Gewerkschaftsforderung:Gipfel für mehr Impfstoff

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Eine Krankenschwester bereitet Impfstoff vor: Der Gewerkschaftschef der IG BCE setzt darauf, dass Firmen bei der Impfstoff-Produktion stärker zusammenarbeiten. (Foto: Daniel Derajinski/imago images)

Noch mehr Firmen sollen sich an der Produktion beteiligen. Die Chemie-Gewerkschaft warnt vor einem Lockdown der gesamten deutschen Industrie.

Von Alexander Hagelüken, München

Die Chemie-Gewerkschaft fordert ein Gipfeltreffen, um mehr Corona-Impfstoff herzustellen. "Es gibt Firmen, die man ansprechen kann, zusätzliche Produktion aufzubauen", sagt Michael Vassiliadis, Chef der IG BCE. "Die Pandemie zeigt, dass wir zwar in der Forschung oben mitspielen, es aber an Produktionskapazitäten fehlt". Vassiliadis warnt davor, wegen der steigenden Infektionen Fabriken zu schließen und lehnt eine Homeoffice-Pflicht ab.

Der Gewerkschaftschef setzt darauf, dass Firmen stärker zusammenarbeiten, wie dies Bayer und die Impfstofffirma Curevac angekündigt haben. Man könne nicht aus jedem Chemiebetrieb einen Pharmahersteller machen, aber "viele Dinge sind dort von der Kompetenz und den Bedingungen her machbar". Die Pharmabranche sei zu lange als Kostentreiberin im Gesundheitssystem verunglimpft worden.

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Vassiliadis spricht sich zudem für einen europäischen Pharma-Pakt aus, bei dem Gesundheitswirtschaft, Politik und Sozialpartner Konzepte vereinbaren sollen, um den für die Bevölkerung so zentralen Wirtschaftszweig zu stärken. "Wir brauchen jetzt ein europaweit abgestimmtes Vorgehen, damit Spitzenforschung, sichere Wertschöpfungsketten und Massenproduktion gefördert werden."

Dabei soll sich der Staat stärker finanziell engagieren, wie es die Bundesregierung bei den Impfstoffentwicklern Biontech und Curevac getan habe - und dies an Bedingungen knüpfen: Etwa eine Produktion in Europa sowie Tarifverträge. "Da hat gerade die Biotech-Branche noch Luft nach oben." Europa sei bei zentralen Wirkstoffen abhängig von Asien. "Mittelfristig wäre eine regionale Produktion in Europa wichtig."

Die Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie vertritt deutschlandweit 600 000 Arbeitnehmer. Vassiliadis nennt Vorstöße für einen Lockdown der Industrie angesichts hoher Infektionen weltfremd. "Dies würde schnell einen Versorgungsnotstand nach sich ziehen." Die Gewerkschaft habe mit den Firmen tragfähige Hygienepläne erarbeitet. In den Großanlagen lasse sich der Abstand problemlos einhalten, die Ansteckungszahlen in den Betrieben seien marginal: "In vielen Großanlagen sind die Beschäftigten sicherer als vor dem Werkstor."

Die Gewerkschaft habe zusammen mit den Firmen die maximale Ausnutzung des Arbeitens von Zuhause ermöglicht. Alle Firmen müssten radikal prüfen, welche Bürobeschäftigten noch im Betrieb sein müssten. Eine Homeoffice-Pflicht sei aber nicht praktikabel, weil zu viele Ausnahmen nötig wären. Vassiliadis sieht im Arbeiten Zuhause auch Probleme. "Was heißt das, wenn jemand mit Laptop zwischen Wickeltisch und Kochherd eingeklemmt ist?" Die Arbeitnehmervertreter erreichten die Mitarbeiter im Homeoffice zudem schwerer - und Firmen verweigerten den digitalen Zugang. Deshalb wolle die IG BCE ihr grundgesetzliches Zugangsrecht zu den Arbeitnehmern nun etwa bei Adidas gerichtlich durchsetzen.

Die Corona-Krise trifft die Industriebranchen sehr unterschiedlich. Während Chemie und Pharma stabile Geschäfte machen, stecken etwa die Autozulieferer im Strukturwandel. Vassiliadis schlägt generell für die Industrie einen kreditfinanzierten Transformationsfonds über 120 Milliarden Euro für Klimaprojekte, besonders betroffene Firmen sowie Forschung und Entwicklung vor.

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