Google in China:Das Ende der Selbstzensur

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Google legt sich mit Chinas Machthabern an: Der US-Internetgigant verlegt seine Server nach Hongkong und bietet Chinesen ungefilterte Suchergebnisse an. Peking reagiert empört - und zensiert die Ergebnisse nun selbst.

Es ist ein einmaliger Affront gegen Chinas Regierung: Nach monatelangem Streit über Hackerangriffe und Zensurbestimmungen in dem kommunistischen Land hat der US-Internetriese Google seine selbst auferlegten Beschränkungen für beendet erklärt. Mit der Umleitung über Hongkonger Server habe das Unternehmen die Zensur seines Angebots für chinesische Nutzer gestoppt und bietet wieder eine Suchmaschine ohne Einschränkungen an, teilte Google mit. Die chinesische Regierung warf dem Unternehmen vor, seine Versprechen gebrochen zu haben. Chinas Nutzer haben allerdings weiterhin keinen freien Zugrif auf Seiten, die den Machthabern nicht genehm sind.

Wie Google-Chefjustiziar David Drummond in einem Internet-Blog schrieb, stoppte das Unternehmen sein Angebot auf google.cn für die allgemeine Internetsuche, ebenso die Nachrichtensuche und die Bildersuche. Die Besucher der Website google.cn würden nun auf die Seite google.com.hk umgeleitet. Auf den Servern in Hongkong stünden unzensierte Angebote auf Chinesisch zur Verfügung, die sich speziell an Nutzer aus der Volksrepublik richten. Auf einer täglich aktualisierten Website will Google darüber informieren, welche seiner Dienste von China aus erreicht werden können.

Zugang zu ungefilterten Informationen haben Chinesen allerdings auch nach Googles Umleitung nicht: Nutzer auf dem chinesischen Festland können derzeit Seiten mit Worten wie "Falung Gong" oder "4. Juni" nicht aufrufen. Letzteres bezieht sich auf die blutig niedergeschlagenen Proteste von 1989. Offenbar hat China seine eigenen Filter aktiviert.

Reife Beziehungen

Die chinesische Regierung reagierte prompt. "Google hat seine schriftlichen Versprechen gebrochen, die es abgegeben hat, als es auf dem chinesischen Markt startete", erlärte das zuständige Informationsministerium. Kommerzielle Themen dürften nicht "politisiert" werden. Der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua zufolge bezeichnete ein Regierungsbeamter den Stopp der Zensur als "total falsch".

Die US-Regierung hatte im Interesse der Beziehungen zu China auf eine Einigung gehofft. "Wir sind enttäuscht, dass Google und die chinesische Regierung nicht in der Lage waren, eine Einigung zu erzielen, die es Google ermöglicht hätte, seine Suchdienste auf google.cn weiterhin anzubieten", sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats von US-Präsident Barack Obama. Jedoch seien die Beziehungen zwischen den USA und China reif genug, um solche Unterschiede auszuhalten.

Warnung aus Peking

Der Internetkonzern wird auch nach dem Serverumzug nach Hongkong weiter in China präsent sein. Die Entwicklungsarbeit in China und auch die Verkaufsbüros vor Ort sollten erhalten bleiben, hieß es. Gleichwohl werde der Umfang davon abhängen, wie viele Nutzer aus der Volksrepublik die Angebote künftig sehen könnten. Größter Suchmaschinenanbieter in China ist Baidu. Bei Google macht das China-Geschäft nur einen geringen Anteil am Umsatz aus.

Google rechnet offenbar mit negativen Folgen für seine Mitarbeiter. "Wir wollen deutlich machen, dass diese Entscheidungen von der Konzernführung in den USA getroffen worden sind und keiner unserer Mitarbeiter in China dafür verantwortlich gemacht werden kann", erklärte Google-Anwalt Drummond. Die chinesische Regierung hatte unmissverständlich gewarnt, dass Google mit Konsequenzen rechnen müsse, falls der Konzern auf die vorgeschriebene Zensur verzichtet.

Google hatte im Januar nach mutmaßlichen Hackerangriffen aus China damit gedroht, sich vom chinesischen Markt zurückzuziehen. Der Angriff konnte dem Unternehmen zufolge nach China zurückverfolgt werden. Der Streit hatte zuletzt auch die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern belastet.

Erst vor vier Wochen hatte Google dann 40 neue Stellen für Ingenieure, Kaufleute und Verwaltungsangestellte in Peking, Shanghai und in der südchinesischen Stadt Guangzhou ausgeschrieben und damit Spekulationen darüber geschürt, sich nun doch mit den chinesischen Zensurbehörden verständigt zu haben.

In dem kommunistischen Land herrscht strenge Internetzensur. Auf viele ausländische Seiten wie das Internet-Netzwerk Facebook und das Video-Portal Youtube können chinesische User nicht zugreifen. Nur in den Sonderverwaltungszonen Hongkong und Macao gibt es freien Zugang zum Internet.

© sueddeutsche.de/AFP/Reuters/dpa/jab - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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