Handelsabkommen zwischen USA und China:Ein erster Schritt hin zur Normalität

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Beifall von hinten: US-Präsident Donald Trump und Chinas Chefunterhändler Liu He reichen sich im weißen Haus in Washington die Hände. (Foto: Saul Loeb/AFP)
  • In Washington haben die USA und China ein erstes Handelsabkommen unterzeichnet.
  • US-Präsident Trump bezeichnete den Vertrag als "größten Deal aller Zeiten".
  • Doch die Verhandlungen werden sich erst in der nächsten Phase um das eigentliche Streitthema zwischen den beiden Ländern drehen.

Von Cerstin Gammelin, Berlin, Alexander Hagelüken und Claus Hulverscheidt, New York, München/Berlin

Immerhin, ein Hoffnungsschimmer: Die USA und China haben am Mittwoch einen ersten Teilvertrag zur Überwindung ihres Handelsstreits unterzeichnet und die Gefahr einer neuen Weltwirtschaftskrise damit vorerst gebannt. Zwar war die eineinhalbstündige Feier im Weißen Haus nicht die von Präsident Donald Trump erhoffte große Sause, weil sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping es vorzogen hatte, der Zeremonie fernzubleiben. Trump nutzte jedoch die Gelegenheit, um denjenigen Unterhändler ins rechte Licht zu rücken, dem aus seiner Sicht ohnehin der meiste Beifall gebührt: er selbst. Er zitierte sogar einen Journalisten seines Lieblingssenders Fox News, der ihn jüngst als besten US-Präsidenten aller Zeiten bezeichnet hatte. Chinas Vizepremierminister Liu He musste hingegen mehr als eine Stunde neben Trump stehen, bis er ebenfalls das Wort ergreifen durfte.

Im Zuge der Vereinbarung werden die USA einen Teil ihrer bestehenden Strafzölle auf chinesische Warenlieferungen reduzieren, die Volksrepublik will im Gegenzug in großem Stil landwirtschaftliche Erzeugnisse, Industrieprodukte sowie Energieträger in den Vereinigten Staaten einkaufen und sich für US-Finanzdienstleistungen öffnen. Trump bezeichnete die Vereinbarung als "den größten Deal, den die Welt je gesehen hat". Der Vertrag werde der US-Wirtschaft über einen Zeitraum von zwei Jahren Mehreinnahmen von "weit über 200 Milliarden Dollar" einbringen. Allerdings blieb unklar, ob es sich bei der Zahl um eine Verpflichtung Chinas oder nur um Zielgrößen handelt. Der Präsident betonte zudem, die Volksrepublik werde die Patente sowie das geistige Eigentum amerikanischer Firmen besser schützen, diese nicht länger zur Preisgabe von technologischem Wissen zwingen und strikter gegen die Herstellung gefälschter Waren vorgehen.

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Die Einigung auf das sogenannte "Phase-eins"-Abkommen hatte im Dezember weltweit für Erleichterung gesorgt, weil der Konflikt zwischen den beiden Großmächten zur größten Bedrohung für die globale Konjunkturentwicklung geworden war. In Deutschland sorgte der Streit - zusammen mit anderen Faktoren - dafür, dass die Wirtschaft im vergangenen Jahr um gerade einmal noch 0,6 Prozent wuchs. Das war der schwächste Anstieg seit sechs Jahren und nicht einmal mehr die Hälfte des Werts von 2018, als das Plus noch bei 1,5 Prozent gelegen hatte.

Beigelegt ist der amerikanisch-chinesische Streit allerdings auch mit der jetzigen Teilvereinbarung nicht. Im Gegenteil: Die Verhandlungen über den eigentlichen Kern der Auseinandersetzung beginnen erst. Dabei wird es unter anderem um den Versuch der Pekinger Führung gehen, ihr Land mithilfe massiver staatlicher Subventionen sowie mit Ideenklau und Produktpiraterie an den USA vorbei zur Weltwirtschaftsmacht Nummer eins zu formen.

Präsident Xi hat bisher alle Forderungen abgelehnt, das Subventionsprogramm zum Ausbau künftiger Schlüsseltechnologien zu stoppen. Wo bei diesem Rennen um die Spitzenposition eine Kompromisslinie liegen könnte, ohne dass einer der Beteiligten seine Ambitionen zurückschraubt, weiß bisher offensichtlich niemand. Trump stellte immerhin erstmals die Abschaffung aller US-Strafzölle in Aussicht, sollten sich beide Seiten auf ein "Phase-zwei"-Abkommen verständigen.

Bis dahin ist es jedoch ein weiter Weg - und das ist auch der Grund dafür, dass das Schweizer Weltwirtschaftsforum (WEF) - jene Stiftung, die kommende Woche einmal mehr das gleichnamige Treffen von Politikern und Managern im Skiort Davos ausrichtet - am Mittwoch einen flammenden Appell an die internationale Staatengemeinschaft richtete: Angesichts der vielen geopolitischen Turbulenzen und der zunehmenden wirtschaftlichen Abschottung in Teilen der Welt sei Kooperation der einzige Weg, um soziale Spannungen abzubauen und nachhaltiges Wachstum zu sichern, heißt es im neuen "Weltrisikobericht", den das WEF unter der Überschrift "Der brennende Planet" in London vorstellte. Ansonsten drohten "katastrophale" Folgen, da wirtschaftliche Konflikte und politische Polarisierung weiter zunähmen.

"Es bleibt das Risiko, dass die Schwäche auf Konsum und Arbeitsmarkt übergreift."

Während der Handelsstreit aus Sicht der befragten Fachleute und Manager kurzfristig das größte Konjunkturrisiko darstellt, birgt auf lange Sicht der Klimawandel die größten Risiken. Erstmals in seiner Geschichte macht das WEF fünf Ökofragen als größte Risiken für den Globus aus - von Fluten, Stürmen und Erdbeben über den Verlust an Biodiversität und den Kollaps des Ökosystems bis zum Scheitern aller wirksamen Klimaschutzbemühungen. 90 Prozent der Unter-40-Jährigen erwarten, dass dieses Jahr Hitzewellen und Gesundheitsprobleme zunehmen.

Zu den Hauptleidtragenden vor allem der kurzfristigen Konjunkturrisiken zählt die so stark exportabhängige Bundesrepublik. Mit dem Mini-Wachstum von nur noch 0,6 Prozent liegt Deutschland auch europaweit hinten: Sowohl die Eurozone als auch die gesamte Europäische Union wuchsen 2019 mehr als doppelt so stark. Immerhin: Die noch im Sommer befürchtete Rezession ist bisher ausgeblieben.

Die deutsche Wirtschaft ist zweigeteilt. Auf der einen Seite wird die Industrie von der internationalen Nachfrageschwäche getroffen, die etwa die US-Strafzölle auslösen. Allein der Produktionseinbruch in der Autoindustrie, die zusätzlich mit der Umstellung auf Elektromobilität zu kämpfen hat, verringerte das deutsche Wachstum 2019 laut Ifo-Institut um 0,75 Prozentpunkte. Auf der anderen Seite steht der Konsum, der überraschend stabil ist. Damit setzt sich der Paradigmenwechsel in Deutschland fort: Wachstumstreiber sind statt des Exports mittlerweile staatliche Ausgaben, der private Konsum sowie Dienstleistungen, besonders Kommunikation, Finanzierungen und Gastgewerbe. Hinzu kommt der Bausektor, der von der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank mit ihren niedrigen Zinsen profitiert.

Dieses Jahr sieht es für die deutsche Konjunktur etwas besser aus. Die globale Entwicklung dürfte aber weiter belasten. So verlässt mit Großbritannien die zweitgrößte Wirtschaftsmacht die EU, was auch deutsche Unternehmen spüren. Der Irankonflikt treibt zumindest vorübergehend den Ölpreis hoch. "Die deutsche Industrie wird nach wie vor zu kämpfen haben", sagte Torsten Schmidt vom Essener Wirtschaftsforschungsinstitut RWI. "Es bleibt das Risiko, dass diese Schwäche auf Konsum und Arbeitsmarkt übergreift." Das RWI rechnet für 2020 mit 1,1 Prozent Wachstum. Dennoch soll die Arbeitslosenquote leicht schrumpfen. Eine echte Konjunkturbelebung erwartet das RWI wie viele andere Institute aber erst für 2021.

Eine neue Debatte darüber, was die Bundesregierung für die Konjunktur tun kann, dürften die vollen öffentlichen Kassen auslösen. Der Staat schwimmt im Geld: Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen erzielten 2019 rund 50 Milliarden Euro Überschuss. Allein der Bund verzeichnete inklusive nicht genutzter Rücklagen ein Plus von 19 Milliarden Euro, wie das Statistische Bundesamt meldete. Bei den Ländern waren es 13 Milliarden, bei den Sozialversicherungen elf Milliarden Euro.

© SZ vom 16.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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