Imagepflege:Chinas Botschaft warb in Deutschland um Geld

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Die chinesische Botschaft in Berlin ist ein hermetisch wirkender Bau. Die Außenwirkung der Volksrepublik hat man hier jedoch im Blick. (Foto: imago stock&people)

Pekings Botschafter in Berlin wollen deutsche Unternehmen dazu bringen, sich finanziell am Aufbau eines Portals zur China-Berichterstattung zu beteiligen. In den Chefetagen macht man sich Sorgen.

Von Christoph Giesen und Georg Mascolo, Berlin/Peking

Der 28. Februar 2019 war der letzte Arbeitstag von Shi Mingde nach fast sieben Jahren als Botschafter der Volksrepublik China in Berlin. Kurz vor seiner Abreise nach Peking verfasste der Diplomat einen letzten Brief im Amt, den er an große Stiftungen und Dax-Konzerne in Deutschland verschicken ließ. Mit der Bitte um strikte Vertraulichkeit, denn der Inhalt war ein riskanter Plan.

"Seit vielen Jahren bemühe ich mich, den Deutschen ein besseres China-Bild zu vermitteln", schrieb Shi. Aber das, "so muss ich heute ehrlich bilanzieren, ist mir bisher nicht ausreichend gelungen". Tatsächlich wächst angesichts von Umerziehungslagern in Westchina, der Bespitzelung der eigenen Bevölkerung und einer zunehmend autoritären Führung in Peking auch in Deutschland die Kritik. Das lässt sich nur schwer schönreden.

"Aber ich sehe jetzt ein vielversprechendes Projekt, das Abhilfe schaffen kann", schrieb Shi, ein "neues China-Informationsportal". Die Betreiber des geplanten Dienstes kenne er gut, "sie vereinen jahrzehntelange Erfahrung in China und in den besten deutschen Medien". Gemeint waren Wolfgang Hirn, damals Reporter beim Manager Magazin, und Georg Blume, der für die Zeit und den Spiegel arbeitet.

Bei einem Abendessen, wenige Wochen zuvor, hatten Blume und Hirn Botschafter Shi ihr Konzept vorgestellt. "Chinareporter" lautete der Arbeitstitel, und sie wollten nicht weniger als das "Leitmedium der deutschen China-Community" aufbauen. Der angedachte Jahresetat: 250 000 Euro. Ihre Arbeitgeber wussten nichts davon, auch nicht, mit wem sie sich trafen und um wessen Hilfe sie baten.

"Ich vertraue beiden, weil sie keine unkritischen Geister sind und alle Regeln der aufgeklärten deutschen Öffentlichkeit beherrschen, dass sie das China-Bild in Deutschland dauerhaft beeinflussen und objektiver gestalten können", schrieb Shi weiter. Das läge doch im Interesse Deutschlands und Chinas; und so bat der Botschafter um Unterstützung bei einer "nachhaltigen Finanzierung" für Hirn und Blume. "Ich würde es begrüßen, wenn das Projekt im Sommer startet", verabschiedete Shi sich in dem Brief und fügte ein zweiseitiges Konzept bei, das Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR vorliegt.

"Chinareporter" ist dann nicht gestartet, das Schreiben aber gibt einen seltenen Einblick, wie Pekings Vertreter in Deutschland versuchen, die Meinungsbildung zu beeinflussen. Sie setzen in China engagierte Unternehmen unter Druck, damit diese die von ihnen gewünschten Inhalte finanzieren. Anfragen dazu beantwortete die chinesische Botschaft nicht.

Der neue Botschafter legt nach

"Die Führung in Peking ist stark daran interessiert, das Bild Chinas in der Welt zu prägen und die Einflusskanäle auszuweiten", sagt Mikko Huotari, stellvertretender Direktor des Berliner Mercator Institutes for China Studies. In London etwa baute das chinesische Staatsfernsehen in den vergangenen Monaten seine Europazentrale auf. Etwa 100 Journalisten wurden angeworben. Auch viele Botschafter treten inzwischen offensiv in Erscheinung. Pekings erster Mann in Washington ist bei Twitter aktiv, einem Dienst, der in der Volksrepublik selbst zensiert ist. Der Vertreter in Großbritannien lädt regelmäßig zu Pressekonferenzen in seine Residenz. Aber ein China-Portal, das nicht von der chinesischen, sondern der heimischen Industrie finanziert wird, das hat noch keiner von ihnen geschafft. Offenbar war das auch Ansporn für Shis Nachfolger in Berlin.

Am 4. Dezember, wenige Tage nach der Veröffentlichung der China-Cables-Dokumente, in denen beschrieben wird, wie Chinas Führung systematisch Angehörige der muslimischen Minderheit der Uiguren interniert, verschickte der neue Botschafter Wu Ken einen zweiten Brief an Unternehmen in Deutschland. Deutlich nüchterner im Ton, aber ebenso drängend: "Angesichts der einseitigen Medienberichterstattung hier in Deutschland über China" werde die "Vermittlung eines allseitigen, besseren China-Bildes nun "immer aktueller und dringender". Man brauche jetzt die finanzielle Unterstützung für das Projekt.

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Normalerweise werden Vorstandschefs mit solchen Bettelbriefen nicht behelligt. Eine vorgefertigte Absage, freundlich, aber verbindlich, das ist die Routine. Aber beim chinesischen Botschafter? Sollte man da vielleicht doch eine Ausnahme machen und zahlen? Was sind schon 250 000 Euro verglichen mit den Umsätzen in der Volksrepublik? Bei Siemens sind es elf Milliarden Euro. Volkswagen verkauft vier von zehn Autos in China. Und die BASF errichtet gerade in Südchina ein neues Werk für zehn Milliarden Dollar.

Nach dem Wu-Brief wurden in der deutschen Industrie Krisensitzungen einberufen. Man sprach bei Verbänden vor, beriet sich mit Regierungsvertretern in Berlin. Denn: In den vergangenen Monaten haben sich die deutsch-chinesischen Beziehungen ziemlich abgekühlt. Die Regierung in Peking ist gereizt, seitdem Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) im September den Hongkonger Aktivisten Joshua Wong getroffen hat, einen der Köpfe der Protestbewegung gegen Pekings Einfluss. Und über allem schwebt die Huawei-Debatte.

Die USA warnen ihre Verbündeten vor dem Einsatz von Technik des chinesischen Netzwerkausrüsters beim Ausbau des schnellen 5G-Mobilfunknetzes. Spionage und Sabotage könnten nicht ausgeschlossen werden. Die chinesische Regierung jedoch versucht eine Beteiligung von Huawei zu erzwingen.

Mitte Dezember drohte Botschafter Wu zum ersten Mal öffentlich. "Wenn Deutschland am Ende eine Entscheidung treffen würde, die zum Ausschluss von Huawei auf dem deutschen Markt führt, ist mit Konsequenzen zu rechnen. Die chinesische Regierung wird nicht tatenlos zuschauen", sagte er bei einer Diskussionsveranstaltung und schob nach: 2018 hätten deutsche Autohersteller sieben Millionen Fahrzeuge in China verkauft. "Könnten wir auch eines Tages sagen, dass die deutschen Autos nicht sicher sind, weil wir auch in der Lage sind, unsere eigenen Autos herzustellen?", fragte er. "Nein. Das ist reiner Protektionismus."

Statt "Chinareporter" nun "China-Brücke"

In vielen Konzernzentralen ist man dennoch nervös, zumal die Botschaft Anfang 2020 nachlegte. In einem Interview mit einer Parteizeitung sagte ein Diplomat aus der Wirtschaftsabteilung, Peking werde nicht "untätig bleiben", falls der Bundestag ein Gesetz beschließen sollte, das es den Betreibern in Deutschland verwehre, künftig Huawei-Technik zu nutzen.

Immerhin: Blume und Hirn haben ihr Projekt aufgegeben, "auch weil die Finanzierung im Kontext zwangsläufig auftretender Compliance-Fragen sich als zu schwierig erwiesen hat"; die Planungen hätten "Anlass zu Missinterpretationen geben" können, teilen sie schriftlich mit. Es klingt, als würden sie erkennen, dass sie einen Fehler gemacht haben.

Ein Teil ihrer ursprünglichen Idee wurde dennoch umgesetzt - ob zufällig oder nicht. "Als Rechtsform ist ein gemeinnütziger Verein vorgesehen, ähnlich der Atlantik-Brücke e.V., die auch ein Vorbild für weitere Aktivitäten sein kann", schrieben Blume und Hirn in ihrem Konzept. Kurz vor Weihnachten wurde der Verein "China-Brücke e.V." eingetragen. Laut Satzung soll der Klub "das Verständnis für China in Deutschland und der Europäischen Union fördern". Gründungsmitglied ist Wolfgang Hirn. Dieser beteuert: "Chinareporter" habe nichts mit der "China-Brücke" zu tun.

Vereinsvorsitzender ist der ehemalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), der wiederum eine Grenzübertretung der chinesischen Botschaft nicht erkennen kann: "Es überrascht nicht, dass Botschafter und ihre Mitarbeiter dazu beitragen wollen, dass ihr Land in der Öffentlichkeit des Gastlandes gut wegkommt. Ich hoffe, dass dies auch auf deutsche Botschafter zutrifft." Allerdings: Es ist ausgeschlossen, dass Peking einem solchen Medienprojekt in China zustimmen würde.

© SZ vom 16.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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