Griechenland und die Euro-Gruppe:Wie Varoufakis' Brief die Krise verschärft

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Das Ringen um eine Lösung für Griechenlands Schuldenkrise wird immer mehr zum Schlagabtausch zwischen Bundesfinanzminister Schäuble und dem griechsischen Finanzminister Varoufakis (im Bild). (Foto: REUTERS)
  • Per Brief an die Euro-Gruppe sollte der griechische Finanzminister Varoufakis die Verlängerung des Rettungsprogramms für sein Land beantragen. Doch er bleibt vage.
  • Bundesfinanzminister Schäuble lehnt das Schreiben ab, weil es nicht den vereinbarten Kriterien entspreche.
  • Ein Krisentreffen am Freitag soll Klarheit bringen.
  • Die Euro-Gruppe hält fünf Zusagen der Griechen für unerlässlich, die wir im Folgenden auflisten.

Von Cerstin Gammelin, Brüssel

Der Journalist Kostas Iordanis ist einer der streng konservativen Kommentatoren der größten griechischen Tageszeitung Kathimerini - und er ist ein Freund Deutschlands. Umso schwerer wiegt, dass Iordanis seinen Kommentar auf Seite eins der Zeitung am Donnerstag mit den Worten beendet: "Es gibt nichts Schlimmeres als die Sturheit eines alten Mannes."

Offenkundig macht sich die bürgerliche Mitte Griechenlands große Sorgen, dass ihr Schicksal nun von der Entscheidung eines Mannes abhängt, der sich nach Jahrzehnten in der deutschen und europäischen Politik nicht nur bestens auskennt mit den diversen Irrungen und Wirrungen politischen Handelns - sondern durchaus auch eine persönliche Agenda verfolgt.

Wolfgang Schäuble hat die Währungsunion einst mit geschaffen. Sie dürfte so etwas wie das Vermächtnis des bekennenden Europäers sein. Und jetzt, mit 72 Jahren, sieht er die Chance oder wohl besser die Notwendigkeit, als Bundesfinanzminister dafür Sorge zu tragen, dass er diese Gemeinschaft stabil und gefestigt übergeben kann. Für den Juristen Schäuble bedeutet das: Länder, die sich nicht an die Regeln der Euro-Gemeinschaft halten, haben darin nichts zu suchen.

Nicht gekannter Schlagabtausch zwischen deutschem und griechischem Minister

Seit dem Machtwechsel in Athen Ende Januar hat die neue Regierung von Premierminister Alexis Tsipras und dessen Finanzminister Yanis Varoufakis mehrmals angekündigt, die Regeln neu schreiben zu wollen, zumindest was die Rettungspolitik gegenüber Griechenland angeht.

Das hat in den Verhandlungen der vergangenen Tage um die Zukunft Griechenlands zu einem nicht gekannten Schlagabtausch zwischen dem deutschen und dem griechischen Minister geführt.

Vorläufiger Höhepunkt ist der an diesem Donnerstag von Varoufakis an die Euro-Gruppe geschickte Brief, in dem der griechische Finanzminister eigentlich die Verlängerung des laufenden Rettungsprogramms für sein Land, also der Finanzhilfen und der daran gekoppelten Reformen, um sechs Monate beantragen sollte.

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:Gabriel oder Schäuble: Welcher Meinung zum Brief aus Athen stimmen Sie zu?

Griechenlands Finanzminister Varoufakis bittet per Brief um die Verlängerung der Hilfen - bleibt aber vage. Aus Schäubles Ministerium heißt es, das sei "kein substanzieller Lösungsvorschlag". Wirtschaftsminister Gabriel stimmt zu, sieht den Vorschlag aber als "Riesenschritt" für die Griechen.

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Die Verlängerung soll dazu beitragen, kurzfristige Zahlungsengpässe des dramatisch verschuldeten Landes zu vermeiden, angefangene Reformen zu vollenden und einen Vertrag über die weitere Zusammenarbeit auszuhandeln.

"Kein substantieller Lösungsvorschlag" heißt es im Bundesfinanzministerium

Schuldenkrise in Griechenland
:Schäuble lehnt Athener Antrag ab - Gabriel geht auf Griechen zu

Das Papier habe "keine Substanz" und entspreche nicht der Vereinbarung: Finanzminister Schäuble lehnt einen Antrag der griechischen Regierung ab, das Kreditprogramm zu verlängern. Kabinettskollege Gabriel erkennt indes einen "Riesenschritt" der Griechen.

Die Wortakrobatik des griechischen Finanzministers führte indes zu einer neuen Eskalation. Sein Brief, der am Donnerstagvormittag in den Hauptstädten der Euro-Gruppe eintraf, bleibt vage. Eine eindeutige Zusage, dass Athen das bis 28. Februar laufende Rettungsprogramm verlängern will, enthält er nicht. Auch die Bedingungen, welche die Euro-Finanzminister auf ihrer ergebnislos abgebrochenen Sitzung am Montag aufgestellt hatten, werden nicht klar erfüllt.

Die Reaktion aus Berlin folgte umgehend. "Das Schreiben entspricht nicht den in der Euro-Gruppe vereinbarten Kriterien", und sei mithin "kein substanzieller Lösungsvorschlag", sagte Martin Jäger, der Sprecher von Bundesfinanzminister Schäuble. Die Ressortkollegen Schäubles äußerten sich zurückhaltender - oder auch gar nicht. Aus der Euro-Gruppe hieß es, "größtenteils" werde der Brief akzeptiert.

Jeroen Dijsselbloem, Vorsitzender der Euro-Gruppe, enthielt sich einer Einschätzung. Er lud zu einer neuer Krisensitzung für Freitagnachmittag ein. Auf dem Treffen soll geklärt werden, ob und wie die Zusagen aus Varoufakis' Brief mit den Forderungen der Euro-Gruppe übereinstimmen. Und wie die deutschen Bedenken ausgeräumt werden können.

Fünf Zusagen sollen die Griechen erfüllen

Die Euro-Gruppe hält fünf Zusagen für unerlässlich. Athen soll sich verpflichten, keine begonnenen Reformen zurückzudrehen. Noch nicht begonnene Reformen dürfen nur durch andere ersetzt werden, wenn diese zuvor mit den Experten der Kreditgeber abgestimmt worden und deren Finanzierung gesichert ist. Premier Tsipras muss sich verpflichten, alle Kredite zurückzuzahlen. Das ist für die Euro-Länder besonders wichtig, weil die Verträge vorsehen, dass Forderungen der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds vorrangig und Kredite der Euro-Länder erst danach bedient werden sollen. Athen soll sich verpflichten, mit den Experten der Kreditgeber (dem Gremium, das früher unter dem Namen Troika bekannt war) zusammenzuarbeiten und fünftens das laufende Rettungsprogramm ordnungsgemäß abzuschließen.

Der zweiseitige Brief aus Athen geht auf diese Forderungen durchaus ein - allerdings fast durchgängig mit relativierenden Halbsätzen. Sie machen die ohnehin hochkomplizierte Materie nur noch undurchdringlicher.

Mit einem Halbsatz lehnt Athen ab, das laufende Rettungsprogramm zu verlängern

Der entscheidende Satz, der zu dem erneuten Krisentreffen am Freitag geführt haben dürfte, findet sich am Ende des zweiten Absatzes. Er beginnt vielversprechend damit, dass die griechische Regierung die finanziellen Verpflichtungen gegenüber "allen Kreditgebern" anerkennt und dass sie bereit ist, mit den Partnern zu kooperieren, um technische Probleme bei der Umsetzung des Master Facility Agreement (der eigentlichen Kreditvereinbarung) zu vermeiden. Das sieht Athen als bindend an, indes nur bezogen auf die "finanziellen und prozeduralen" Aspekte. Mit diesem kryptischen Satz macht Athen aus dem geforderten Antrag auf Verlängerung des Kreditprogramms eine reine Verlängerung der finanziellen Hilfen.

Das Master Facility Agreement ist die grundlegende Vereinbarung, auf der das Rettungsprogramm aufbaut. Darin sind die Höhe von Kreditraten festgelegt, Auszahlungsdaten, Zinsen, Rückzahlungen. Zudem enthält sie einen klaren Verweis darauf, dass alles Geld nur fließt, wenn Athen die Vereinbarungen eines ebenfalls unterzeichneten Memorandum of Understanding, also einer Absichtserklärung über Reformen und Sparmaßnahmen, umsetzt.

Mit dem Halbsatz, nur die "finanziellen und prozeduralen", nicht aber die politischen Vereinbarungen über Gegenleistungen anzuerkennen, lehnt Athen also die Forderung der Kreditgeber ab, das laufende Rettungsprogramm zu verlängern. Athen muss gewusst haben, dass sich Deutschlands Finanzminister so eine Formulierung kaum gefallen lässt. Wie es weitergeht, hängt nun an einem Halbsatz.

© SZ vom 20.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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