Endlich ist das Ringen um die Hartz-IV-Erhöhung vorbei: Künftig gibt es monatlich 364 Euro, vom kommenden Jahr zusätzlich drei Euro mehr. Doch wie kommt die Regierung eigentlich auf diese Summe? Ein Überblick in Bildern. Kaum hatte Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) im vergangenen September mit Bezug auf die sogenannte Einkommens- und Verbrauchsstichprobe die 364 Euro als neuen monatlichen Hartz-IV-Regelsatz vorgeschlagen, zog sie großen Unmut auf sich. Der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband sprach sogar von statistischer Verfälschung und "einer ganz üblen Trickserei". Die Erklärung von Verbandsgeschäftsführer Ulrich Schneider: Bisher hätten sich die Hartz-IV-Regelsätze nach dem Ausgabeverhalten der unteren 20 Prozent der Haushalte auf der Einkommensskala gerichtet, doch nun sollen sie bei kinderlosen Erwachsenen künftig an den Einkommen der untersten 15 Prozent ausgerichtet werden. "Wer in der Einkommensstatistik weiter unten steht, kann natürlich weniger ausgeben", erklärte Schneider. Nur so sei es möglich gewesen, den Regelsatz für alleinstehende Erwachsene (im Bild eine Hartz-IV-Empfängerin) so minimal zu erhöhen. Im Referentenentwurf des Sozialministeriums finden sich allerdings Argumente, die Schneiders Interpretation widersprechen. Denn aus der Referenzgruppe wurden die "Ärmsten der Armen" herausgerechnet, wodurch die auf Grundlage der übrigen Haushalte ermittelten Durchschnittsausgaben steigen. Sie werden also nicht unbedingt kleingerechnet. Mit dem nun ausgehandelten Kompromiss ändert sich nichts an dieser Berechnungsgrundlage, die zusätzlich vorgesehene Steigerung um drei Euro vom kommenden Jahr an ergibt sich aus der Lohn- und Preisentwicklung im ersten Halbjahr 2010. Je nach Entwicklung dieser beiden Indikatoren gibt es aber ohnehin einen Anstieg der Hartz-IV-Regelsätze. Ein Überblick, warum die Regierung ausgerechnet auf 364 Euro kommt.
Ohne Tabak und Alkohol Eine wichtige Rolle spielt das umstrittene Thema Tabak- und Alkoholkonsum. So wird in dem Papier Alkohol als "legale Droge" und "gesundheitsgefährdendes Genussgift" dargestellt, das nicht "regelbedarfsrelevant" sei. Wird auf Alkohol verzichtet, müsse "die damit verbundene Flüssigkeitsmenge allerdings zumindest zum Teil durch alkoholfreie Getränke ersetzt werden". Das Ministerium hat daher einen zusätzlichen Betrag für solche Getränke anerkannt, und zwar für Mineralwasser. Vorgesehen sind dafür zwölf Liter. Dann macht das Sozialministerium diese akribische Rechnung auf: "Für die zwölf Liter Mineralwasser wurde ein Betrag von 2,99 Euro eingesetzt, für den Supermärkte flächendeckend eine entsprechende Menge Mineralwasser anbieten. Legt man die Preise der preisgünstigen Discounter für 1,5-Liter-Mineralwasserflaschen zugrunde, ergibt sich für zwölf Liter Mineralwasser sogar nur ein Preis von 1,52 Euro." Bei den als "regelbedarfsrelevant" berücksichtigten 2,99 Euro sei also "bei preisbewusstem Einkauf durchaus Spielraum für Saft oder andere alkoholfreie Getränke". Mit dem Kniff, Alkohol und Tabak aus dem Regelbedarfssatz herauszustreichen, schaffen es die Beamten, auf die nahezu gleichen Ausgaben für Nahrungsmittel zu kommen wie vor der Hartz-IV-Reform: 128,46 Euro statt 128,39 Euro. Für Alkohol und Tabak waren zuvor allerdings 14 Euro einkalkuliert.
Bekleidung und Schuhe Hartz-IV-Empfänger sollen nach Auffassung des Sozialministeriums künftig womöglich häufiger von Angeboten wie im Kleiderladen der Diakonischen Stadtmission in Magdeburg (im Bild) Gebrauch machen. Denn der für Kleidung und Schuhe vorgesehene Posten im neuen Hartz-IV-Regelsatz soll deutlich von 34,70 auf 30,40 Euro sinken (minus 12,4 Prozent). Zur Begründung steht im Referentenentwurf des Sozialminsteriums dazu lediglich der lapidare Satz: "Allerdings wurde hinsichtlich der Notwendigkeit von Verbrauchsausgaben zur Sicherung des Existenzminimums genauer auf den tatsächlichen Bedarf abgestellt. [...] Diese Ausgaben dienen nicht der eigenen Existenzsicherung." Will heißen: Der Bedarf wird nicht mehr so hoch angesetzt wie zuvor.
Wohnen (ohne Mietkosten) Als Kosten fürs Wohnen betrachtet der Gesetzgeber alle Aufwendungen der Miete, die vom Staat unabhängig vom Hartz-IV-Regelsatz aufgebracht wird. Dabei handelt es sich also um die Ausgaben für Strom und Heizung sowie für die Instandhaltung der Wohnung. Dieser Posten steigt im neuen Regelsatz von 27,76 auf 30,24 Euro. Der Grund: Das Statistische Bundesamt hatte eine zusätzliche Sonderauswertung durchgeführt, um die Ausgaben nur von denjenigen Haushalten zu erfassen, die nicht mit Strom heizen. Damit stelle sich nicht mehr die Frage der Abgrenzung von Haushaltsstrom (für Beleuchtung, Kochen, elektrische Geräte) zu Heizungskosten (Stromheizung), heißt es im Referentenentwurf des Sozialministeriums für den neuen Regelsatz. Diese Abgrenzungsproblematik habe beim alten Hartz-IV-Regelsatz zu einem Abschlag geführt, sodass nicht die gesamten ermittelten Ausgaben für Strom als regelsatzrelevant berücksichtigt worden seien, so das Sozialministerium.
Möbel, Apparate, Haushaltsgeräte Das Geld für Zimmerpflanzen müssen Hartz-IV-Empfänger an anderer Stelle einsparen - diese Ausgaben zählt das Sozialministerium nicht zum Existenzminimum. Insgesamt stehen den Hilfsbedürftigen 27,41 Euro pro Monat für Möbel, Apparate und Haushaltsgeräte zur Verfügung. Das entspricht einer deutlichen Erhöhung um 12,8 Prozent gegenüber dem alten Regelsatz von 24,29 Euro.
Gesundheitspflege Der Regelsatz für die Gesundheitspflege steigt von zuvor 13,88 auf nunmehr 15,55 Euro, was immerhin einer Erhöhung um zwölf Prozent entspricht. Der Grund für die verhältnismäßig starke Anhebung: Künftig wird auch die Praxisgebühr (zehn Euro) beim Bedarf für die Gesundheitspflege in Höhe von 2,64 Euro berücksichtigt. Dabei werden aber nicht die tatsächlichen Kosten angesetzt, sondern die durchschnittlichen Kosten aller Geringverdienerhaushalte, egal wie häufig der einzelne Hartz-IV-Empfänger zum Arzt muss.
Verkehr Ein Auto dürfen Hartz-IV-Bezieher formal zwar besitzen - für Benzin oder Diesel ist jedoch kein müder Cent vorgesehen. Bei hilfsbedürfigen Personen werde davon ausgegangen, dass Fahrräder und der Personennahverkehr genutzt würden, heißt es im Gesetz. Insgesamt werden dafür monatlich 22,78 Euro veranschlagt.
Nachrichtenübermittlung Die mobile Telekommunikation wird immer wichtiger (im Bild das iPhone 4), doch bei Hartz-IV-Empfängern erkennt der Gesetzgeber keinen Bedarf. "Da das Festnetztelefon immer noch weiter verbreitet ist als das Mobilfunktelefon, wird von der Nutzung des Festnetzes ausgegangen", heißt es im Papier des Arbeitsministeriums. Immerhin werden künftig die Kosten für einen Internetanschluss eingeplant, und zwar in Höhe von 2,28 Euro. Dass davon kein Internetanschluss unterhalten werden kann, weiß auch die Regierung. Denn für einen Geringverdienerhaushalt, der im Internet surft, kommt das Statistische Bundesamt auf monatliche Kosten von gut 14 Euro. Da aber die wenigsten das Internet nutzen, ergeben sich im Durchschnitt aller Geringverdienerhaushalte 2,28 Euro. Insgesamt steigen die für die Nachrichtenübermittlung vorgesehenen Verbrauchsausgaben von 31,23 auf 31,96 Euro.
Freizeit, Unterhaltung, Kultur Die Besuch kultureller Veranstaltungen (hier die Tosca-Premiere bei den Münchner Opernfestspielen 2010) wird als wichtig für die gesellschaftliche Teilhabe angesehen. Daher ist der im Regelsatz vorgesehene Posten für Freizeit, Unterhaltung, Kultur vergleichsweise hoch. Im neuen Ansatz steigt er von 38,17 auf jetzt 39,96 Euro. Damit beträgt der Anteil dieses Postens nun circa elf (vorher 10,6) Prozent.
Beherbungs- und Gaststättenleistungen Nach "Ballermann"-Art auf Mallorca Sangria zu schlürften, ist für Hartz-IV-Empfänger nicht vorgesehen. Bereits im alten Regelsatz für das Arbeitslosengeld II war mit 6,94 Euro nur ein kleiner Betrag für Beherbergungs- und Gaststättenleistungen eingeplant, dieser Posten wird kaum merklich auf 7,16 Euro angehoben. "Bei Besuchen von Verwandten wird von privaten und kostenlosen Übernachtungsmöglichkeiten ausgegangen", heißt es in der Gesetzesbegründung.
Kostenbefreiungen für Hartz-IV-Empfänger Die Linkspartei spricht bei den neuen Hartz-IV-Sätzen von "Armut per Gesetz". Die Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen wies darauf hin, dass eine Anhebung auf 364 Euro noch nicht einmal die Teuerungsrate bei den Verbraucherpreisen seit 2005 ausgleiche: "Hartz-IV-Bezieher können sich von 364 Euro weniger kaufen als von den ursprünglichen 345 Euro (im Jahr 2005)." Die Regierung hält dem entgegen, dass Hartz-IV-Bezieher nicht bessergestellt werden dürften als Geringverdiener, die keine Hilfen erhalten. In der Stichprobe, die zur Ermittlung des Bedarfs diente, seien Ein-Personen-Haushalte mit einem Monats-Einkommen von bis zu 901 Euro netto und Paar-Haushalte mit Kindern mit bis zu 2300 Euro netto eingeflossen. Hinzu kämen weitere finanzielle Vergünstigungen für Hartz-IV-Bezieher: Sie seien befreit von Rundfunkgebühren und Krankenkassenbeiträgen, hätten vielerorts Anspruch auf kostenlose Kita-Plätze für ihre Kinder, könnten Busse und Bahnen teils verbilligt nutzen.