Im Sommer war die Idee für die Sozialdemokraten noch falsch, jetzt gilt sie als richtig. Auch die SPD ist nun dafür, die Gehälter der Vorstände von börsennotierten Aktiengesellschaften nicht mehr vom Aufsichtsrat, sondern von der Hauptversammlung beschließen zu lassen. Union und SPD haben sich in den Koalitionsverhandlungen darauf geeinigt. Nach den Plänen der künftigen Regierung sollen die Aufsichtsräte zudem Höchstgrenzen für Managergehälter festlegen: Sie sollen für ihre Unternehmen einen Multiplikator festzulegen, um den die Top-Gehälter "die durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommen" höchstens übersteigen dürfen.
"Wir erwarten uns von den beiden Regelungen, dass eine gewisse Zurückhaltung bei der Festlegung der Gehälter um sich greift", erklärt Angela Kolb (SPD), die Justizministerin von Sachsen-Anhalt, die für ihre Partei in der zuständigen Arbeitsgruppe die Verhandlungen führte. In dieser Frage seien sich Union und SPD einig. "Das ist die gemeinsame Meinung". Darüber hinaus will die SPD die steuerliche Absetzbarkeit der Managergehälter beschränken. Das Thema sei - entgegen mancher Meldungen - keineswegs vom Tisch, heißt es in Berliner Verhandlungskreisen.
"Systemwidrig und überflüssig"
Die Wirtschaft, allen voran der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), ist angesichts der Pläne der möglichen Großen Koalition alarmiert. Heiko Willems, Leiter der Rechtsabteilung des BDI, hält die Ideen für "systemwidrig und überflüssig". Die Gehaltsfrage sei in den Aufsichtsräten "gut aufgehoben".
Das Deutsche Aktieninstitut (DAI), das sich als Fürsprecher der Interessen von Aktiengesellschaft versteht, spricht von "zu starker Einschränkung der Rechte des Aufsichtsrates". Schon jetzt gäben die Hauptversammlungen den Aufsichtsräten wichtige Signale bei den Gehältern. "Rechtlich bindende Abstimmungen bergen die Gefahr, die Position des Aufsichtsrats zu schwächen", sagt DAI-Chefin Christine Bortenlänger. Dies entziehe dem Aufsichtsrat "ein wichtiges Druckmittel zur Durchsetzung seiner Überwachungsaufgabe".
Kritik kommt auch aus der Wissenschaft: "Das ist ein Schritt in Richtung Planwirtschaft", meint Christoph Kaserer, Professor für Finanzmanagement und Kapitalmärkte an der TU München. Für ihn sind die Gehaltsexzesse zwar ein Ausdruck von Defiziten in den Aufsichtsräten; dieser Mangel sei aber nicht zu beheben, wenn die Entscheidung einfach verlagert werde. "Das ist eine Placebo-Maßnahme".
Die Managereinkommen sind ein heiß diskutiertes Ärgernis, seit im Jahr 2012 das Gehalt des VW-Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn von etwa 18 Millionen Euro bekannt wurde. Kapitalvertreter wie die Abgesandten der Arbeitnehmer und Gewerkschaften in den Aufsichtsräten müssen sich fragen lassen, wie sie solche Gehälter verantworten können. Seitdem versuchen Politiker vieler Parteien, den Anstieg der Managerbezüge einzudämmen. Im Juli scheiterte der Plan der Bundesregierung, die Hauptversammlung zum zuständigen Gremium zu machen noch an der rot-grünen Mehrheit im Bundesrat.
Wie auch viele Vertreter der Wirtschaft war damals die SPD der Meinung, die Macht der Aufsichtsräte dürfe auf keinen Fall geschwächt werden. "Die Entmachtung des Aufsichtsrates und der damit verbundenen Arbeitnehmervertreter ist der falsche Weg", sagte damals die Magdeburger Justizministerin Kolb. Die Sozialdemokratin hält diesen Kurs heute aber für genau den richtigen.
Pläne sind rechtlich machbar
In der Welt der Unternehmen herrscht dagegen die Meinung vor, der Aufsichtsrat sei das geeignete Gremium für die Gehälter, weil er auch die Vorstände einstelle. Die Hauptversammlung dafür kaum geeignet. "Ich habe große Zweifel, dass die Hauptversammlung einen Vorstand kompetent beurteilen kann", sagt Jürgen Hambrecht, des frühere Chefs der BASF. Aus seiner Sicht seien solche Ideen rechtlich "nicht haltbar". Die Idee, Manager-Gehälter nicht mehr vollständig absetzbar zu machen, hält Hambrecht ebenfalls für "populistisch und unsinnig".
Man kann die rechtlichen Fragen aber auch anders beurteilen. Rupert Scholz, Staatsrechtler und früherer CDU-Bundesverteidigungsminister, hält die Pläne der künftigen Koalition für rechtlich machbar. Die Hauptversammlung über die Bezüge entscheiden zu lassen, hält Scholz für "unproblematisch". Man könne allerdings die Frage stellen, ob die Pläne mit dem Gleichheitssatz in Artikel 3 des Grundgesetzes vereinbar seien, weil sie nur für börsennotierte Gesellschaften gälten, nicht aber für große Konzerne, die nicht an der Börse sind. Doch auch solche Zweifel verwirft der heutige Anwalt Scholz. Man könne nicht von Willkür sprechen. Die Pläne hätten noch einen stark experimentellen Charakter: "In der jetzigen Phase kann man das so machen."