Private Haftpflicht:Die Versicherung für alle Fälle

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Dass ein Gebäude abbrennt, ist zwar selten. Doch im Alltag passieren schnell Schäden, die sehr teuer werden können. (Foto: Manfred Bail/IMAGO/imagebroker)

Springt die Haftpflichtversicherung ein, geht es oft um ein beschädigtes Handy oder Rotweinflecke auf dem Teppich. Manche Schäden können jedoch in die Millionen gehen. Für wen welche Policen sinnvoll sind.

Von Okan Mese und Nina Nöthling, Köln

Auf dem Parkplatz vor einem Supermarkt in Erfurt testen Kinder, wie schnell sich Taschentücher entzünden. Als das Papier brennt, werfen sie es in einen Altpapiercontainer, der direkt neben dem Supermarkt steht. Schnell steht der Container in Flammen, kurz darauf greift das Feuer auf den Supermarkt über. Das Gebäude brennt vollständig nieder. Zum Glück kommen keine Menschen zu Schaden. Doch der Schaden geht in die Millionen. Den mussten die Eltern der Kinder aber nicht bezahlen. Sie waren haftpflichtversichert, die Gothaer zahlte.

Haftpflichtpolicen decken Personen-, Sach- und Vermögensschäden ab, die ein Versicherter Dritten zufügt. Wer ein Glas Rotwein auf dem weißen Teppich verschüttet oder das Handy eines Bekannten fallen lässt, ist für diesen Schaden versichert. Wer einen Millionenschaden anrichtet, auch.

Dass ein Gebäude abbrennt, ist zwar selten. Doch im Alltag passieren schnell Schäden, die sehr teuer werden können. "Stürzt zum Beispiel ein Radfahrer, weil ich zu schnell aus der Haustür gehe, gehen die Kosten für Heilbehandlung, Reha und Arbeitsausfall je nach Schwere der Verletzungen schnell in die Hunderttausende", sagt Laura Elaine Schulz, Leiterin Produkt und Innovation im Bereich private Sachversicherung beim Kölner Versicherer Gothaer. Wenn der Radfahrer für den Rest seines Lebens beeinträchtigt sei, gehe es in die Millionen. "Das kann sich eigentlich kein Privatmann aus eigener Tasche leisten."

Die private Haftpflichtpolice gehört zu den am weitesten verbreiteten Versicherungen in Deutschland. Das Statistische Bundesamt geht davon aus, dass rund 83 Prozent der Deutschen durch eine solche Police geschützt sind. Die Prämien beginnen bei rund 15 Euro im Jahr für eine Einzelperson, können aber auch mehrere Hundert Euro betragen, je nachdem, wie umfangreich der Versicherungsschutz ist. Zusatzbausteine gibt es unter anderem für Gefälligkeitsschäden oder für die Erstattung zum Neuwert statt zum Zeitwert der beschädigten Sache.

Dunja Brockmann, Leiterin Privat- und Hausratversicherung bei der Allianz-Versicherung in München, empfiehlt eine Deckungssumme von mindestens 50 Millionen Euro: "Diese Summe ist sinnvoll, damit auch hohe Personen-, Gebäude- und Umweltschäden abgedeckt sind."

Außerdem sei es wichtig, auf Selbstbehalte oder Sublimite zu achten, das sind Obergrenzen für bestimmte Schadensfälle. "Sie können direkt im Angebot stehen, aber auch erst in den Versicherungsbedingungen", sagt Brockmann. Darauf sollten Kunden beim Abschluss besonders achten. "Damit man sich nicht in Sicherheit wiegt, am Ende die Zahlung aber bei bestimmten Leistungen gedeckelt ist und die Kundin oder der Kunde auf den Kosten sitzen bleiben."

"Schäden in Millionenhöhe sind selten, kommen aber vor"

Unerwartet hohe Kosten können im Alltag jederzeit entstehen, meint auch Philipp Opfermann von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. "Schäden in Millionenhöhe sind selten, kommen aber vor." Auch er empfiehlt eine Deckungssumme von 50 Millionen Euro. "Gerne auch mehr, zu viel geht kaum." Er rät, die Prämien jährlich statt monatlich oder vierteljährlich zu zahlen, sonst drohen Zuschläge. Auf Selbstbeteiligungen sollten Verbraucher verzichten, denn sie lohnen sich laut Opfermann finanziell nicht.

Für ihn ist der Leistungsumfang der wichtigste Punkt einer Haftpflichtpolice. "Der Schutz sollte nicht nur zur finanziellen Situation, sondern auch zur Lebenssituation passen", rät er. Deshalb sollten Eltern nach der Geburt eines Kindes ihre Haftpflichtversicherung zu einer Familienpolice erweitern. "Für weniger als 100 Euro im Jahr können Verbraucher die ganze Familie gegen existenzielle Risiken absichern", sagt Opfermann. "Kinder sind in der Regel bis zur ersten Ausbildung mitversichert." Das Alter des Kindes spielt dabei keine Rolle.

Besonderheiten wie Auslandsaufenthalte müssen jedoch zusätzlich abgesichert werden. "Wenn das Kind ein Auslandssemester macht, sollte man sich im Zweifelsfall vom Versicherer bestätigen lassen, ob der Versicherungsschutz weiter besteht." Wird die Ausbildung unterbrochen, um beispielsweise Work and Travel im Ausland zu machen, sollte dies ebenfalls mit dem Anbieter geklärt werden.

Opfermann rät, auch Gefälligkeitshandlungen zu versichern. Dazu zählen Schäden, die bei Nachbarschaftshilfe entstehen können, zum Beispiel beim Umzug. Wichtig ist auch eine Forderungsausfalldeckung im Vertrag.

Sie springt ein, wenn nach einem Schaden, den ein Dritter dem Versicherten zugefügt hat, der Schädiger selbst weder eine Haftpflichtversicherung noch genügend Geld hat, um den Schaden zu begleichen. Mit der Forderungsausfalldeckung übernimmt die eigene Privathaftpflichtversicherung die Kosten.

Die Haftpflichtversicherung ist nicht nur bei großen Schäden wichtig. Sie kann auch Freundschaften retten, weiß Laura Elaine Schulz von der Gothaer. Oft gehen bei dem Versicherer Schäden ein, die von Kindern beschädigtes Inventar wie bemalte Möbel bei Freunden oder mit dem Fahrrad zerkratzte Autos der Nachbarn betreffen. "Da ist es gut, wenn der Haftpflichtversicherer einspringt und die Freundschaft nicht an einem solchen Schaden zerbricht."

Denn rechtlich sind Kinder unter sieben Jahren deliktunfähig, das heißt, wenn sie das teure Ledersofa bemalen oder den Autolack zerkratzen, können sie oder ihre Eltern nicht belangt werden. Die Ausnahme: Die Geschädigten weisen den Eltern die Verletzung ihrer Aufsichtspflicht nach.

Von Kindern verursachte Schäden können aber in einer Haftpflichtpolice ausdrücklich mitversichert werden, sagt Schulz. "Dann hat man Ruhe und muss Freunde oder Nachbarn nicht auf die Deliktunfähigkeit der Kinder hinweisen."

Dasselbe gilt für andere deliktunfähige Personen wie Großeltern oder Behinderte im Haushalt. Sie können in den Vertrag einbezogen werden, um solche Probleme zu vermeiden.

Katzen sind in der Regel mitversichert

Hunde- und Pferdehalter müssen für ihre Tiere eine eigene Versicherung abschließen. Katzen sind in der Regel mitversichert. Komplizierter kann es für Besitzer exotischer Haustiere werden. Reptilien, Spinnen oder giftige Schlangen tauchen in keiner Haftpflichtpolice auf. "Für solche Besonderheiten braucht man den Maßanzug und kein Produkt von der Stange", sagt Verbraucherschützer Opfermann. Auf Online-Portalen seien solche Policen nur schwer zu finden. Er empfiehlt den direkten Kontakt zum Versicherer.

Sehr sinnvoll sei es auch, einen möglichen Schlüsselverlust mitzuversichern, sagt Brockmann von der Allianz. "Das kommt sehr häufig vor, hierzulande geht etwa alle 35 Minuten ein Schlüssel verloren." Müssen die Schlösser in einem Mehrfamilienhaus oder am Arbeitsplatz ausgetauscht werden, kostet das mehrere Tausend Euro. In Deutschland entsteht durch verlorene Schlüssel jährlich ein Gesamtschaden von 100 Millionen Euro, hat die Schadenverhütungsorganisation VdS in Köln berechnet.

Brockmann weist darauf hin, dass eine Haftpflichtpolice nur den Verlust fremder Schlüssel abdeckt. Schlüssel für Mietwohnungen gelten als Fremdschlüssel, da sie dem Mieter vom Vermieter zur Verfügung gestellt wurden.

Haftpflichtpolicen ähneln sich in vielen Punkten, da sie auf dem im Bürgerlichen Gesetzbuch festgelegten Schadenersatzrecht basieren. Allerdings ist der Wettbewerb unter den Anbietern heftig, sodass die Gesellschaften zusätzliche Bausteine und Besonderheiten hinzufügen. "Ich empfehle die Stiftung Warentest, wer dort einen mit 'sehr gut' bewerteten Anbieter wählt, kann nichts falsch machen", sagt Verbraucherschützer Opfermann. In den vergangenen Jahren haben viele Anbieter etwa den Drohnen- und Internetschutz in ihre Haftpflichtpolicen aufgenommen. Die Allianz hat kürzlich Wallboxen für Elektroautos und Balkonkraftwerke in die Haftpflichtdeckung eingeschlossen. Die Gothaer kündigt für die kommenden Jahre Erweiterungen ihrer Haftpflichtpolicen an.

Allerdings könnten die Policen in den kommenden Monaten und Jahren auch teurer werden, weil die Inflation die Schadenskosten in die Höhe treibt. "Die Inflation macht auch vor der Haftpflichtversicherung nicht halt", sagt Dunja Brockmann von der Allianz. "Ein Schaden, der vor zehn Jahren rund 10 000 Euro gekostet hat, schlägt heute sicher mit 15 000 Euro zu Buche." Das beste Beispiel dafür seien Fahrräder und ihre enorm gestiegenen Preise.

Zur Höhe der Beitragsanpassungen wollen sich die Managerinnen von Gothaer und Allianz allerdings nicht äußern. Schulz von der Gothaer sieht zudem eine Gegenbewegung am Markt, die die Preise trotz Inflation niedrig halten könnte: den Wettbewerb unter den Anbietern. "Wir haben einen sehr umkämpften Markt in der Haftpflichtversicherung", sagt sie. Das führe derzeit dazu, dass die Preise zumindest vorerst stabil bleiben.

Experten raten Versicherten, bestehende Verträge regelmäßig auf Deckungssumme und Konditionen durchzusehen. Die Verbraucherzentrale NRW berät Kunden, die ihre Verträge auf den Prüfstand stellen wollen. "Spätestens wenn noch D-Mark im Vertrag stehen, sollten die Alarmglocken läuten", warnt Opfermann. Bei niedrigen Versicherungssummen empfiehlt er, die Police anzupassen. "Heute können Kunden oft höhere Versicherungssummen und bessere Bedingungen bekommen." Manchmal geht das sogar zu einer günstigeren Prämie.

Wer seine Haftpflichtpolice seit Jahren nicht angeschaut hat, sollte das nachholen. "In der grauen Jahreszeit den Versicherungsordner nehmen, ein Glas Wein dazu und die Policen in Ruhe prüfen", rät Opfermann. Wer dabei Hilfe braucht, sollte sich beraten lassen. "Das macht man besser jetzt und nicht erst, wenn der Schaden da ist."

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