Häftling Wolfgang Kulterer:Der Paradebanker vom Wörthersee

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Am Schluss war es ein Milliardendesaster: Wolfgang Kulterer betrieb bei der Klagenfurter Bank Hypo Alpe Adria Geschäfte, die Größenwahn und Chuzpe zeigen.

Hans Leyendecker und Klaus Ott

Es waren die Katzengold-Jahre der Banken und in Velden am Wörthersee sang Lionel Richie "Bankers goin wild". Das war im Juli 2005. Der amerikanische Soulsänger gab damals ein Privatkonzert anlässlich eines Spatenstichs zur Sanierung des örtlichen Schlosshotels und bei der Stelle mit den Bankiers jubelte das Publikum in Richtung Wolfgang Kulterer. Der war damals der Chef der Klagenfurter Hypo Group Alpe Adria (HGAA), die es viele Jahre ganz besonders wild getrieben hat. Die Zeitungen nannten ihn den "Paradebanker".

Wolfgang Kulterer vor dem Untersuchungsausschuss zum Debakel der Hypo Group Alpe Adria. Inzwischen ist der frühere Chef des Instituts inhaftiert. Sein Anwalt Ferdinand Lanker sieht ihn als Opfer der "aktuellen politischen Auseinandersetzungen" in Österreich. (Foto: picture-alliance / APA/GERT EGGE)

Das Geglitzer der Bank und der Glanz ihres Chefs war pures Katzengold. Die Erinnerung an Lionel Richies Auftritt und an den Jubel um Kulterer mutet heute wie ein Gig aus einer anderen Zeit an.

Der 56-Jährige war, wie andere Banker auch, an Geschäften beteiligt, die mittlerweile nur noch Synonyme für Größenwahn und Chuzpe sind. Aber es geht ihm, derzeit zumindest, schlechter als den meisten seiner ebenfalls gescheiterten Kollegen. Seit Sonntagmorgen sitzt er in Klagenfurt in Untersuchungshaft.

Unheimliche Mächte im Land des Jörg Haider

Sein Anwalt Ferdinand Lanker sieht seinen Mandanten als Opfer der "aktuellen politischen Auseinandersetzungen" in Österreich. Durch die Festnahme Kulterers sollten "parteipolitische Vorwürfe gegen die Justiz und die verantwortliche Justizministerin" überlagert werden.

Einzig eine politische "Motivation" könne "zur Verhängung der U-Haft" geführt haben. Das klingt abenteuerlich. Andererseits ist der Verweis auf unheimliche Mächte im Land des Jörg Haider so neu nicht. Der 2008 tödlich verunglückte Kärntner Landeshauptmann war ein Spezialist für Verschwörungsgeschichten aller Art.

Dabei ist das Leben oft banal. Kulterer hat versucht, mit allen Mitteln die langweilige einstige Provinzbank auf schnelles Wachstum zu trimmen und am Ende standen alle staunend vor gigantischen Milliardenlöchern.

Bislang kostete das Desaster die Steuerzahler in Österreich und Deutschland mehr als fünf Milliarden Euro. 2007 war die Bayerische Landesbank bei der HGAA eingestiegen. Die Bayern haben das Milliardenabenteuer fluchtartig beendet. Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt in dem Fall wie ihre Kärntner Kollegen.

Serienweise auf Gauner hereingefallen

Nüchtern betrachtet ging es der HGAA in Teilen so wie vielen Landesbanken in Deutschland. Sie wollte mehr sein als sie konnte und war es leid, nur heimische Mittelständler zu bedienen. Das Problem war nur, dass viele ihrer Leute weder perfektes Englisch noch das internationale Geschäft konnten und serienweise auf Gauner hereinfielen.

Hobby-Reiter Kulterer hat den Klagenfurter Staatsanwälten bei einer Vernehmung erzählt, wie sein Einstieg im November 1992 verlaufen sei: Er sei als Sanierer geholt worden. Die Bilanzsumme habe 1,8 Milliarden Euro betragen, es habe problematische Kredite gegeben und es sei überlegt worden, ob die Hypo-Tochter in Italien weitermachen sollte oder nicht.

Er sei für Weitermachen gewesen. Und wie. Er zündete den Turbo und expandierte nach Südosteuropa. Als Kulterer im September 2006 als Vorstandschef zurücktrat, lag die Bilanzsumme bei knapp 40 Milliarden Euro. Die vielen faulen Kredite stanken gewaltig, aber der strenge Geruch wurde noch mit viel Parfum überdeckt. Auffällig war, dass der damals frisch wegen Bilanzfälschung verurteilte Kulterer flink in den Aufsichtsrat als Chef wechselte.

Verwalter des Flick-Erbes

Den Rücken hielt ihm daheim Haider frei, der dank der Bank das Füllhorn über Kärnten leerte und das Wahlvolk mit einem populistischen Sozialprogramm beglückte. Der Staatsanwaltschaft erzählte Kulterer bei den Vernehmungen, er habe sich "gegen die ganzen Sponsoring-Wünsche" des Landeshauptmanns gewehrt.

Haider habe danach den Aufsichtsratschef der Bank ausgewechselt und einen Vertrauten eingesetzt, um Kulterer zu "diszplinieren". Die Ermittler sehen das anders. In ihren Akten gibt es andere Vorgänge.

Allerdings waren früher auch deutsche Landesbanker den Regierenden unheimlich zu Diensten. Kulterer lebte nahe London. Auch in Rumänien machte er Geschäfte und er soll, wie sein Anwalt berichtet, die Übersiedlung seines Büros nach Wien geplant haben. Ein Mietvertrag soll bereits vorliegen.

Der geplante Wohnsitzwechsel hing möglicherweise mit speziellen Aktivitäten für Erben zusammen. Seit Oktober 2006 gehört Kulterer dem nur dreiköpfigen Verwaltungsrat der Flick-Privatstiftung an und ist seitdem einer der Verwalter des Milliardenerbes von Friedrich Karl Flick (FKF).

Kann der Untersuchungshäftling Kulterer, dem eine Anklage droht, auf dieser Position bleiben? Der Vorsitzende des Stiftungs-Vorstandes, der Düsseldorfer Professor Jörg-Andreas Lohr, antwortet auf eine solche Frage ausweichend. Man werde sehen. Wenn es zum Prozess kommen sollte, wird es sicherlich eng werden.

Gegen FKF liefen in den achtziger Jahren in Deutschland Ermittlungen und er hatte große Angst, hinter Gittern zu landen wie einst sein Vater Friedrich Flick nach dem Krieg. Die Ermittlungen gegen FKF wurden eingestellt. Darauf sollte Kulterer in seinem Fall nicht setzen. Das 5-Sterne-Deluxe-Hotel Schlosshotel Velden steht zum Verkauf. Angebote können bis zum 27. August bei der Hypo-Alpe-Adria Bank International AG eingereicht werden.

© SZ vom 17.08.2010/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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