Gipfelstürmer-Salon:Geschäfte besser machen

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Beim zweiten Gipfelstürmer-Salon diskutieren Gründer über Standortfragen: Warum erschaffen gerade Absolventen einer Leipziger Hochschule so große Firmen wie Trivago und Delivery Hero?

Von Julian Erbersdobler, Leipzig

Manchmal tut Gründen weh. So war es auch bei Frank Tornau, der zwischenzeitlich wieder bei seinen Eltern einziehen musste, weil er sich eine eigene Wohnung nicht leisten konnte. "Das war nicht so dolle", sagt er. Heute ist Tornau Chef der Saxonia Network Systems GmbH, einer IT-Firma mit Sitz im sächsischen Markkleeberg. Der Gründer ist einer von vier Gästen beim Gipfelstürmer-Salon. Die Veranstaltungsreihe, welche die Süddeutsche Zeitung erstmals in diesem Jahr in mehreren Städten organisiert, begleitet den SZ-Gründerwettbewerb.

Der Termin in der alten Baumwollspinnerei in Leipzig entstand aus einer Kooperation mit der Handelshochschule HHL, die sich als Brutkasten für Gründerideen versteht. Auch Stephan Stubner ist da, der Rektor. In den vergangenen 20 Jahren gründeten seine Absolventen fast 300 Firmen, darunter Trivago, Delivery Hero, About You und Auto 1. Vier Unicorns, Unternehmen mit einer Bewertung von mehr als einer Milliarde Dollar. Was macht die HHL besser als andere Hochschulen und Universitäten? "Wir sagen nicht ,Bei der Exmatrikulation bist du raus', sondern versuchen eine längere Bindung zu schaffen." Auch während der Studienzeit gehe es darum, die Studenten mit anderen, jungen Gründern an einen Tisch zu bringen. Warum das wichtig ist, weiß der Rektor aus eigener Erfahrung: "Unternehmertum war für mich lange keine Option, weil ich keinen Gründer kannte". Vorbilder und möglichst niedrige Hürden seien nötig.

Neue Ideen in alten Mauern: In der ehemaligen Baumwollspinnerei sitzt das Spinlab, in dem die HHL Start-ups fördert. Am Mittwochabend diskutierten dort die Gründer Hendrik Krawinkel, Frank Tornau und Christiane Seitz mit HHL-Rektor Stephan Stubner und Moderator Marc Beise (von links). (Foto: Daniel Reiche/oh)

Wie so ein erfolgreicher Lebenslauf nach dem Studium aussehen kann, zeigt der Weg von Hendrik Krawinkel, der auf der HHL war. Er ist Mitgründer der Ioniq-Group, auch ein Unicorn. Wie hat er das geschafft? "Unternehmertum ist Leidenschaft", sagt Krawinkel. "Ich habe Spaß daran, etwas auf der grünen Wiese aufzubauen." Wichtig sei aber auch, dass man an der richtigen Stelle loslassen könne. 2011 startete Ioniq im Daten- und Werbemarkt. Später kam der Finanz- und Versicherungssektor dazu. Seit 2017 arbeitet das Unternehmen auch im Bereich der Digitalisierung des Gesundheitsmarktes. "Wir sind konservativer unterwegs, als das vielleicht klingen mag. Unsere Stärke ist es, Geschäfte, die es schon gibt, besser zu machen", sagt Krawinkel, dessen Firma in Berlin sitzt. Warum eigentlich nicht in Leipzig? "Wir haben einen sehr guten Draht zur Politik." Außerdem säßen in Berlin viele Kunden, und die Nähe zu großen Medien sei auch kein Nachteil.

Christiane Seitz sieht das anders. "Mein Herz schlägt für Leipzig", sagt sie. Seitz ist geblieben. Auch sie hat eine Vergangenheit an der HHL, war hier im Accelerator-Programm. Die Idee für ihr Start-up kam der Leipzigerin vor fünf Jahren - beim Shoppen. Sie trägt Übergröße und fand in vielen Geschäften nichts. "Die Übergrößen hingen in der letzten Ecke", sagt sie. Manche gab es gar nicht, andere waren schlecht geschnitten. Online war die Suche zwar leichter, aber auch nicht gerade übersichtlich. Gemeinsam mit zwei Partnern gründete sie die Plattform Wundercurves. "Wir bieten kurvigen Frauen von heute an, was es für reguläre Größen schon lange gibt."

"Man ist von hier so schnell in Berlin, dass man dort nicht hinziehen muss."

Was hält Christiane Seitz und ihr Start-up in Leipzig, während es viele in die Hauptstadt zieht? Im Gegensatz zu Berlin werde man hier als Start-up leichter gehört, sagt sie. Außerdem seien die Lebenshaltungskosten niedriger. Ein weiteres Argument: "Man ist von hier so schnell in Berlin, dass man dort nicht hinziehen muss." Auch HHL-Rektor Stubner beobachtet einen Trend, dass Gründer wieder nach Leipzig zurückkommen. "Die Attraktivität, die Berlin vor zehn Jahren hatte, da sind jetzt drei Fragezeichen dran", sagt er. Als Gründe nennt er steigende Kosten und große Konkurrenz um Personal.

(Foto: SZ)

Frank Tornau von Saxonia Network Systems stimmt ihm zu. "In Berlin tun wir uns als IT-Firma extrem schwer, gute Leute zu finden." Tornau hat in Leipzig Wirtschaftsingenieurwesen und Elektrotechnik studiert. "Das war zu einer Zeit, als IBM und Siemens nur darauf gewartet haben, bis wir mit dem Studium fertig werden." 28 von 30 seiner Kommilitonen, erzählt er, sind zu einem dieser Unternehmen gegangen, Tornau entschied sich für einen anderen Weg. Heute ist er nicht nur Gründer, sondern auch Politiker. Er sitzt für die CDU im Leipziger Stadtrat. "Das war am Anfang ein Kulturschock für mich." Die Entscheidungsfindung sei nicht mit der in einem Unternehmen zu vergleichen. Man müsse Mehrheiten finden, Debatten führen, Argumente austauschen, auch mal zurückstecken. "Die Arbeit im Stadtrat hat mich auch in meiner Firma positiv verändert", sagt Tornau.

Müssen Start-ups ständig wachsen, um nicht irgendwann von einem Größeren geschluckt zu werden? "Damit setzen wir uns bewusst nicht auseinander", sagt Christiane Seitz von Wundercurves. "Wir wollen erst das Produkt so perfekt wie möglich machen, und an diesem Punkt sind wir noch nicht." Auch die vermeintliche Übermacht aus den USA und China sieht die Runde relativ entspannt. Ioniq-Mitgründer Krawinkel sagt: "Wir haben hier doch nicht weniger IQ-Punkte als die da drüben." Bleibt nur noch die Frage, wie viel Risiko man eingehen muss, um ein erfolgreiches Start-up auf den Markt zu bringen. "Ich würde es wieder machen, auch auf die Gefahr hin, dass ich bei meinen Eltern einziehen müsste", sagt Krawinkel und grinst.

Korrektur: In einer früheren Version des Textes wurde die Handelshochschule fälschlicherweise HLL genannt statt HHL. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.

© SZ vom 14.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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