Haushalt:Schäuble will 2015 keine neuen Kredite aufnehmen

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Finanzminister Wolfgang Schäuble in Frankfurt: Ab 2015 soll Deutschland keine neuen Kredite aufnehmen. (Foto: Bloomberg)

Seit Strauß' Zeiten hat es das nicht mehr gegeben: Zum ersten Mal seit fast einem halben Jahrhundert soll der deutsche Haushalt von 2015 an wieder ausgeglichen sein. Die Opposition ist dennoch nicht zufrieden.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Mancher hatte die Hoffnung wohl schon aufgegeben, dass er diesen Moment noch erleben wird, so selbstverständlich war es in den vergangenen fünf Jahrzehnten geworden, dass der Schuldenberg des Bundes Jahr für Jahr, Haushaltsentwurf für Haushaltsentwurf weiter wächst. Fast 1300 Milliarden Euro an Verbindlichkeiten haben Wolfgang Schäuble und seine 17 Amtsvorgänger seit Gründung der Bundesrepublik aufgehäuft. Der letzte Finanzminister, der es schaffte, mit dem Geld auszukommen, das er auch tatsächlich einnahm, war Franz Josef Strauß - im Jahr 1969.

An diesem Freitag jedoch verschickte Schäuble einen mächtigen Stapel Papier an die Kabinettskollegen, der gleich auf der zweiten Seite eine handfeste Sensation offenbart: Erstmals seit Strauß' Tagen will der Bund 2015 auf die Aufnahme neuer Kredite verzichten. In der Folge soll dieser Verzicht sogar zur Regel werden - wenn die Konjunktur mitspielt und nicht irgendwo auf der Welt wieder eine gigantische Spekulationsblase platzt, die die hehren Berliner Pläne unter ihren Trümmern begräbt.

Möglich wird der Erfolg weniger durch echte Einsparungen als vielmehr durch eine Kombination aus jahrelanger weitgehender Ausgabendisziplin und kräftig steigenden Steuereinnahmen. 2013 musste sich der Bund noch 22,1 Milliarden Euro zusätzlich leihen, von denen allerdings acht Milliarden auf die Fluthilfe und gut vier Milliarden Euro auf Einzahlungen an den Euro-Schutzschirm ESM entfielen. 2014 sinkt die Neuverschuldung nach der revidierten Planung der schwarz-roten Regierung auf 6,2 Milliarden Euro, bevor dann ab 2015 die Null festgeschrieben wird.

Haushaltsüberschüsse für 2016 und 2017 sind schon verplant

Neben dieser guten Nachricht weist die Finanzplanung bis 2018 jedoch auch zahlreiche Punkte auf, an denen die Opposition im Bundestag kein gutes Haar lassen wird. Vergleicht man das Tableau etwa mit dem letzten Zahlenwerk, das die verflossene schwarz-gelbe Regierung im vergangenen Juni vorgelegt hatte, so fällt auf, dass die damals für die Jahre 2016 und 2017 eingeplanten Haushaltsüberschüsse in Höhe von insgesamt immerhin 15 Milliarden Euro schlicht verschwunden sind. Des Rätsels Lösung ist einfach: Das Geld wird vollständig zur Finanzierung der schwarz-roten Wahlversprechen - von der Mütterrente über die Rente mit 63 bis zur Erhöhung der Entwicklungshilfe - benötigt.

Entsprechend stark steigen die Ausgaben im Planungszeitraum an - von knapp 299 Milliarden Euro 2014 auf 327 Milliarden Euro vier Jahre später. Das entspricht einem durchschnittlichen Plus von 2,3 Prozent im Jahr. Die Investitionen, an denen es in Deutschland nach Ansicht fast aller Experten massiv mangelt, erhöhen sich dagegen nur mit einer Jahresrate von 1,1 Prozent von 25,8 auf 27 Milliarden Euro. Die zugehörige Quote, also das Verhältnis der Investitionen zu den Gesamtausgaben, liegt damit 2018 nur noch bei 8,3 Prozent - und damit ein Drittel unter dem Wert von vor 20 Jahren. Und noch eins zeigt Schäubles Entwurf: Die im Koalitionsvertrag angekündigte Entlastung der Kommunen um fünf Milliarden Euro wird erst 2018 vollzogen - nach der nächsten Bundestagswahl.

Opposition kritisiert Investitionsdefizit

Für weiterhin richtig hält man im Finanzministerium die Kürzung des Zuschusses an die Gesetzliche Krankenversicherung, die sowohl bei namhaften SPD-Politikern als auch bei den Betroffenen zu heftigem Unmut geführt hat. Statt der zugesagten 14 Milliarden Euro pro Jahr sollen die Kassen 2014 nur 10,5 Milliarden und 2015 nur 11,5 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt erhalten. "Die Einnahmeentwicklung des Gesundheitsfonds ist so gut, dass man diese Absenkung vornehmen kann, ohne dass der Fonds in Notlage gerät oder der Beitrag der Versicherten steigen muss", hieß es in Regierungskreisen.

Das sieht die Opposition naturgemäß völlig anders. Der haushaltspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Sven-Christian Kindler, kritisierte, Schäuble greife "mit vollen Händen in die Sozialkassen". Das sei "unsolide hoch zehn und zudem ungerecht". Auch tue der Minister nichts gegen klimaschädliche Subventionen, das "dramatische Investitionsdefizit" und für die Erhöhung der Einnahmen. Alles in allem betreibe er damit Arbeitsverweigerung.

Am kommenden Mittwoch wird sich das Bundeskabinett mit dem revidierten Haushaltsentwurf für 2014 und der Planung für 2015 befassen. Anschließend werden beide Gesetzentwürfe an Bundestag und Bundesrat weitergeleitet.

© SZ vom 08.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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