigentümer - heimlich. Nun sind die Chefs verschollen, der Hansestadt droht Ärger - und der Airport steht vor der Pleite.

Von Kristina Läsker, Hamburg

Der Investor aus Saudi-Arabien? Abgetaucht. Der Flughafen-Chef? Verschollen. Der Bürgermeister? Hat just eingestanden hat, dass der Stadt 189 000 Euro Pacht und Miete fehlen und kann das auch nicht so recht erklären. Die Mitarbeiter? In Sorge um ihre Löhne und Jobs. Ein Retter? Nicht in Sicht. Was wie ein billiges Drehbuch für die in Lübeck gedrehte Vorabendserie " Morden im Norden" klingt, ist zur bitteren Realität rund um den Flughafen Lübeck-Blankensee geworden.

Am Mittwoch hat das Amtsgericht Lübeck vorläufige Insolvenz für den Regionalflughafen beantragt. Zuvor hatten Gläubiger Druck gemacht, weil sie seit Monaten auf ihr Geld warten. Jetzt verpflichtete das Gericht den Hamburger Anwalt Klaus Pannen als Insolvenzverwalter und Ex-Chef Siegmar Weegen als Notgeschäftsführer. Beide sollen das Chaos aufklären, das seit Monaten vor den Toren Lübecks brodelt und das der verschuldeten Hansestadt teure Probleme bescheren dürfte.

Fest steht: Der knapp 100 Jahre alte Airport mit den gut 100 Mitarbeitern ist in finanzielle Schieflage geraten. Noch ist nicht klar, ob und wann das Aus droht. Aber um das Verwirrspiel besser zu verstehen, muss man vielleicht etwas zurückgehen. In den November 2012, als es plötzlich neue Hoffnung für den Flughafen gab.

Retter aus dem Nahen Osten

Damals gehörte der Airport Lübeck-Blankensee noch der Stadt und riss jedes Jahr tiefe Löcher in den klammen Haushalt. 2011 hatte der Flughafen einen Rekordverlust von 6,5 Millionen Euro aufgehäuft und kämpfte dagegen an, dass immer weniger Passagiere kamen.

Die Stadt suchte händeringend nach Investoren - und die Retter kamen aus dem Nahen Osten. Die Firma 3 Y Logistic und Projektbetreuung GmbH bewarb sich als einer von mehreren Interessenten für den Flughafen. Hinter dem Betrieb steckte der Gesellschafter Adel Mohammed Alghanmi, ein reicher Industrieller aus Saudi-Arabien. Alghanmi lockte mit viel Geld: Er versprach, gut 20 Millionen Euro in den Flughafen zu stecken.

Alghanmi bequemte sich selbst gar nicht nach Schleswig-Holstein: Er schickte den deutsch-ägyptischen Investor Mohamad Rady Amar vor. Der versprach mit charmantem Lächeln Wunder wie aus dem Morgenland: neue Jobs, neue Flugziele, neue Fluggesellschaften und ein neues Kongresshotel. Alles neu, alles schön. Für die Politiker der stolzen Hansestadt muss das verlockend geklungen haben. Zumal sie seit Jahren versuchen, dem 70 Kilometer nahen Flughafen Hamburg zu trotzen.

3 Y und ihre Firmentochter Yasmina Flughafenmanagement erhielten den Zuschlag. Für einen symbolischen Euro übernahmen sie Ende 2012 den Flughafen und mit ihm üppige Geschenke. Die Stadt behielt den Schuldenberg und schenkte auch noch die Straßen zum Flughafen und etliche Hektar Ausgleichsfläche dazu. So erleichtert waren sie, das Sorgenkind vermeintlich los zu sein.

Doch das war ein Irrtum. Denn die Investoren haben wenig bewegt und den Flughafen stattdessen weiter heruntergewirtschaftet. Zahlen gibt es noch keine, doch im vergangenen Herbst bekam die Stadt die ersten Ausläufer zu spüren. Seit Oktober 2013 haben die Investoren weder Pacht noch Miete überwiesen. Doch niemand schlug Alarm, es blieb bei einem Mahnverfahren. Das musste SPD-Bürgermeister Bernd Saxe Mitte April in einer Sitzung mit den Fraktionsvorsitzenden eingestehen.

Die Mitarbeiter bekamen die Not zu Frühlingsbeginn richtig zu spüren. Das März-Gehalt kam neun Tage zu spät. Zugleich gab es ein Rundschreiben an die Belegschaft, dass sich Gesellschaft und Airport in "schwerem Fahrwasser" befänden. Das April-Gehalt ist bis heute nicht überwiesen.

Ende März schließlich legte Flughafen-Chef Siegmar Weegen sein Amt nieder - aus gesundheitlichen Gründen. Er übergab die Führung offiziell an Mohamad Rady Amar. Wie es dann weiterging, wissen Politiker und Mitarbeiter nur teilweise. Für Rätselraten sorgen mehrere Einträge im Handelsregister. Daraus geht hervor, dass Adel Mohammed Alghanmi kein Gesellschafter mehr ist. Auch Mohamad Rady Amar hat seine Chefposten im April nach und nach abgegeben.

Justiz prüft, ob sie wegen Insolvenzverschleppung ermitteln muss

Neuer Inhaber und Geschäftsführer ist laut Registerauszug der Berliner Geschäftsmann Adam Wagner, als Prokurist wird Michael Glück angegeben. Doch die Männer machen sich rar. Am Flughafen seien sie noch nicht aufgetaucht, sagt die Airport-Sprecherin. Auch die Stadt hat sie nicht gefunden. "Trotz verschiedener Versuche" gebe es weder zum alten noch zum neuen Eigentümer Kontakt, sagt Bürgermeister Saxe. Briefe seien als "unzustellbar" zurückgekommen.

Doch was jetzt? Am Donnerstag ist Insolvenzverwalter Pannen als Erstes nach Lübeck-Blankensee gefahren, um nach dem Rechten zu sehen und die Mitarbeiter zu beruhigen. Durch die vorläufige Insolvenz ist das Überleben für die nächsten drei Monate gesichert, die Gehälter werden von der Bundesagentur für Arbeit übernommen.

Der Flugverkehr gehe zunächst ungehindert weiter, versprach Anwalt Pannen. "Ich gehe davon aus, dass es für Passagiere zu keinen Einschränkungen kommen wird." Nach wie vor nutzen nur zwei Billigfluggesellschaften den Standort, es gibt dort nur wenige Flüge pro Tag: Die ungarische Wizz Air steuert Danzig und Kiew an. Die irische Ryanair bietet Verbindungen nach Bergamo, Pisa und Palma de Mallorca. Im Jahr 2013 wurden etwa 368 000 Passagiere abgefertigt.

In der Stadt sind sie derweil um Aufklärung bemüht. So prüft die Staatsanwaltschaft, ob sie Ermittlungen wegen Insolvenzverschleppung aufnehmen soll. Doch das sei "reine Routine", sagt Oberstaatsanwalt Ralf Peter Anders. Auch in der Bürgerschaft wollen sie nachvollziehen, was eigentlich passiert ist. Der Ärger in der Opposition ist groß: CDU-Fraktionschef Andreas Zander wirft dem Bürgermeister vor, "die politischen Gremien bewusst über das Ausmaß der Zahlungsausfälle getäuscht zu haben". In einer Sondersitzung des Haushaltsausschusses am nächsten Dienstag will Saxe weitere Details vorlegen.

Die Hansestadt könnte dieser Ausflug ins Morgenland noch viel Geld kosten. Geld, das Lübeck nicht hat. In den vergangenen 15 Jahren seien neun Millionen Euro Fördergelder vom Land Schleswig-Holstein in die Infrastruktur des Flughafens geflossen, teilte die Stadt auf Anfrage der SZ mit. Müssen diese Gelder in voller Höhe an das Land zurückgezahlt werden? Und wer zahlt? Alles ist offen.

© SZ vom 25.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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