Hartz IV:Fünf Euro - sofort und auf die Hand

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Es gibt einen Weg, den Hartzern das Geld schon mit Jahresbeginn zukommen zu lassen - auch wenn das neue Gesetz noch nicht in Kraft ist. Der Aufschlag könnte vorab als Darlehen ausbezahlt werden.

Heribert Prantl

Der Spatz in der Hand ist besser als die Taube auf dem Dach. Im Streit um das neue Hartz-IV-Gesetz versucht die Bundesregierung, die Millionen Bedürftigen im Sinne dieses Spruchs zu locken: Lieber fünf Euro pro Monat mehr zum 1. Januar als vorerst überhaupt keine Erhöhung des Regelsatzes. Zwar sind die fünf Euro eher mit einem Insekt als mit einem Spatz zu vergleichen - aber gleichwohl: Es soll Druck auf die Opposition ausgeübt werden, dem neuen spärlichen Gesetz doch noch zuzustimmen. Argument: Ansonsten erhalten die Hartzer eben vorerst gar keine Erhöhung, weil die gesetzliche Grundlage fehlt. Die Opposition will das Gesetz in den Vermittlungsausschuss schicken, weil sie eine kräftigere Erhöhung als nur fünf Euro durchsetzen will. Das kostet Zeit.

Der Hartz-IV-Regelsatz soll dann zum 1. Januar von 359 auf 364 Euro steigen. (Foto: dpa)

Das Bundesverfassungsgericht, das in seinem Urteil eine Neuberechnung der Hartz-IV-Gesetze zum 1. Januar fordert, hat insgeheim damit gerechnet, dass das doch etwas länger dauern könnte - und deshalb in seinem Urteil die Rückwirkung eines zu spät erlassenes Gesetz angeordnet: Die Erhöhung muss dann also nachgezahlt werden. Eine gründliche Neuberechnung war den Richtern nämlich wichtiger als eine hastige.

Es gibt freilich einen Weg, den Hartzern zumindest die fünf Euro schon mit Jahresbeginn zukommen zu lassen, auch wenn das neue Gesetz noch nicht in Kraft ist. Bereits das bisherige Hartz-Gesetz sieht (in Paragraph 23 SGB II) die Möglichkeit vor, Darlehen zu gewähren. Eine geplante Erhöhung um fünf Euro könnte also vorab als Darlehen ausbezahlt werden. Ein Risiko für die auszahlende Bundesagentur gibt es nicht: Denn der Vermittlungsausschuss wird ja nicht deswegen angerufen, weil der Opposition die neuen Regelsätze zu hoch, sondern weil diese ihr zu niedrig erscheinen. Eine Anhebung um fünf Euro wird auf jeden Fall kommen; sie kann sogar noch höher ausfallen. Es ist also auszuschließen, dass das monatliche Fünf-Euro-Darlehen zurückbezahlt werden muss.

Und wie verhält es sich mit den Gutscheinen des von der Sozialministerin gepriesenen "Bildungspakets"? Sollen die Kinder, die mangels neuem Gesetz im Januar und Februar noch keinen Gutschein für Mittagessen und Nachhilfe haben, im März und April doppelt essen? Mit ein wenig wohlwollend-juristischer Phantasie kann ihnen vorher geholfen werden: Entweder auch durch Vorkasse, indem Darlehen vergeben werden. Oder, juristisch noch klarer: Man gewährt die Sachleistungen schon von 1. Januar an als "unabweisbaren besonderen zusätzlichen Bedarf". Dieser ist laut Karlsruher Urteil als Härtefall sofort zu decken. Sogleich nach dem Karlsruher Urteil hat Ministerin von der Leyen per Verordnung geregelt, welche Leistungen die Arbeitsagenturen als Härtefall-Leistungen sofort und schon vor dem neuen Gesetz bewilligen müssen. Die Ministerin müsste diese Verordnung zum 1. Januar auf Nachhilfe und Mittagessen erweitern.

Und wenn die Bundesregierung sich weigert? Dann kann jeder Hartzer einstweiligen Rechtsschutz bei den Sozialgerichten verlangen. Wenn auch diese die Mehrleistungen zum 1. Januar verweigern, kann Karlsruhe per Verfassungsbeschwerde angerufen werden. Dann wäre die Sache schon ein Jahr nach dem Grundsatz-Urteil wieder dort, wo sie herkommt. Das höchste Gericht hätte dann die Chance, das von ihm ausgerufene "Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums" zu konkretisieren. Ob die Bundesregierung das riskieren will?

© SZ vom 15.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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