Raumfahrt:Deutsche Gründer starten Rakete mit Kerzenwachs

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Start der Trägerrakete SR75 von HyImpulse am Freitag in Koonibba/Südaustralien. (Foto: Hyimpulse/dpa)

Dem Start-up Hyimpulse aus Heilbronn gelingt der erste Testflug einer kommerziellen Höhenforschungsrakete, die mit Paraffin angetrieben wird. Das war nur der Auftakt zu weiteren Teststarts deutscher Raketenhersteller in diesem Jahr.

Von Dieter Sürig

Es ist nur der erste Schritt in Richtung Weltraum, aber sie haben den Test nach eigenen Angaben geschafft: Das Start-up Hyimpulse aus Neuenstadt bei Heilbronn hat am Freitag seine erste Kleinrakete gestartet. Die zwölf Meter große Trägerrakete SR75 hob um 7.10 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit vom Startplatz im südaustralischen Koonibba ab. Die Höhenforschungsrakete hat dabei wie geplant 50 bis 60 Kilometer erreicht, in den Weltraum soll sie erst beim nächsten Test kommen. Wie hoch die Rakete tatsächlich geflogen ist, kann das Team erst in einigen Tagen sagen, wenn es den Flugschreiber geborgen und ausgewertet hat.

Außergewöhnlich an dem Flug war, dass Paraffin, also Kerzenwachs, die Rakete angetrieben hat, dazu noch flüssiger Sauerstoff. Paraffin ist nicht explosiv, leicht zu beschaffen, besser zu regulieren sowie sicherer und preisgünstiger als andere Treibstoffe. Dadurch werde das Antriebssystem etwa um die Hälfte günstiger als herkömmliche Triebwerke, behauptet Hyimpulse.

Co-Chef Christian Schmierer sprach von einem "gelungenen Start, der uns auch wertvolle Daten für die Weiterentwicklung liefert". "Wir setzen damit ein wichtiges Signal für Deutschland als Raumfahrtnation und haben Europas Tür zum All einen Spalt weit geöffnet", so Co-Chef Mario Kobald. Die SR75 mit einer Nutzlastkapazität von 250 Kilogramm, war für das Start-up nur ein Zwischenschritt zu einer größeren Trägerrakete. Die SL1 soll 32 Meter groß werden und bis zu 600 Kilogramm schwere Satelliten in einer niedrigen Erdumlaufbahn absetzen können. Die mehrstufige Rakete soll ebenfalls mit Kerzenwachs befeuert werden und Ende nächsten Jahres starten - dann voraussichtlich von den Shetlandinseln aus.

Hyimpulse hatte die "SR75" Mitte Februar verschifft und zum Startplatz in Australien transportiert. (Foto: Hyimpulse/dpa)

Hyimpulse will mit beiden Raketentypen Geld verdienen. Höhenforschungsraketen nehmen sonst meist wissenschaftliche Messungen in der Atmosphäre vor, sie können aber auch kleine Satelliten transportieren. Der Bedarf an kommerziellen Transportraketen in Europa sei riesig. "Entsprechend haben wir mit weit über 100 Millionen Euro bereits ein hohes Volumen im Orderbuch", so Schmierer. Ein Start der größeren Rakete SL1 koste etwa sechs Millionen Euro. Pro Kilogramm Nutzlast wolle das Unternehmen etwa 7000 Euro berechnen. Zu den Kunden gehöre die Automobilindustrie, die Satelliten für die Navigation und das autonome Fahren braucht.

Mit dem jetzigen Testflug hofft Hyimpulse auch auf weitere Investoren. Bis zum Start des Microlaunchers brauchen die Gründer noch 70 bis 80 Millionen Euro Kapital. Hauptinvestor ist bislang die Holding des Unternehmers Rudolf F. Schwarz, die die Raumfahrttestfirma IABG betreibt. Hyimpulse hat bislang insgesamt rund 25 Millionen Euro eingesammelt.

Auch Isar Aerospace und RFA wollen bald starten

Neben Hyimpulse sind auch die Start-ups Isar Aerospace und Rocket Factory Augsburg dabei, eine kommerzielle Kleinrakete zu bauen. Sie könnten voraussichtlich im zweiten Halbjahr abheben. Dabei handelt es sich jeweils bereits um einen größeren Microlauncher, der eine Tonne und mehr in eine Erdumlaufbahn bringen könnte. Auch die spanische Firma PLD hat im Herbst 2023 bereits Suborbitalrakete gestartet und bastelt an einer größeren Version. Europaweit gibt es mehrere Microlauncher-Start-ups. Zum Vergleich: Die neue Esa-Rakete Ariane 6, die im Sommer erstmals starten soll, soll je nach Typ etwa zehn bis 20 Tonnen transportieren können.

Der ehemalige Astronaut Ulrich Walter sieht viele Chancen für private Hersteller von kleineren Raketen. Zumal Satelliten immer kleiner würden. Die neuen Kleinraketenanbieter seien flexibler als die großen, bei denen man schon zwei Jahre im Voraus einen Platz buchen müsse. In Zukunft werde der Markt ordentlich wachsen, sagte der Professor für Raumfahrttechnik an der TU München der dpa. Esa-Chef Josef Aschbacher möchte erreichen, dass europäische Start-ups in den Dreißigerjahren größere Raketen bauen, um damit auch eine Konkurrenz zur Ariane-Rakete aufzubauen.

Einer neuen McKinsey-Studie zufolge könnte die weltraumbasierte Wirtschaft in den nächsten Jahren mit neun Prozent im Jahr deutlich stärker wachsen als das globale Bruttoinlandsprodukt. "Die Umsätze steigen von heute 630 Milliarden Dollar auf 1,8 Billionen Dollar im Jahr 2035", analysieren die Marktforscher. Damit würde eine ähnliche Größe wie die Halbleiterbranche erreicht.

Bereits in den späten 1970er-Jahren hatte die deutsche Firma Otrag eine Trägerrakete entwickelt und in Afrika getestet. "Nach heutigem Sprachgebrauch würde man Otrag als Start-up bezeichnen", sagt Walter. Die Firma Otrag (Orbital Transport- und Raketen Aktiengesellschaft) hatte Ende 1984 nach eigenen Angaben Produktion und Forschung eingestellt.

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