Immobilien:Umzug ins Verlies

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Wer eine Immobilie kaufen möchte, muss Abstriche machen - in den USA noch mehr als in Deutschland. (Foto: All mauritius images/mauritius images / SuperStock)

Zwei Drittel der US-Käufer würden angesichts hoher Immobilienpreise und Kreditzinsen in ein spukendes Haus ziehen, behauptet eine Studie. Und in Deutschland?

Von Felicitas Wilke, München

Vom Dachboden erklingen unheimliche Geräusche? In der Badewanne lauert ein Gespenst? Egal, Hauptsache "Lage, Lage, Lage"! So lässt sich eine Umfrage zusammenfassen, die das US-Immobilienportal Zillow kurz vor Halloween veröffentlicht hat. Demnach würden mehr als zwei Drittel der Befragten in ein spukendes Haus ziehen, wenn es sonst ihre Wunschkriterien erfüllt.

Nun muss man eine Studie, in der es nur so wimmelt vor Gruselmetaphern, nicht ernster nehmen als nötig. Und doch ist das Phänomen dahinter, das Zillow für die USA beschreibt, pardon, erschreckend wahr: Die Preise für Immobilien sind im vergangenen Jahrzehnt stark gestiegen. Gleichzeitig gingen zuletzt auch noch die Zinsen für Immobilienkredite deutlich nach oben, in den USA für Darlehen mit 30-jähriger Laufzeit auf fast acht Prozent. Für viele Menschen ist es in dieser Gemengelage unmöglich, eine Immobilie zu finanzieren, die ohne großen Haken daherkommt. Ein Zillow-Analyst spricht von einem "Hexengebräu".

Auch in Deutschland haben sich die Zinsen in den vergangenen zwei Jahren vervierfacht, wenn auch auf deutlich niedrigerem Niveau. Doch auch hier sollte man überdurchschnittlich gut verdienen oder geerbt haben, wenn man eine Wohnung in halbwegs attraktiver Lage kaufen will. Denn je mehr Eigenkapital ein Käufer mitbringt, desto weniger muss er sich verschulden. Sonst bleibt nur der Umzug ins Geisterhaus. Oder?

In Deutschland bekommen Verkäufer derzeit nicht mehr jeden denkbaren Preis für ihr Haus

So viel stellt Stephan Kippes, Professor für Immobilienmarketing an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen, schon mal klar: Gruselhäuser gibt es, dafür müsse man nicht an Spukgestalten glauben. In der Fachsprache heißen sie "Problemimmobilien" und haben gemeinsam, dass auf ihrer Vergangenheit oder Lage ein Schatten liegt. In einer Immobilie, in der sich der Vorbesitzer das Leben genommen hat oder ein Verbrechen geschehen ist, will kaum jemand gerne leben. "Problematisch ist auch eine laute Bundesstraße vor der Tür oder wenn das Haus in der Einflugschneise eines Flughafens liegt", sagt Kippes. Eine Wohnung ohne Garten, Terrasse oder Balkon gilt im Fachterminus als "gefangene Wohnung". Quasi ein Verlies.

Tatsächlich beobachten Banken und Kreditvermittler, dass Kaufinteressierte hierzulande wegen der gestiegenen Zinsen eher Kompromisse eingehen. Der Balkon fällt weg, aus der zentrumsnahen Wunschlage wird der Speckgürtel, erträumte 180 Quadratmeter für die Familie schrumpfen auf 120 zusammen. Doch gleichzeitig schätzt Immobilienexperte Kippes die Situation auf dem hiesigen Markt nicht so ein, wie es Zillow für die USA analysiert. "Noch vor zwei, drei Jahren haben die meisten Käufer einer Immobilie fast alles verziehen", sagt Kippes. "Das ist heute anders." Denn die gestiegenen Zinsen haben auch zur Folge, dass potenzielle Käufer eher abwarten. Verkäufer bekommen plötzlich nicht mehr jeden denkbaren Preis für ihr inseriertes Haus. Es dauert wieder länger, bis Immobilien einen neuen Eigentümer finden.

Und doch finde meist auch ein Gruselhaus seinen passenden Käufer. "Das Haus direkt an der Bahntrasse braucht gar nicht viele Interessenten, sondern nur einen Zugfan, der zuschlägt", sagt Kippes. Was man als gruselig empfindet, ist wie so vieles Geschmackssache.

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