Hochtief: Verhalten der Bundesregierung:Plan- und hilflos in Berlin

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Was hat die Regierung aus den Fällen Porsche/VW und Schaeffler/Conti gelernt? Nichts. Das Kapitalmarktrecht muss dringend reformiert werden - anstatt nur aufgeregt mit den Flügeln zu schlagen.

Martin Hesse

Der Baukonzern Hochtief kämpft um seine Unabhängigkeit, und die deutsche Politik ist in heller Aufregung. Eben noch hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel signalisiert, den Essenern irgendwie helfen zu wollen. Was sonst sollte ihre Aussage bedeuten, man müsse die industrielle Struktur von Hochtief bewahren und den Firmensitz in Essen behalten? Doch schon rudert die Kanzlerin zurück: Es gebe keinen Anlass, das deutsche Übernahmegesetz zu ändern. Beide Aussagen zeigen, wie hilf- und planlos die Politik mit ihren Vorzeigefirmen verfährt. Sie ahnt eine Bedrohung, weiß aber nicht, wie ihr zu begegnen ist. Der Fall Hochtief legt Schwächen im deutschen Übernahmerecht offen. Er ist aber auch Ausdruck einer mangelhaften Aktionärskultur und Industriepolitik.

Die Hochtief-Mitarbeiter kämpfen gegen eine Übernahme durch ACS - und Berlin hält sich nun doch aus der Sache heraus. (Foto: REUTERS)

Tatsächlich dürfte dem Angriff auf Hochtief aus Spanien juristisch kaum beizukommen sein. Wenn sich ACS nicht selbst ein Bein stellt und die eigenen Aktionäre doch noch hinter den Übernahmeplan versammeln kann, dann wird der Konzern aus Madrid die Kontrolle über Hochtief übernehmen. Ein Drama wäre das vermutlich nicht. Denn wenn die neuen Herren in Essen klug sind, tasten sie die Stärken Hochtiefs nicht an. Gleichwohl muss Deutschland Lehren aus der Causa Hochtief ziehen.

In den nächsten Monaten dürften deutsche Unternehmen vermehrt in den Fokus ausländischer Konzerne und Finanzinvestoren geraten. Das ist erst einmal ein gutes Zeichen. Es zeugt von der Stärke der deutschen Industrie, die häufig technologisch führend ist, global präsent und finanziell gesund. Zugleich aber sind deutsche Unternehmen im internationalen Vergleich klein. Wettbewerber aus den USA, Europa und zunehmend aus Asien können selbst den Kauf des ein oder anderen Dax-Konzerns stemmen.

Überzogene Ängste

Man muss nicht den großen Ausverkauf deutscher Unternehmen fürchten. Diese kaufen selbst seit Jahren fleißig im Ausland zu, gelegentlich geht es eben auch einmal andersherum. Wenn ein gut geführtes ausländisches Unternehmen eine deutsche Firma übernimmt, muss das nicht zum Schaden der Mitarbeiter, Kunde und Aktionäre sein. Problematisch wird es aber, wenn die Eigentümer keinen fairen Preis bekommen. Und hier weist das deutsche Übernahmerecht Schwächen auf.

Es geht nicht darum, neue Zäune um deutsche Firmen hochzuziehen. Doch derzeit erlaubt das Gesetz, Kleinaktionäre bei einer Übernahme mit einem Preis abzuspeisen, ohne eine Prämie für den Kontrollwechsel zu bezahlen. Hat sich ein Käufer an die Schwelle von 30 Prozent der Aktien herangepirscht - offen, wie ACS bei Hochtief oder gar verdeckt wie einst Schaeffler bei Conti - dann kann er Kleinaktionären ein unattraktives Angebot unterbreiten. Er sammelt dann ein paar Aktien über die Börse ein, um die magische Schwelle zu überschreiten und muss fortan kein Übernahmeangebot mehr vorlegen. Stattdessen kann der Angreifer einen Deal mit Großaktionären aushandeln und rasch die vollständige Kontrolle über eine Firma gewinnen. Nach diesem Prinzip handelt auch die Deutsche Bank bei der Postbank.

Unfaire Deals

Spätestens seit den Kämpfen um VW und Continental sind diese Probleme bekannt, reagiert hat die Politik nicht. Dabei wird es Firmenkäufern selbst im wirtschaftsliberalen Großbritannien schwerer gemacht. Auch jenseits der in Deutschland willkürlich festgelegten Schwelle von 30 Prozent müssen Angreifer ein Übernahmeangebot an alle Aktionäre unterbreiten. Eine solche Reform wäre fair gegenüber Aktionären.

Damit landet man bei einem weiteren Problem: Es gibt kaum starke deutsche Aktionäre. Man muss sich nicht die verkrustete Deutschland AG zurückwünschen, in der Banken und Versicherer durch Beteiligungen Übernahmen aus dem Ausland verhinderten. Doch es wäre wünschenswert, wenn der deutsche Aktienmarkt nicht zur Spielwiese angelsächsischer Pensions- und Hedgefonds würde. Den großen Kapitalsammelstellen in Deutschland wird der Kauf von Aktien durch ein Übermaß an Reglementierung verleidet. Und deutsche Fonds und Banken agieren als Aktionäre verzagt.

Eine weitsichtige Industriepolitik besteht nicht darin, bei jedem Übernahmeversuch aus dem Ausland aufgeregt mit den Flügeln zu schlagen. Neben einigem anderem geht es vielmehr darum, faire Kapitalmarktgesetze zu schaffen und die verkümmerte deutsche Aktienkultur zu pflegen. (Seite 21)

© SZ vom 19.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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