Frankfurt am Main:Reiterhof und Frachtschiff: Hessen erbt jedes Jahr Millionen

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Was passiert eigentlich mit Nachlässen, die von den Erben ausgeschlagen werden oder wenn nach einem Todesfall keine Angehörigen ermittelt werden können? In...

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Wiesbaden (dpa/lhe) - Was passiert eigentlich mit Nachlässen, die von den Erben ausgeschlagen werden oder wenn nach einem Todesfall keine Angehörigen ermittelt werden können? In solchen Fällen kann das Land, in dem der Verstorbene seinen Lebensmittelpunkt hatte, als Erbe eintreten. Im vergangen Jahr wurden allein in Hessen 788 neue sogenannte Fiskalerbschaften festgestellt, wie eine Sprecherin der zuständigen Oberfinanzdirektion in Frankfurt mitteilte.

Die entsprechenden Nachlässe lösten allerdings nur selten Begeisterung bei den Mitarbeitern der Behörde aus: Häufig seien es überschuldete oder baufällige Immobilien, erklärt die Sprecherin. „Zahlreiche Objekte unterliegen einem Nachlassinsolvenz- oder Zwangsversteigerungsverfahren oder fallen nur anteilig in den Nachlass.“

„Aufgrund der immer älter werdenden Gesellschaft, zahlreicher verschuldeter Privathaushalte sowie der immer größer werdenden Anzahl von alleinlebenden Menschen nimmt die Anzahl solcher Fiskalerbschaften zu“, sagte Alexander Hoffmann, Sprecher des Landesbetriebs Bau und Immobilien Hessen (LBIH). Der LBIH verwaltet und vermarktet die geerbten Grundstücke.

3711 geerbte Grundstücke befanden sich Ende des vergangenen Jahres im Bestand des Landes Hessen, 674 davon bebaut. Ein Jahr zuvor waren es 3469 solcher Flächen. Die Erbschaften bilden die gesamte Grundstücks-Palette ab: Diese reicht nach Angaben der Oberfinanzdirektion von Einfamilienhäusern, Eigentumswohnungen, großen Industriebrachen, verlassenen Kurkliniken bis hin zu Anteilen an Waldflächen.

„Die Nachlässe umfassen regelmäßig auch Schmuckstücke, Musikinstrumente, Haustiere, Urheberrechte, alte Fahrzeuge, Segeljollen oder einen kompletten Hausrat“, erklärte die Sprecherin der Oberfinanzdirektion. Auch ein kaputtes Frachtschiff auf dem Rhein und ein Reiterhof im Main-Kinzig-Kreis seien schon vererbt worden.

„Der Großteil der Erbfälle ist durch eine Erbausschlagung begründet“, sagte die Sprecherin der Behörde. Denn der Erbe haftet nach Annahme einer Erbschaft auch für die Verbindlichkeiten des Nachlasses mit seinem gesamten Vermögen, weshalb häufig ausgeschlagen werde.

In solchen Fällen sei es wichtig, dass sich jemand um die herrenlosen Grundstücke kümmert und die Gläubiger einen Ansprechpartner haben, um womöglich einen Teil ihrer Forderungen zurückzubekommen. Der Staat als sogenannter „Zwangserbe“ übernimmt bei einer Fiskalerbschaft diese Funktion.

Für die Verwaltung der Nachlässe nimmt das Land jährlich Millionensummen in die Hand: Die Ausgaben umfassten unter anderem die Kosten für Sicherheits- und Baumaßnahmen oder die Beseitigung von Umweltschäden, sagte die Sprecherin. Im vergangenen Jahr lagen die Kosten für die Nachlassverwaltung bei etwa 2,9 Millionen Euro. Bei Erlösen von rund 3,5 Millionen Euro kam das Land nach Behördenangaben auf ein (rechnerisches) Plus von 0,6 Millionen Euro.

Hierbei gelte es jedoch zu beachten, sagte die Sprecherin, dass das tatsächliche Plus deutlich unter den angegebenen Überschüssen lag, da die entstandenen Sach- und Personalkosten der beteiligten Landesbehörden bei der Rechnung nicht berücksichtigt wurden.

„Wir haben zunehmend Probleme mit Schrottimmobilien“, sagte Karl-Christian Schelzke, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds in Hessen. Es handele sich bei den Fiskalerbschaften häufig um Gebäude, die ganz erheblich das Stadtbild beeinträchtigten. „Niemand will in eine Gegend ziehen, in der mehrere solcher maroden Immobilien stehen“, erklärte Schelzke. Gerade auf dem Land sei die Thematik schon lange sichtbar und verschärfe das Problem, dass für viele Menschen aus den Ballungsgebieten der ländliche Raum keine Wohnalternative sei.

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