Spielwarenindustrie:"Es wurden jeden Monat Millionen verbrannt"

Lesezeit: 3 min

Holzspielzeug wie die Kugelbahn "Kullerbü" war das Kerngeschäft des fränkischen Unternehmens Haba. Das aber wollte mehr und hat sich dabei verzettelt. (Foto: Daniel Karmann/picture alliance/dpa)

Hasbro schwächelt mit der Konjunktur, der deutsche Holzspielzeughersteller Haba hofft mit einer Schrumpfkur auf einen Neustart. Seine Misere: selbstverschuldet.

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

Mitten in der vorweihnachtlichen Hauptsaison haben bekannte Spielwarenhersteller massiven Stellenabbau angekündigt. Der US-Branchenriese Hasbro, Herausgeber unter anderem des Brettspiels Monopoly, streicht 1100 Stellen, was jedem fünften Arbeitsplatz im Unternehmen entspricht. Auch der in die Insolvenz geschlitterte Holzspielzeughersteller Haba mit Sitz im nordbayerischen Bad Rodach baut kurzfristig 450 Arbeitsplätze ab. Wobei die Gründe für die Entlassungen bei beiden Markenfirmen sehr unterschiedlich sind.

Hasbro-Chef Chris Cocks machte in einer Mail an die Beschäftigten vor allem das schwächer als erwartet laufende Weihnachtsgeschäft verantwortlich. Zwar habe man nach Zuwächsen während der Pandemie mit weniger Verkäufen im laufenden Weihnachtsgeschäft gerechnet, doch der Gegenwind werde bis in das Jahr 2024 hinein wehen. Von den 1100 Stellen, die Hasbro streicht, entfallen 200 auf einen bereits Anfang 2023 angekündigten, bislang aber noch nicht vollständig vollzogenen Abbau. Außer Brettspielen wie Monopoly stellt Hasbro auch Play-Doh-Knete sowie Figuren wie My Little Pony und Transformers her.

Hasbro ist insofern kein Einzelfall, als sich aktuell viele Spielzeughersteller schwertun. Ihr Geschäft, das während der Lockdowns zu Corona-Zeiten überproportional gewachsen war, geht nun wieder zurück. Hinzu kommen Auswirkungen der Inflation und allgemeine Kaufzurückhaltung. In Deutschland nehmen Experten an, dass der Gesamtumsatz mit Spielzeug in diesem Jahr um 200 Millionen Euro auf 4,5 Milliarden Euro sinken wird. Alle großen Marken melden für das laufende Jahr rückläufige Ergebnisse.

Auch bei Playmobil werden Stellen abgebaut

Zuletzt kündigte Playmobil den Abbau von weltweit 700 Stellen an, 370 davon in Deutschland. Allerdings gilt für den fränkischen Plastikfigürchen-Produzenten Ähnliches wie für Haba, den lange führenden deutschen Holzspielzeughersteller: Die Probleme sind weniger konjunktureller Natur, sondern vor allem hausgemacht. Das 1938 gegründete Familienunternehmen Haba, das auch Textilien und Möbel für Kinder produzierte, mit Jako-o ein spezielles Onlinegeschäft und mit der Marke Wehrfritz einen Kita-, Schul- und Heimausstatter betrieb, hat sich nach Ansicht von Experten heillos verzettelt. Mit zu vielen Aktivitäten über das reine Geschäft hinaus, aber auch mit einem Sortiment, von dem Fachhändler sagen, es sei zu umfangreich, zu Neuheiten-getrieben. Zudem würden Erfolgsprodukte nicht ausreichend gepflegt. Hinzu kamen zuletzt monatelange Lieferschwierigkeiten nach einer missglückten IT-Umstellung im Unternehmen. Mitte September beantragte das Unternehmen beim Amtsgericht in Coburg ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung.

Für Nicole Ehrsam, Erste Bevollmächtigte der IG Metall Coburg, ist klar, dass "gravierende Managementfehler und Größenwahn" Haba in die Krise gestürzt haben. "Es wurden jeden Monat Millionen verbrannt. Man hat vor allem einen früheren Geschäftsführer ungebremst schalten und walten lassen, was unter anderem zum Kauf einer völlig überdimensionierten und sehr teuren Software führte", sagte Ehrsam am Dienstag der SZ.

Während die Gründer- und Eigentümerfamilie Habermaas seit Monaten öffentlich auf Tauchstation ist, verhandelten Management und Arbeitnehmervertreter über die Modalitäten für den nach massiven Umsatzeinbrüchen unumgänglichen Schrumpfkurs. "Zukunftspakt 2030" ist die Einigung überschrieben, die am Dienstag in Bad Rodach vorgestellt wurde. Zu Beginn der Verhandlungen wollte das Haba-Management 700 der insgesamt 1677 Stellen in Deutschland streichen. Nun werden 450 Kündigungen ausgesprochen. Wobei diese Zahl verzerrt, denn seit September haben nach Schätzung von Nicole Ehrsam weit mehr als 100 Haba-Beschäftigte von sich aus das Unternehmen verlassen.

Das Kindermöbelwerk wird verkauft

Die 450 Haba-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die jetzt ihre Entlassungen erhalten, können für sechs Monate in eine Transfergesellschaft wechseln. Dort bietet man ihnen an, sich zu qualifizieren und beruflich neu zu orientieren. Die meisten werden bereits zum 1. Januar, einige Beschäftigte aus der Logistik zum 1. März 2024 in die Transfergesellschaft wechseln. Einher mit den Stellenstreichungen in Bad Rodach verkauft Haba das Kindermöbelwerk in Eisleben (Sachsen-Anhalt) zum 1. Januar 2024 an die Mansfeld Anlagenbau und Umwelttechnik AG, ein Maschinenbauunternehmen. Über den Kaufpreis verlautete nichts. 70 der etwa 100 Beschäftigten werden übernommen, ebenso die Immobilien und der Maschinenpark. Die in Eisleben ihre Jobs verlieren, können ebenfalls in die Transfergesellschaft wechseln. Festgehalten wird an dem bereits vor dem Insolvenzantrag im August angekündigten Plan, den Geschäftsbetrieb der ehemaligen Haba-Vorzeigemarke Jako-o zum Jahresende einzustellen.

"Das Ergebnis ist unter den gegebenen Umständen aus der Sicht der Arbeitnehmervertreter das bestmögliche, das man herausholen konnte", sagt Nicole Ehrsam von der IG Metall. Von der amtierenden Geschäftsführung erwarte man nun, "dass sie Haba wieder in ruhigeres Fahrwasser steuert, denn an den Produkten und deren Qualität lag es nie", sagte Ehrsam. Mario Wilhelm, amtierender Haba-Geschäftsführer, sprach am Dienstag von einem "Zukunftspakt 2030", den man beschlossen habe. Dafür seien "sämtliche Bereiche des Unternehmens auf den Prüfstand gestellt und die dortigen Prozesse hinterfragt" worden. Martin Mucha, der als Generalbevollmächtigter der Kanzlei Grub Brugger bei Haba fungiert, konstatierte im laufenden Eigenverwaltungsverfahren "große Fortschritte", sodass man "dem Gläubigerausschuss ein belastbares Konzept für die kommenden Jahre vorstellen" konnte. Er sei daher "zuversichtlich, dass wir das Insolvenzverfahren zum März 2024 erfolgreich abschließen können".

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusEpic Games
:"Fortnite"-Entwickler gewinnt gegen Google

Hat Google mit seinem App-Store ein unzulässiges Monopol? Ein US-Gericht sagt Ja und löst damit ein Beben in der App-Wirtschaft aus.

Von Mirjam Hauck

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: