Handel:In guten und schlechten Zeiten

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Was der Handelsstreit zwischen China und den USA für deutsche Konzerne mit chinesischen Eigentümern bedeutet.

Von Elisabeth Dostert, Christoph Giesen, Stefan Mayr und Jan Schmidbauer

Drei Tage saßen sie diese Woche wieder einmal zusammen, verschanzt im Pekinger Handelsministerium, die Sherpas aus Washington und chinesische Unterhändler. Ihre Aufgabe: den ökonomischen Dauerzwist zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt lösen. Daraus wurde nichts. Unverrichteter Dinge reisten die Amerikaner ab. Mit jeder ergebnislosen Runde wächst die Verunsicherung, nicht nur in China, sondern weltweit. Der Handelsstreit hat längst die reale Wirtschaft ergriffen hat. Das spüren viele deutsche Konzerne. Für viele Unternehmen war China schon wegen der schieren Größe des Marktes eine Verheißung. Sie hofften auf das ganz große Geschäft, jene mit inzwischen chinesischen Eigentümern wie der Roboterhersteller Kuka vielleicht noch ein wenig mehr. Jedenfalls waren manche Manager ganz verzückt über die Investoren aus China, die mit ihren Milliarden andere Bieter aus dem Feld schlugen. Nun zeigt sich: Ein chinesischer Eigentümer schützt nicht vor Rückschlägen. Je stärker das Geschäft in China, um so größer ist nun die Krise.

"Wir sind mit der Unsicherheit nicht allein", sagte Kuka-Interims-Chef Peter Mohnen am Freitag in einer Telefonkonferenz. Es habe in den vergangenen Wochen viele Gewinnwarnungen gegeben. Am Freitag kassierte nun auch der Roboter-Hersteller aus Augsburg seine mittelfristige Prognose und die für das Jahr 2018 gleich mit. "Alle fahren auf Sicht", sagte Mohnen, der erst Anfang Dezember das Amt übernommen hat. Kuka gehört seit zwei Jahren fast ganz dem chinesischen Hausgerätehersteller Midea. Mit dem Großaktionär habe das Sparprogramm, das Kuka nun auflegt, aber nichts zu tun, beteuerte Mohnen: "Das liegt am Markt. Es gibt Unwägbarkeiten." Er glaube "fest" an China. "Das ist ein einmaliger Effekt, wir müssen jetzt sehen, wie lange der dauert und wie tief er geht," sagte Mohnen am Freitag.

Erstmals seit mehr als 20 Jahren ist der chinesische Automarkt eingebrochen

Dass es bei Kuka und vielen anderen Firmen nicht läuft, hat vor allem mit der akuten Schwäche der Autoindustrie zu tun. Erstmals seit mehr als zwei Jahrzehnten ist der chinesische Markt eingebrochen. Der Pkw-Absatz fiel 2018 im Vergleich zum Vorjahr um sechs Prozent. Die Folge: Die Industrie storniert erst einmal Aufträge bei Zulieferern und Unternehmen wie Kuka, die die Maschinen für die Fabriken liefern. Die Marktschwäche trifft alle, auch die deutschen Autokonzerne, für die China längst der wichtigste Markt ist. VW, der mit Abstand größte Hersteller in China, kam noch glimpflich davon. 2018 verkaufte der Konzern immerhin knapp 30 000 Autos mehr als im Vorjahr, 4,21 Millionen Fahrzeuge insgesamt. Zum einen hatte VW ein starkes erstes Halbjahr in China, als der Handelszwist noch überschaubar war, zum anderen Bilanzglück. 2017 hatte Oberklassetochter Audi aufgrund eines mehrmonatigen Vertriebsstreits erhebliche Einbrüche in China zu verzeichnen gehabt, die 2018 wieder aufgeholt werden konnten. Für 2019 sieht es bei vielen Herstellern aber düster aus. "Die Gründe sind vor allem der immense Druck auf dem Immobilienmarkt, die hohe Verschuldung, der Abwärtsdruck für die Wirtschaft und die fehlende Verbraucherzuversicht", sagte Cui Dongshu, Generalsekretär des chinesischen Automobilverbandes. Viele Chinesen schieben den Autokauf lieber auf.

In Betrieb: Kuka-Roboter beim chinesischen Konzern Guangzhou Automobile. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Das merken auch Firmen wie der deutsche Scheinwerferhersteller Hella. Das Unternehmen erwartet, dass der Umsatz und Gewinn im Geschäftsjahr 2018/19 am unteren Ende der Erwartungen liegen werden. "Ganz besonders trifft uns auch der Rückgang des Marktes in China", sagte Hella-Chef Rolf Breidenbach am Freitag. Schon am Vortag hatte sich Osram-Chef Olaf Berlien pessimistisch geäußert: "Ich sehe dunkle Wolken für 2019 am Horizont aufziehen", sagte Berlien der Augsburger Allgemeinen. Die Nachfrage nach Leuchtdioden gehe spürbar zurück, vor allem in China.

Die Prognosen, die der ehemalige Kuka-Chef Till Reuter machte, sind mittlerweile obsolet. Er ist weg. Aufräumen und sparen darf nun Peter Mohnen. Der Umsatz werde in diesem Jahr bei 3,3 Milliarden Euro liegen, die Marge bei nur drei Prozent, kündigte der Konzern an. Es ist die zweite Korrektur binnen Monaten. Schon im Oktober hatte sich Kuka von den anfänglichen Zielen verabschiedet. Noch 2017 hatte der Konzern die Erlöse um 18 Prozent auf 3,5 Milliarde Euro steigern können. Die Marge lag bei 4,3 Prozent. Auch die 2015 formulierten mittelfristigen Ziele des Konzerns hält Mohnen "für nicht mehr realistisch". Für 2020 hatte Kuka damals einen Umsatz zwischen vier und 4,5 Milliarden Euro prognostiziert und eine Marge von 7,5 Prozent.

Damals klang das fast moderat, heute nach Fantasie. Mit einem "Effizienzprogramm" will Mohnen bis 2021 insgesamt 300 Millionen Euro einsparen, etwa ein Drittel davon in diesem Jahr. Es sieht auch "Personalmaßnahmen" vor. Zum Ausmaß des Stellenabbaus wollte sich Mohnen nicht äußern. "Ich kann beim besten Willen keine Zahl nennen, weil ich keine weiß", sagte er. Eine deutsch-chinesische "Taskforce" soll die Joint-Ventures mit Midea koordinieren und die Produktentwicklung vorantreiben. Kuka wolle "einfachere und leichtere Roboter bauen", wie sie der chinesische Markt verlangt. Jenes Land also, das vom Handelsstreit am stärksten betroffen ist.

Die Investorenvereinbarung, die Ex-Chef-Reuter aushandelte gilt noch bis 2023. Sie sichere Kuka die Eigenständigkeit, beteuerte Mohnen am Freitag. Midea darf ihm zufolge Kuka keine Anweisungen geben etwa hinsichtlich der Investitionen, der Marke, aber auch Beschäftigung. Betriebsbedingte Kündigungen sind damit aber nicht völlig ausgeschlossen, wenn sie der Kuka-Vorstand für nötig hält und alle anderen Mittel - die Trennung von Leiharbeitern etwa - ausgeschöpft sind. Mohnen will erst einmal die Lage analysieren und mit dem Betriebsrat reden.

Die Hoffnungen auf ein baldiges Ende im Handelsstreit ruhten in den vergangenen Tagen auf einem Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump und Chinas Vizepräsident Wang Qishan beim Weltwirtschaftsforum in zehn Tagen in Davos. Dazu wird es nicht kommen: Trump sagte ab - wie immer via Twitter.

© SZ vom 12.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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