Corona-Impfstoff:Warten auf das neue Vakzin

Lesezeit: 3 min

Zur Herstellung des Corona-Impfstoffes von Biontech hat Dermapharm beträchtliche Kapazitäten aufgebaut. (Foto: Andreas Stedtler/Mitteldeutsche Zeitung)

Dermapharm gehört zu den Firmen, die für Biontech den Impfstoff oder Komponenten produzieren. Weit mehr als eine halbe Milliarde Dosen kann die Münchner Firma im Jahr herstellen. Ein Besuch.

Von Elisabeth Dostert, Grünwald

Der Anruf von Biontech erreichte die Kollegen von Hans-Georg Feldmeier in Brehna im Mai 2020. Die Pharmawelt ist manchmal ziemlich klein. Das Mainzer Unternehmen Biontech hat in Halle eine Tochterfirma, die Firma Dermapharm aus Grünwald bei München, deren Chef Feldmeier ist, eine im wenige Kilometer entfernten Brehna. In der Branche weiß man, was der andere kann und tut. Auch dass sich Dermapharm mit Lipiden auskenne und eine sterile Produktion in Brehna habe. Genau das, was Biontech im Frühjahr 2020 für seinen potenziellen Impfstoff gegen das Coronavirus suchte. "Ende September 2020 produzierten wir die ersten Chargen", erzählt Feldmeier: "Auch wir sind ins Risiko und in Vorleistung gegangen." Zugelassen wurde der Impfstoff, den Biontech mit seinem Partner Pfizer entwickelt hat, dann im Dezember 2020, erst in den USA und wenig später in der Europäischen Union.

Dermapharm gehört zu dem Schwarm von Firmen, die Biontech umgeben und ohne die die Impfstoffproduktion vermutlich nicht so schnell hätte hochgefahren werden können. In Brehna und am Standort Reinbek nahe Hamburg könne Dermapharm bis zu 580 Millionen Dosen Impfstoff pro Jahr produzieren. "Die Kapazitäten haben wir aber nicht immer voll ausgenutzt", sagt Feldmeier. Bei Dermapharm erfolgen Formulierung, Abfüllung und Verpackung. Zur Formulierung gehört, dass der Wirkstoff, die mRNA, in Lipide gehüllt wird. In Brehna und Reinbek könne auch der auf Omikron-Varianten angepasste Impfstoff hergestellt werden, sagt Feldmeier. Biontech und Pfizer haben schon die Zulassung des auf die Varianten BA.4 und BA.5 angepassten Vakzins bei den Behörden in den USA und der EU eingereicht. Das Vakzin werde, so die beiden Unternehmen, schon kurz nach der Genehmigung bereitstehen.

Über solche Erfolge redet Feldmeier, der auch Vorsitzender des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI) ist, gern, weil sie doch zeigten, wozu die deutsche Pharmaindustrie fähig sei. Er mag es aber nicht, wenn Dermapharm auf die Arbeit für Biontech reduziert wird. Dermapharm habe von der Impfstoffproduktion profitiert, das stimmt. Der Aktienkurs der im Nebenwertesegment S-Dax notierten Firma legte kräftig zu, bis auf gut 90 Euro Anfang November 2021. Mittlerweile kostet das Papier rund 48 Euro. Der Umsatz legte 2021 um fast 19 Prozent auf knapp 943 Millionen Euro zu und das operative Ergebnis um fast 120 Prozent auf knapp 300 Millionen Euro. Wie viel der Biontech-Impfstoff beisteuerte, mag Feldmeier nicht preisgeben. Er fällt unter den Posten "Markenarzneimittel und andere Gesundheitsprodukte", die gut zwei Drittel zum Umsatz des Konzerns beisteuern. Nahezu acht Prozent entfallen auf pflanzliche Extrakte und rund ein Viertel auf sogenannte Parallelimporte. Über die Tochter Axicorp importiert Dermapharm Originalarzneimittel aus anderen EU-Staaten, die dort günstiger angeboten werden, und bringt sie - umverpackt und mit einem deutschen Beipackzettel - in Deutschland auf den Markt.

Im Portfolio von Dermapharm stecken ein paar Hundert Produkte, zu den bekannteren zählen Vitamin-D-Präparate wie Dekristol, Antibabypillen wie Madinette, Nahrungsergänzungsmittel wie Silicea und das Sonnenschutzmittel Tiroler Nussöl, das laut Feldmeier nicht mehr sonderlich beworben wird, sich in Tirol aber immer noch gut verkauft. Oder ein Stift, der mit Hitze den Juckreiz nach Insektenstichen lindern soll. Um sein Sortiment zu erweitern, hat der Konzern immer wieder einzelne Produkte oder ganze Firmen übernommen, wie jüngst die auf pflanzliche Arzneimittel spezialisierte französische Firma Arkopharma - für 450 Millionen Million Euro. Feldmeier macht keinen Hehl daraus, dass sich Dermapharm solche Zukäufe auch wegen der zusätzlichen Ergebnisbeiträge durch die Impfstoffproduktion leisten konnte.

Allzu umkämpfte Märkte meidet der Konzern

Die meisten Arzneimittel, die Dermapharm biete, seien verschreibungspflichtig. Entweder handele es sich um das Originalpräparat, das keinen Patentschutz mehr habe, oder ein von Dermapharm entwickeltes Nachahmerprodukt, ein Generikum. Allzu umkämpfte Arzneimittelmärkte meidet Feldmeier: "Wir suchen die Nischen." Das sind für ihn zum Beispiel Arzneimittel, für die es keine Rabattverträge mit den gesetzlichen Krankenkassen gibt oder kaum Konkurrenten, oder Produkte für Selbstzahler wie die Antibabypillen, die werden zwar vom Arzt verschrieben, aber Frauen ab 22 Jahren müssen das Verhütungsmittel selbst zahlen.

Neben dem Hauptstandort in Brehna betreibt Dermapharm nach eigenen Angaben weitere Standorte innerhalb Europas, vorrangig in Deutschland sowie den USA. Etwa die Hälfte der Wirkstoffe beziehe der Konzern aus Asien. "Es gibt noch pharmazeutische Produktion in Europa und auch in Deutschland. Aber die sollte nicht weiter kaputtgemacht werden", sagt Feldmeier: "Eine weitere Abwanderung muss verhindert werden."

Im Moment sieht es allerdings so aus, als würde der Druck auf die Arzneimittelhersteller noch steigen. So jedenfalls wertet Feldmeier den Ende Juli vom Bundeskabinett beschlossenen Entwurf zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz. So soll, das ärgert Feldmeier besonders, das Preismoratorium über 2022 hinaus um vier Jahre verlängert werden. Seit 2010 seien die Preise für zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnete Arzneimittel auf dem Stand vom Herbst 2009 eingefroren, seit Sommer 2018 erhalten die Hersteller einen Inflationsausgleich. Das Moratorium gilt nicht für Medikamente, für die ein Festbetrag gilt, und neue Arzneimittel, deren Preisbildung auf dem Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (Amnog) basiert.

"Mit uns hat niemand geredet", sagt Feldmeier. Und mit "uns" meint er in diesem Fall seinen Verband, den BPI. Er habe wiederholt um einen Termin bei Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach gebeten. Einsparpotenziale sieht Feldmeier nicht bei den Arzneimitteln, sondern woanders, zum Beispiel in der stärkeren Digitalisierung des Gesundheitssystems oder einer besseren Prophylaxe, weil dies Folgekosten verhindere. Zumindest einen Termin bei Lauterbach hat Feldmeier jetzt - am 5. September. Aber große Hoffnungen, dass sich am Regierungsentwurf noch groß etwas ändert, hat er nicht.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMittelstand
:Weshalb Herr Stoffels nicht mehr nach China gehen würde

Vor wenigen Jahren zog China deutsche Firmen noch scharenweise an. Doch inzwischen macht der größte Markt der Welt vor allem Probleme.

Von Florian J. Müller

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: