Griechenland in der Krise:Der griechische Patient

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Griechenland müht sich um Auswege aus der Schuldenkrise. Doch spätestens jetzt steht fest: Die Radikalkur, die das Land seiner Bevölkerung und seiner Wirtschaft verordnet hat, reicht nicht. Ein neuer Prüfbericht des Internationalen Währungsfonds kommt zu einem erschreckenden Ergebnis.

Nikolaus Piper

Es ist ein lange geplanter Besuch, aber der verläuft weit unruhiger als geplant. Die Griechenland-Troika, also Experten von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF), halten sich seit Dienstag in Athen auf. Die Delegation will sich über den Stand der Reformen in Griechenland und den allgemeinen Zustand der griechischen Volkswirtschaft informieren.

Griechenlands Premierminister Giorgos Papandreou bei seinem großen Hilferuf im Jahr 2010. (Foto: ASSOCIATED PRESS)

Doch der Besuch der Troika ist diesmal alles andere als ein ruhiges Gespräch zwischen Experten und Politikern. In Griechenland selbst legte ein Streik weite Teile des öffentlichen Lebens. Aus den Finanzzentren der Welt hagelt es wilde Schlagzeilen über den Geldbedarf der Griechen. Nach wie vor halten sich intensive Gerüchte über eine Umschuldung; Anfang kommender Woche treffen sich in Brüssel die Eurogruppe und dann die Wirtschafts- und Finanzminister; sie beraten unter anderem darüber, wie schlimm es um Griechenland steht und wie es weitergehen soll.

Nicht nur deshalb hängt vom Testat der Prüfer vieles ab - unter anderem sind das die Konditionen für die Kredite, die das Land vom IWF bekommt. So hat der Fonds bereits angeboten, den bisherigen, sehr kurzfristigen Hilfskredit in ein längerfristig angelegtes Programm zu überführen, dessen Kredite erst in zehn Jahren zurückgezahlt werden müssen. Ob es so weit kommt, hängt entscheidend vom Stand der Reformen in Griechenland - und eventuell von neuen Zahlungen der Europäischen Union ab.

Noch hat sich die Troika nicht geäußert. Was dennoch nach außen dringt, hört sich allerdings sehr gedämpft an. "Es gibt viel guten politischen Willen in Athen, aber es mangelt überall bei der konkreten Umsetzung", sagte ein Delegationsmitglied. Zwar habe die Regierung mutig die Ausgaben im Staatshaushalt zusammengestrichen und mit der Rentenreform begonnen. Aber die Reform der Einkommensteuer und die Privatisierungen stünden noch aus, die sowohl Geld in die Staatskasse bringen als auch neue Dynamik in Wirtschaft bringen sollen.

Weitere Kürzungen im Etat seien kaum noch durchsetzbar. "Der griechische Haushalt hat jetzt ein Einnahmen-, kein Ausgabenproblem", ist zu hören. Einen Hoffnungsschimmer gibt es: Die griechische Wirtschaft ist im ersten Quartal um 0,8 Prozent gewachsen ist. Trotzdem hält der IWF an seiner Prognose fest: einem Minus von 3,5 Prozent in diesem Jahr. Erst für 2012 rechnet der Fonds wieder mit einem Plus.

Unhaltbare Lage

Den Experten ist allzu klar, dass die Lage Griechenlands derzeit unhaltbar ist. Die Regierung braucht nach Schätzungen ungefähr 60 Milliarden zusätzlich und/oder Zugeständnisse bei den Kreditkonditionen - also längere Laufzeiten und niedrigere Zinsen.

Die Aussicht, dass sich das Land im nächsten Jahr, wie ursprünglich geplant, wieder selbstständig Geld an den Kapitalmärkten borgt, erscheint derzeit als völlig illusorisch. Wollte Athen heute eine internationale Anleihe begeben, müsste die Regierung den Investoren immense 15,7 Prozent Rendite bezahlen (in Deutschland sind es derzeit 3,11 Prozent) - eine Zahl, die jede Haushaltsführung sprengen würde.

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Die Debatte um eine Umstrukturierung, also eine Form von organisiertem Schuldenerlass, ist vor diesem Hintergrund unausweichlich. Trotz aller Sparmaßnahmen wird der Anteil der griechischen Staatsschuld am Bruttoinlandsprodukt (BIP) im nächsten Jahr auf 160 Prozent steigen - von derzeit 130 Prozent. Der Anstieg ist allein eine Folge der Rezession, die durch die Kürzungen der Regierung ausgelöst wurde.

Viele Ökonomen glauben, dass das Land dadurch in eine Falle gezwungen wurde, aus der es nur durch einen Schuldenschnitt wieder herauskommt. Dazu gehören der Starprofessor Nouriel Roubini von der New York University oder auch Martin Wolf, Ökonom und Kolumnist der Financial Times.

Selbst unter sehr günstigen Annahmen müsste der griechische Finanzminister Jahr für Jahr einen Primärüberschuss (Haushaltssaldo ohne Zins und Tilgung) von 30 Milliarden erwirtschaften, um allmählich den Schuldenberg zu senken. Aber das gilt als nicht durchsetzbar.

Die Finanzmärkte scheinen jedenfalls eine Umschuldung zu erwarten. Der Zinsaufschlag griechischer Anleihen gegenüber deutschen, der im Februar schon bei unhaltbaren acht Prozent lag, hat inzwischen fast 13 Prozentpunkte erreicht.

Sowohl die EZB als auch der IWF und die meisten EU-Staaten haben sich bisher strikt gegen eine Umschuldung Griechenlands ausgesprochen. Sie fürchten unter anderem verheerende Folgen für die europäischen Banken.

Loukas Papademos, der griechische Vizepräsident der EZB, nannte am Donnerstag auf einer Konferenz in Frankfurt noch ein weiteres Argument: Athen hätte von einer Umschuldung nicht viel, denn die Regierung müsste nach einem Schnitt unmittelbar die griechischen Bank und Pensionsfonds mit frischem Kapital ausstatten - und stünde damit genauso schlecht da wie vorher.

© SZ vom 14.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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