Hypo Real Estate:Sündenbock Steinbrück

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Harte Vorwürfe gegen Peer Steinbrück: Mit seiner Äußerung über eine "Abwicklung" der HRE soll der Finanzminister die Lage des Immobilienfinanzierers verschlimmert haben.

Klaus Ott

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) soll mit seiner Aussage, die Hypo Real Estate (HRE) werde "abgewickelt", die Krise des Kreditinstituts verschärft haben. Dieser Vorwurf ergibt sich nach Informationen der Süddeutschen Zeitung aus einem von der früheren HRE-Spitze in Auftrag gegebenen Bericht. Der Bericht stammt von der Rechtsanwaltskanzlei Shearman & Sterling: Sie war vom alten, inzwischen abgelösten HRE-Vorstand beauftragt worden, den Ablauf der Krise darzustellen.

Wer trägt die Schuld am HRE-Desaster? In einem Bericht einer Anwaltskanzlei werden Vorwürfe gegen Finanzminister Steinbrück laut. (Foto: Foto: AP)

Im Finanzministerium wurden die Vorwürfe zurückgewiesen. Eine Mitverantwortung Steinbrücks für die HRE-Krise sei "abwegig", sagte ein Sprecher.

Steinbrück hatte am 29. September 2008 nach einer ersten Rettungsaktion für die HRE öffentlich von einer "geordneten Abwicklung" der Bank gesprochen. Das soll, so argumentiert die Kanzlei im dem bislang unveröffentlichten Bericht, die Lage des bis heute um seine Existenz kämpfenden Kreditinstituts zu verschlimmern. Welche Folgen Steinbrücks Äußerung gehabt hat, soll auch der HRE-Untersuchungsausschuss im Bundestag klären, der voraussichtlich diese Woche auf Betreiben von FDP, Grünen und der Linken eingesetzt werden wird.

"Überraschende" Äußerung

Die Opposition will herausfinden, ob Steinbrück, dessen Ministerium oder die Bankenaufsicht im Umgang mit der Krisenbank Fehler gemacht haben und dies den Staat und die Steuerzahler zusätzliches Geld kosten könnte. Die in München ansässige Immobilien- und Pfandbriefbank wird vom Bund mit Garantien in Höhe von 87 Milliarden Euro gestützt. Außerdem ist in Kürze eine Kapitalzufuhr in Höhe von bis zu zehn Milliarden Euro erforderlich.

Der Bericht von Shearman & Sterling datiert vom 21. Oktober 2008. Die Anwaltskanzlei schildert darin auch die Ereignisse nach der ersten, 35 Milliarden Euro teuren Rettungsaktion von Ende September 2008, der binnen einer Woche ein zweites Hilfspaket mit zusätzlichen Kreditlinien von noch einmal 15 Milliarden Euro folgte.

In dem Bericht heißt es, Steinbrücks Äußerung von einer "geordneten Abwicklung" der Bank sei für die HRE "überraschend" gewesen, da man von einer Fortführung der Geschäfte ausgegangen sei. Noch am selben Tag habe die Rating-Agentur Standard & Poor's die HRE herabgestuft. Vertreter von Standard & Poor's hätten gegenüber der HRE angegeben, Steinbrücks Äußerung seien "mitursächlich" für ein schlechteres "Kurzfrist-Rating" gewesen. Zu welchen Konditionen sich Banken Geld leihen können, hängt auch von deren Bewertung durch solche Agenturen ab.

Lesen Sie im zweiten Teil, welche Wirkungen Steinbrücks Aussagen offenbar hatten - und was der Beschuldigte selbst sagt.

In dem Bericht heißt es weiter, bei der HRE seien damals andere, negative Effekte hinzugekommen. "All das" - also einschließlich der Folgen von Steinbrücks Aussage - habe dazu geführt, dass sich die Geschäftsbedingungen für die Bank "unerwartet und drastisch verschlechtert" hätten. Vertragspartner der HRE hätten fällige Zahlungen hinausgezögert, zusätzliche Sicherheiten verlangt oder Kreditlinien gestrichen.

Investoren wie etwa Pensionskassen seien teils aufgrund ihrer eigenen Richtlinien dazu gezwungen gewesen, wegen der Rating-Herabstufung Geld von der HRE abzuziehen. Diese und weitere Effekte hätten dazu geführt, dass der Bank binnen weniger Tage zusätzlich noch einmal mehr als zehn Milliarden Euro gefehlt hätten, schreibt Shearman & Sterling.

In dem Bericht der Anwaltskanzlei heißt es auch, die Bankenaufsichtsbehörde Bafin habe am 2. Oktober 2008 die HRE beschuldigt, bei den Verhandlungen über das erste Rettungspaket "falsche Zahlen" geliefert zu haben. Dazu sagte ein Sprecher Steinbrücks, die Bafin habe damals deutlich gemacht, dass "die HRE bei der ersten Rettungsaktion nicht ausreichend über alle relevanten Fakten berichtet hat". Dem seinerzeitigen Vorstand der HRE hätten diese Fakten aber bekannt gewesen sein müssen.

"Falsche Zahlen"

Der Sprecher des Bundesfinanzministers erklärte zudem, für die desolate Lage der HRE sei "allein der ehemalige Vorstand und niemand anders" verantwortlich. Die damalige HRE-Spitze um Konzernchef Georg Funke habe durch Missmanagement "die jetzt von den Steuerzahlern zu bereinigende Situation der HRE herbeigeführt". Der alte Vorstand habe dann versucht, seine Verantwortung mit anwaltlichen Stellungnahmen auf andere abzuwälzen. "Diese Versuche sind untauglich und haben erkennbar bestellte Aussagen produziert", erklärte der Sprecher.

Die HRE teilte auf Anfrage mit, der Bericht von Shearman & Sterling sei seinerzeit nicht fertiggestellt worden. Die Kanzlei erhebe darin keine Vorwürfe gegen Steinbrück oder andere Personen beziehungsweise Institutionen. Der Bericht der Anwaltskanzlei sei dem damaligen Aufsichtsratschef Klaus Pohle zur Verfügung gestellt worden und habe "Eingang gefunden" in eine noch laufende Untersuchung etwaiger Verstöße des ausgeschiedenen Vorstandschefs Funke und eines weiteren Ex-Vorstands.

Funke war am 7. Oktober 2008 zurückgetreten, nachdem Steinbrück am Tag zuvor von ihm persönliche Konsequenzen aus dem HRE-Desaster gefordert hatte. Ende 2008 kündigte die HRE den noch bis September 2012 laufenden Vertrag Funkes fristlos. Der Ex-Vorstandschef klagt dagegen vor Gericht.

© SZ vom 21.04.2009/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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