Hamburg:Norddeutsche Unternehmer sehen Wirtschaftsstandort gefährdet

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Eine offene Gesellschaft ist Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg, meinen die norddeutschen Unternehmensverbände. Doch diese offene Gesellschaft sei in Gefahr. Helfen soll eine bessere Politik - aber daran fehle es.

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Hamburg (dpa/lno) - Angesichts des Erstarkens der AfD und zunehmender Unzufriedenheit im Land fordert die norddeutsche Wirtschaft die Politik zum Handeln auf. Die Entwicklung gefährde nicht nur die Demokratie, sondern auch den Wirtschaftsstandort, sagte der Präsident der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein, Philipp Murmann, am Donnerstagabend beim Neujahrsempfang des UV Nord in Hamburg. „Wer die AfD wählt, wählt eine in wesentlichen Teilen gesichert verfassungsfeindliche Partei und stellt sich damit zumindest indirekt auch gegen unsere freiheitliche Grundordnung. Und allein das Signal schadet auch unserem Wirtschaftsstandort.“

Ein wesentlicher Faktor zum Erhalt dieser Ordnung sei gute Politik. „Eine Politik, die von Persönlichkeiten vertreten wird, die diesen Sinn auch überzeugend vermitteln können“, sagte er. „Mit Blick auf die Ampel sieht es damit gerade nicht so gut aus. Und das ist ein wesentlicher Teil unseres Problems.“ Das Vertrauen in die Regierungspolitik sei so stark eingebrochen wie nie zuvor. „Hier verstehen zwei Welten einander nicht mehr. Politik und Gesellschaft driften auseinander“, warnte er.

Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) zeigten sich ebenfalls besorgt von der Lage, appellierten zugleich aber an die Unternehmer, auch in Krisenzeiten die Zuversicht zu bewahren und ihren Teil zum Zusammenhalt der Gesellschaft beizutragen.

Gerade in Hamburg und Schleswig-Holstein seien die wirtschaftlichen Aussichten durch die Kombination von erneuerbaren Energien, innovativen Industrien und weltweiten Handelsverbindungen besser als in anderen Teilen des Landes. Dazu trage auch die gute und enge Zusammenarbeit der Regierungen in Hamburg und Kiel bei, betonten beide Regierungschefs.

Auch er würde sich wünschen, „dass unsere Bundesregierung mal aus ihrer Echokammer rauskommt und auch mal ein bisschen mehr erklärt“, sagte Günther. Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) allein wichtige Entscheidung träfen, nur um diese gleich im Anschluss wieder als falsch darzustellen, trage das nicht zum Vertrauen in die Regierungspolitik bei. „Wie soll man denn da glauben, dass die Bevölkerung ein Gefühl hat, dass die auch wirklich wissen, was sie da entwickeln wollen.“

Tschentscher sprach von einer „depressiven Stimmung, die wir derzeit haben in Deutschland“. Das sei angesichts der Krisen verständlich. Zwar wolle er die Berliner Ampelkoalition nicht in Schutz nehmen. „Aber es vermischen sich derzeit aktuelle Beschwerden mit Klagen über jahrzehntelange Fehlentwicklungen“, sagte er mit Blick auf die Bauernproteste.

Dass die Proteste aus der Mitte der Gesellschaft kämen, müsse „der Politik die Sorgenfalten auf die Stirn bringen“, sagte Günther. „Stabilität ist einer der Faktoren, warum Unternehmen in unserem Land investieren.“ Nötige Fachkräfte würden nicht mehr kommen, „wenn wir keine Weltoffenheit ausstrahlen hier im Norden“.

Zur Stärkung des Zusammenhalts von Politik und Bürgern sollten auch Unternehmer ihren Teil beitragen. „Dass unsere Parlamente gesellschaftlich nicht mehr so durchmischt sind, liegt auch daran, dass Unternehmerinnen und Unternehmer nicht mehr bereit sind, politische Verantwortung zu tragen“, sagte Günther.

Beide Regierungschefs versicherten, gemeinsam für einen Abbau der Bürokratie einzutreten, um die Wirtschaft zu entlasten. Dies sei jedoch nicht einfach mal schnell mit einem Beschluss zu machen, sagte Tschentscher. „Bürokratie ist wie Unkraut, das in alle Planungs- und Genehmigungsverfahren hinein wuchert.“

© dpa-infocom, dpa:240118-99-666570/3

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